Ottfried Fischer und "Bild":Der Star in der Sexfalle - sorry, Herr Fischer!

Sollte Ottfried Fischer mit einem Sex-Video zum Interview mit "Bild" genötigt werden? Vier Angeklagte entschuldigen sich, der "Bild"-Reporter nicht. Er erhält am Ende die höchste Strafe.

Birgit Kruse

Da sitzt er nun. Ruhig, geduldig, wartend. Der Medienrummel lässt Ottfried Fischer auf den ersten Blick kalt. Die Hände hat der 56-Jährige vor dem Bauch verschränkt. Stoisch guckt der Mann, der der Bulle von Tölz war, in die Kameras. Es dauert einige Minuten, bis ein Grinsen über seine Lippen huscht und er seinem Anwalt etwas zuraunt. Für einen Moment blitzt das Schelmische des Schauspielers durch.

Prozessbeginn Otti Fischers Prostituierten-Affäre

Ottfried Fischer im Münchner Amtsgericht: Ein ehemaliger Bild-Journalist soll den Schauspieler genötigt haben.

(Foto: dpa)

Doch zum Lachen ist der Termin vor dem Amtsgericht München nicht. Aber vielleicht zum Aufatmen für den TV-Mann und Kabarettisten. Wenn alles vorbei ist an diesem einen Verhandlungstag, der für den Prozess angesetzt ist.

Heute soll ein Schlusspunkt gesetzt werden unter die Affäre um den Quotenbringer Fischer, in der es um Sex, Lügen und ein Video geht. Und um eine mögliche Erpressung. Drei Männer - darunter ein ehemaliger Bild-Journalist - und zwei Frauen müssen sich wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sowie wegen Nötigung vor Gericht verantworten.

Soviel vorab: Am Ende des Prozesstages sind alle fünf Angeklagten zu Geldstrafen verurteilt worden. Das Amtsgericht München befand die drei Männer und zwei Frauen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs Fischers durch Bildaufnahmen für schuldig. Der angeklagte ehemalige "Bild"-Redakteur wurde darüber hinaus wegen Nötigung verurteilt. Er muss mit 14.400 Euro die höchste Geldstrafe der fünf Angeklagten zahlen (180 Tagessätze à 80 Euro). Und er war auch der einzige der Angeklagten, der sich bei Fischer nicht entschuldigt hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte für ihn eine Freiheitsstrafe auf Bewährung von sechs Monaten gefordert.

Es ging in dem Prozess also um ein Video. Es zeigt Ottfried Fischer, den Pater Braun im öffentlich-rechtlichen ARD-Programm, offenbar wenig sittsam mit zwei Prostituierten. Bei einem Treffen im Sommer 2009 ist dieses Material entstanden - in seiner Schwabinger Wohnung. Offenbar kam Mike P. auf die Idee, einen solchen Beweis anfertigen zu lassen. Später hat ein Telefonat zwischen Fischers Agentin und dem ehemaligen Bild-Journalisten Wolf-Ulrich S. stattgefunden. Kurz darauf erschien in der Bild ein Exklusiv-Interview mit Fischer sowie zwei weitere Berichte.

Hat sich Fischer genötigt gefühlt, sich zu der CD und seinem Privatleben zu äußern? Hat er Sorge gehabt, ob das Material veröffentlicht wird, wenn er sich nicht äußert? Und: Was wurde in einem Gespräch zwischen seiner Agentin und dem Journalisten genau gesagt? Das soll letztlich geklärt werden.

Doch bis es zur ersten Aussage an diesem Tag kommt, brauchen alle Beteiligten viel Geduld. Eine Zeugin kommt mehr als eine halbe Stunde zu spät. Dann wird die Sitzung mehrfach unterbrochen - für ein Gespräch zwischen den Anwälten, dem Staatsanwalt und dem Richter.

Und Ottfried Fischer selbst wird erst gegen 16 Uhr in den Zeugenstand gerufen. Dann redet er, über den Film, von dessen Entstehung er "nichts mitbekommen" habe. Erstmals habe er davon erfahren, als seine Agentin ihn darauf angesprochen hat. Tenor des Gesprächs: Wenn Fischer mit der Zeitung kooperiere und ein Inverview gebe, würde die kompromittierende CD im Giftschrank verschwinden. Ob er ohne die CD auf die Idee gekommen wäre, mit der Bild zu sprechen? "Ich glaube eigentlich nicht. Nein." Er war von der Sorge getrieben, seine Karriere könnte ohne eine Äußerung in der Öffentlichkeit beendet sein. Aus. Vorbei.

Mutmaßliche Täterin in die Türkei abgetaucht

Jetzt reden die Angeklagten. Den Anfang macht Mike P. Er hat das kompromittierende Video für 3500 Euro an Bild verkauft. Jetzt entschuldigt er sich bei Ottfried Fischer. Dieser sitzt ihm genau gegenüber.

Auslöser für die Aufnahme des Sexvideos war, so erklärt es die Staatsanwaltschaft, ein versuchter Kreditkartenbetrug - ein Fall, der noch in einem separaten Verfahren vor Gericht kommt. Demnach wollten einige der Angeklagten mit Hilfe von falschen Unterschriften mehr als 74.000 Euro als Prostituiertenlohn kassieren, der aber nicht vereinbart gewesen sei. Nachdem Fischer der Zahlung widersprochen hatte, wurde, so der Vorwurf, das Sexvideo angefertigt. Bilder daraus wurden danach als Beleg für den Anspruch auf die Zahlung an die Kreditkartenfirma American Express geschickt.

Das Video wurde also - den Aussagen zufolge - lediglich auf Betreiben von Jasmin H. produziert. Sie ist heute nicht anwesend. Nach dem Vorfall ist sie in die Türkei gereist und seitdem nicht mehr aufgetaucht.

Eine "Trotzreaktion"

Der Anwalt des Angeklagten Klaus-Peter H., der als Komplize an den illegalen Geschäften beteiligt gewesen sein soll, schildert die Sicht seines Mandanten so: Auch er sei "überrascht" gewesen, dass es statt der Handyfotos plötzlich ein Video gab. Klaus-Peter H. ist groß, unter dem kurzärmeligen Karohemd drücken sich dicke Muskeln durch. Zu Beginn des Prozesses trägt er noch eine blau getönte Sonnenbrille. "Frau H. sei mit allen Wassern gewaschen", krächzt er mit heiserer Stimme ins Mikrofon und in Richtung Fischer.

Und auch der Anwalt der Angeklagten Maria K., die bei dem Dreh des Videos anwesend war, weist die böse Absicht seiner Mandantin ab. Wenn sie gewusst hätte, was ihre Kollegin Jasmin H. mit den Aufnahmen wirklich plante, hätte sie nicht mitgemacht.

Der gefilmten Liebesdame K. ist dieser Auftritt im Gericht besonders unangenehm. Ihren schwarzen Mantel schlingt sie eng um sich. Immer wieder zupft sie an ihrem schwarzen Pony, wippt nervös mit den Beinen, setzt die schwarze Sonnenbrille auf und wieder ab. Als die Kameras noch im Raum sind, hält sie sich einen braunen Din-A-3-Umschlag vors Gesicht - egal, ob die Kameras gerade auf sie gerichtet sind oder auf Otti Fischer.

Und auch die letzte Angeklagte, die vor der Mittagspause zu Wort kommt, bedauert das Geschehene. Es handelt sich um Bianca F., einer weiteren mutmaßlichen Komplizin. Schüchtern sitzt die füllige Frau mit den langen braunen Haaren auf der Anklagebank. Sie hat die Bilddaten an American Express weitergeleitet - in dem Wissen, dass dies "ohne Zustimmung" von Ottfried Fischer geschehen sei. Dann richtet sie sich an den Schauspieler. Es tue ihr "wirklich von Herzen leid".

"Infoho Otti Fischer"

Doch warum wurde das Video dann Bild angeboten? Das war eine "Trotzreaktion", sagt Mike P. Er hätte Angst gehabt, auf Kosten sitzenzubleiben, die durch eine mögliche Rückbuchung von American Express entstanden wären. Daraufhin habe er in der Redaktion angerufen und das Material angeboten. "Es war ein Interesse" von Seiten des Redakteurs da. Für P. war klar, "dass er die CD haben wollte".

Der 29-jährige Reporter soll eine Summe in Höhe zwischen 50.000 und 100.000 Euro für brisantes Material in Aussicht gestellt haben.

Ein Treffen in Berlin wurde vereinbart - und letztlich 3500 Euro unter dem Buchungsvermerk "Infoho Otti Fischer" an Mike P. überwiesen. Was konkret mit dem Video passieren sollte, darüber wurde offenbar nicht geredet.

"Ich weiß es nicht mehr", sagt Mike P. Er ging davon aus, dass höchstens ein paar Prints in der Zeitung veröffentlicht werden.

Veröffentlicht wurde das Video zwar nicht. Dennoch bleibt die Frage offen: Wo ist die Original-CD mit den Aufnahmen geblieben?

Wolf-Ulrich S. hat eine Erklärung - zumindest, was das Original betrifft: Er habe die CD zweimal zerbrochen und in den Mülleimer geworfen.

Und noch etwas hat S. zu sagen: Ja, er habe die CD von Mike P. bekommen. Ja, er habe 3500 Euro für das Material gezahlt. Doch er habe nicht die Absicht gehabt, den Inhalt der CD "redaktionell zu verwenden". Dies sei angesichts des Materials auch nicht gewünscht gewesen. Er habe die CD in seinen Schreibtisch eingeschlossen."Damit war die Sache für mich erledigt."

Doch ganz erledigt ist die Sache nicht: Denn da gab es ja noch das Telefonat zwischen S. und Fischers Agentin - und das Exklusiv-Interview in der Bild. Wolf-Ulrich S. erinnert sich so: Er sei von der Agentin angerufen und im Verlaufe des Gespräches auf das Video angesprochen worden. Er habe ihr gesagt, dass "das Video für uns nicht verwertbar ist". Er könne auch nach Hamburg kommen, um es gemeinsam mit der Agentin "in die Alster zu werfen". Ein Interview sei vereinbart worden, jedoch habe es keine Zusage gegeben, dass die CD im Giftschrank der Bild-Zeitung verschwinde, weil es "keinen Giftschrank bei Bild" gibt, so S.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: