Ortsplanung:Schönes neues Kirchheim

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Wirtschaftsförderer Tobias Schock hat eine Zukunftsvision der Gemeinde entworfen - mit eigenem Krankenhaus, Bildungszentrum und Parks, die bis ins Gewerbegebiet reichen. Die Belebung der Ortskerne allerdings kommt nicht voran.

Von Christina Hertel, Kirchheim

Es ist das Jahr 2030 in Kirchheim: Die Menschen arbeiten in hippen Büros mit begrünten Fassaden statt grauen Betonwänden. Sie radeln jeden Tag zur Arbeit, denn sie wohnen ganz in der Nähe, über dem Supermarkt. Nach Feierabend springen die Kirchheimer in den neuen Badesee im Gewerbegebiet und legen sie sich dort in eine große Schaukel. Ihre Kinder besuchen das modernste Gymnasium im ganzen Umkreis.

Und weil sie vom Lernen nicht genug bekommen, gehen sie abends regelmäßig in ein Bildungszentrum an der S-Bahnstation. Ihr zukünftiger Arbeitgeber hält dort einen Vortrag. Manchmal treffen sie auf ihre Großeltern, die ihr Wissen an die nächste Generation weitergeben. Wer krank ist, wird im Kirchheimer Krankenhaus gesund gemacht. So stellt sich der Kirchheimer Wirtschaftsförderer Tobias Schock die Zukunft seiner Gemeinde vor. Und diese Vision teilte er am Montagabend im Finanzausschuss Gemeinderäten mit, die nicht so recht wussten, was sie dazu sagen sollten. "Jetzt fühle ich mich ein wenig alt", meinte etwa Marcel Prohaska von der SPD.

Dass Schock ein Mann ist, der groß denkt, wurde gleich zu Beginn seiner Präsentation klar: Er zeigte keine Bilder von lokalen Handwerkern oder Kirchheimer Unternehmen, sondern Fotos der neuen Firmenzentrale von Amazon in Seattle - begrünte Kuppeln, die aussehen wie Seifenblasen. Dass er in Kirchheim wohl kaum Amazon ansiedeln kann, ist Schock zwar bewusst - mit seiner großen Vision von Kirchheim meint er es aber durchaus ernst. Vieles davon soll schon vor 2030 realisiert sein. "Die ganze Gemeinde", sagte er, "soll ein großer Kreativcampus sein."

An dem wohl größten Projekt arbeitet Kirchheim seit mehr als zwei Jahren: Zusammen mit zwei Ärzten bemüht sich die Gemeinde, in ein leer stehendes Gebäude am Heimstettener S-Bahnhof ein Krankenhaus unterzubringen. An diesen Plänen halten die Investoren laut Schock weiterhin fest. Doch nun gibt es außerdem die Idee, dort auf etwa 350 Quadratmetern ein Bildungszentrum einzurichten.

Schüler sollen sich mit Unternehmen vernetzen und Interessierte wissenschaftliche Vorträge hören. Schwerpunkt soll dabei auf den Naturwissenschaften und Informatik liegen. Die Gemeinde steht dafür in Kontakt mit Andreas Kratzer, einem Professor der Technischen Universität. Er leitet in Garching ein Projekt, bei dem Schüler mit Studenten und Doktoranden physikalische Experimente vornehmen. Betreiber dieses Bildungszentrums soll die Gemeinde selbst sein. Für rund 50 000 Euro will sie Equipment anschaffen. Allerdings hofft Schock auf Fördergeld und eine finanzielle Beteiligung der Unternehmen - schließlich gebe es für sie dort die Möglichkeit, Nachwuchs anzuwerben.

Bereits im nächsten Jahr will der Wirtschaftsförderer das Projekt angehen. Außerdem möchte er dort die Eckert-Schulen ansiedeln, an denen man sich beruflich weiterbilden kann, und einen Co-Working-Space, in dem Freelancer tageweise einen Schreibtisch mieten können. Ursprünglich hatte Schock das für die Ammerthalhöfe in Kirchheim geplant. Doch das klappte nicht. Grund sei die zu große Distanz zum S-Bahnhof gewesen. Neben dem Bildungszentrum soll ein Handwerkerhof entstehen. Auch hier sollen sich Jugendliche verwirklichen können. In einer eigenen Werkstatt sollen sie werkeln und basteln.

Das kostenlose Wlan gibt es nicht mehr, weil es keiner genutzt hat

Überhaupt will Schock die Gewerbegebiete attraktiver gestalten. Die Landesgartenschau, die Kirchheim 2024 austrägt, soll bis in die Industriegebiete gehen - mit begrünten Fassaden, Biotopen, Vogelkolonien, einem See, Schaukeln zum Entspannen. Am Ende soll das Kirchheimer Gewerbegebiet so ähnlich aussehen wie das Werksviertel am Münchner Ostbahnhof - eine Mischung aus modernen Wohngebieten und Gewerbe. Denkbar seien etwa Wohnungen über dem Supermarkt. Mit einem vierstelligen Betrag beteiligt sich die Gemeinde an den Planungen. Den Rest sollen die Unternehmen am Ort bezahlen. Mit Johannes Ernst, dem Architekten des Werksviertels, stehe Kirchheim bereits in Kontakt, sagt Schock.

Auch die Ortskerne von Heimstetten und Kirchheim sollen schöner werden - durch Installationen, einen Wasserfall, eine Beachbar und eine Bocciabahn. Bereits im Sommer präsentierte Schock Pläne für den Kirchheimer Ortskern. Verwirklicht wurde davon noch nicht viel. Bänke gibt es inzwischen und einen Bücherschrank. Weil die Menschen das Wlan nicht nutzten, schaffte es die Gemeinde bereits wieder ab. Auch wer in das leer stehende Postgebäude ziehen soll, ist nicht absehbar. Schock denkt immer noch an eine Weinbar - "wo man auch mal um 16 Uhr einen Aperol Spritz trinken kann, ohne als Alkoholiker zu gelten". Doch ein Wirt ließ sich dafür bis jetzt nicht finden. Deshalb will der Eigentümer die Immobilie zunächst sanieren.

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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