Ottfried Fischer: Urteil im Prozess um Sex-Video:Ein teures Vergnügen

"Pressefreiheit statt Erpressungsfreiheit": Weil sie Ottfried Fischer mit einem Sex-Video reinlegen wollten, verurteilt das Münchner Amtsgericht eine Prostituierte und ihre Komplizen zu Geldstrafen. Am meisten muss aber ein ehemaliger "Bild"-Journalist blechen.

Christian Rost

Ausgerechnet die Frau, die geholfen hat, Ottfried Fischer beim Sex zu filmen, hat Probleme damit, wenn sie gefilmt oder fotografiert wird. Die Prostituierte Maria K., 32, tarnt sich im Gerichtssaal mit Perücke, Cape, Sonnenbrille; sie verbirgt ihr Gesicht zusätzlich hinter einem Kuvert. Angeblich will sie nur aus Rücksicht auf ihren kranken Vater unerkannt bleiben. Das Opfer hingegen stellt sich den zwei Dutzend TV-Kameras und Fotografen: Der 56-Jährige, in schwarzem Anzug und weißem Hemd, nimmt nicht den Hintereingang zum Gerichtssaal. Durch die Medientraube hindurch schreitet er zu seinem Platz und lässt sich 15 Minuten lang ablichten. Er verzieht keine Miene, nimmt nur hin und wieder die Brille ab, um sie zu putzen.

Ottfried dpa Fischer Prostituierten-Affäre

Selbstbewusstes Opfer: Der Schauspieler Ottfried Fischer im Münchner Amtsgericht.

(Foto: dpa)

Man weiß nicht, wie es in ihm aussieht, er gibt keine Auskunft. Er muss aber gerüstet sein, weil sein Intimleben ausgebreitet wird vor dem Münchner Amtsgericht. In der Hauptverhandlung geht es darum, wann er welche Huren empfangen, was er dafür bezahlt hat, wie sie ihn heimlich gefilmt haben und was die Bild-Zeitung aus der Geschichte gemacht hat.

Manche mögen sich amüsieren bei der Vorstellung, dass der Dicke, den man als Pfarrer Braun und als den Bullen von Tölz vom Fernsehen kennt, mit zwei leichten Damen in Kontakt trat. Aber das ist seine Privatsache. Das Pikante ist, dass sich fünf Leute aus dem Rotlichtmilieu zusammengetan haben, um den an Parkinson erkrankten Fischer auszunehmen und bloßzustellen.

Fischer ging den Liebesdamen und ihren Hintermännern im Sommer 2009 auf den Leim. Er hatte eine Krise, war in dieser Zeit von seiner Lebensgefährtin getrennt. In seiner Schwabinger Wohnung empfing der Schauspieler Prostituierte, darunter die 35-jährige Jasmin H., die offenbar ziemlich gewieft und skrupellos ist: Von Fischers beiden Kreditkarten kopierte sie 27 Belege und reichte diese an Klaus-Peter H. weiter, einen 44-jährigen Zuhälter aus Germering. H. gibt zwar als Beruf Installateur an, dürfte dafür aber kaum Zeit finden, neben Krafttraining und der Betreuung von Liebesdamen. Jedenfalls fälschte er zusammen mit Mike P., 36, der ebenfalls als Rotlichtdienstleister zur Verfügung steht, die Kreditkarten-Belege und kassierte ab. Insgesamt geht es um 74.366 Euro. Der Betrug flog auf, als Ottfried Fischer seine Abrechnungen zugeschickt bekam und reklamierte.

Als die Kartenfirmen die Abbuchungen stoppten, brauchten die Zuhälter Beweise, um ihre Forderungen zu untermauern. Also beauftragten sie Jasmin H., Fischer beim nächsten Treffen heimlich zu filmen. Unterstützt von ihrer Kollegin Maria K. besuchte die Hure ihn erneut und fertigte das halbstündige Video an. "Ich habe nichts davon bemerkt", sagte Fischer im Zeugenstand. H. setzte sich kurz darauf in die Türkei ab; seither ist sie verschwunden. Mike P. schickte Teile des kopierten Films über seine Bekannte Bianca F., 41, dem Kartenunternehmen American Express zu. Und Mike P. suchte auch Kontakt zu Bild, um den Film für 3500 Euro an den damaligen Reporter Wolf-Ulrich S., 29, zu verkaufen.

Dem Zeitungsmann wirft Staatsanwalt Kai Gräber nun vor, Fischer mit dem Video in der Schublade zu einem Interview genötigt zu haben. Das kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden, und Gräber hält eine Freiheitsstrafe für angemessen. S. bestreitet die Nötigung. Er habe sich das Material im Zuge der Recherchen über den Kreditkartenbetrug bei Ottfried Fischer zwar von Mike P. besorgt. Bei Bild sei aber nie auch nur daran gedacht worden, den Film zu veröffentlichen. Die DVD mit dem Film habe er vernichtet.

Fischer fühlte sich unter Druck

Die Hamburger Medien-Agentin von Ottfried Fischer bestätigt im Zeugenstand überraschend die Darstellung des ehemaligen Bild-Mannes. "Ich bin von ihm nicht unter Druck gesetzt worden." Diese Aussage kommt der Bild-Chefredaktion nicht ungelegen, die per Weisung nach München ihrem Ex-Mitarbeiter Wolf-Ulrich S. am Verhandlungstag rät: Kein Geständnis!

Fischer selbst fühlte sich unter Druck angesichts des Films im "Giftschrank". "Ich hätte sonst keinen Grund gehabt, ein Interview zu geben", sagt er. Seine Agentin, die bei Bild ein- und ausgehe, habe ihm deutlich gemacht, ohne Kooperation wäre seine Karriere zu Ende.

Während der Springer-Verlag also die Pressefreiheit hoch hält und S. eine Straftat bestreitet, wählen die vier Angeklagten aus dem Milieu einen anderen Weg vor Gericht. Sie schicken ihre Rechtsanwälte zum Staatsanwalt und zum Vorsitzenden Hilmar Buch. Es gibt einen Deal: Die Prostituierte Maria K., die Helferin Bianca F., der Zuhälter Klaus-Peter H. und Mike P. gestehen allesamt die "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs des Herrn Fischer durch Bildaufnahmen". Sie bitten ihn um Verzeihung, Fischer nimmt an.

Das Gericht belohnt das kooperative Verhalten: Buch belässt es bei Geldstrafen in Höhe von 600 Euro für F., 1600 Euro für K., 3600 Euro für H. und 12.000 Euro für P. Allerdings müssen sie demnächst erneut im Strafjustizzentrum erscheinen. In diesem Prozess geht es nur um das Video, der Kreditkartenbetrug wird als eigener Fall angeklagt. Damit ist auch der Fall Ottfried Fischer nicht vom Tisch. Auch Journalist S. wird erneut vor Gericht ziehen müssen, wenn er auf einem Freispruch beharrt. Er wurde der Nötigung schuldig gesprochen und muss 14.400 Euro Geldstrafe zahlen. Sein Verhalten "war eine Drohung" gewesen, sagt der Richter.

Fischer begrüßte das Urteil: "Pressefreiheit darf nicht zur Erpressungsfreiheit werden."

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