Süddeutsche Zeitung

Ortsgestaltung:Ein echter Platz vor dem Bahnhof

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Oberschleißheim verspricht sich vom Umbau des Areals echte Aufenthaltsqualität. Der Siegerentwurf verbannt Autos und Busse und setzt auf klimawirksame Grünflächen. Das gelingt durch die Begradigung der Straße

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Als die SPD 2019 beantragt hatte, den Oberschleißheimer Bahnhofsvorplatz zu Ehren von Max Mannheimer zu benennen, war die größte Frage bei diesem Vorstoß: Was ist in Oberschleißheim ein Bahnhofsvorplatz? Es gibt kein Gebäude, dessen Adresse umbenannt werden hätte müssen, weil ein Platz vor dem Bahnhof nicht existiert. Es gibt, historisch gewachsen, ein Knäuel an Straßen, garniert mit Bushaltestellen, eine Grünfläche ohne Kontext, irgendwo Elektro-Ladestellen und nebenan geht es zu den Bahnsteigen. Die Notwendigkeit, dort zusätzliche Fahrradstellplätze und weitere Bushaltestellen für Expresslinien unterzubringen, hat nun zu einer grundlegenden Überplanung geführt.

Dadurch bekommt Oberschleißheim jetzt ein Areal, das sich Bahnhofsvorplatz nennen darf, und der Max-Mannheimer-Platz ein Gesicht. Aus einem Planungswettbewerb mit elf teilnehmenden Büros hat das Preisgericht einen so eindeutigen Sieger gekürt, dass gar kein zweiter Rang vergeben wurde, um die Dominanz des Siegerentwurfs von Andreas Kicherer, "OK Landschaft" aus München, zu unterstreichen. "Der Ort bekommt eine Aufwertung", versprach Landschaftsarchitekt Markus Schäf als Vertreter des Preisgerichts bei der Vorstellung der Arbeiten am Montag im Bürgerzentrum. Bürgermeister Markus Böck (CSU) freute sich über "eine super Lösung".

Der große Kniff des erfolgreichen Entwurfs ist es, die Verschwenkung der Mittenheimer Gewerbestraße vor dem Bahnhof zu begradigen. Die beiden parallelen Straßen, die sich nach dem "Hit"-Markt trennen, um dazwischen die Grüninsel mit dem Flötenbrunnen zu bilden, werden nun bis zur gemeinsamen Einmündung in die von der Bahnbrücke abführenden Mittenheimer Straße parallel geführt. So entsteht ausreichend Fläche, um alle Bus-Linien direkt an beiden Straßen halten zu lassen.

Der in der bisherigen Straßenverschwenkung neu entstehende Platz vor dem Bahnhof wird so komplett Auto- und Bus-frei. "Der Platz steht den Menschen zur Verfügung", sagte Schäf. Weil die bisherige Grüninsel weichen muss, wird der Flötenbrunnen verlegt. Der neue Platz wird geprägt von vielen Bäumen, wobei die bisher dort verteilten Bäume trotz der neuen Straßenführung überwiegend erhalten werden können, und Blüteninseln, die allesamt von Sitzmauern und -bänken eingefasst werden. Die Bewertung der Jury attestiert neben der "gewünschten Aufenthaltsqualität" auch "klimawirksame Grünflächen", die gut für Verschattung sorgen und Überhitzung vermeiden würden.

Diese Gestaltung schließt die bislang ungenutzte Grünfläche an der Brückenböschung mit dem Gemeindewappen ein. Auch die wird mit Wegen und Sitzgelegenheiten erschlossen. Der bislang nicht wahrnehmbare Biergarten am Bahnhofskiosk wird in den neuen Platz gezogen. Die erweiterten modernen Fahrradständer sind in der nördlichen Verlängerung des Bahnhofsgebäudes angesiedelt, aber auch jenseits des Platzes, so dass es dort keinerlei konkurrierenden Verkehre gibt. "Sehr hohe Aufenthaltsqualität" erwartet Schäf.

Der Gemeinderat hat - hinter verschlossenen Türen - den Preisträger bereits mit der Realisierung beauftragt. Gerade laufen die Sanierungsarbeiten an der Bahnbrücke in der Mittenheimer Straße, die zum künftigen Platz hin ausschwingt. Geplant ist, mit den letzten Arbeiten an der Brücke bereits auf die neuen Pläne einzugehen und die Baustellen dann ineinander übergehen zu lassen. 2023 soll so mit der Realisierung begonnen werden.

Die Umgestaltung ist ein spätes Projekt im Städtebauförderprogramm "Soziale Stadt", in dem bereits das neue Oberschleißheimer Ortszentrum umgesetzt wurde. Über das Programm werden bis zu 60 Prozent der Umbaukosten von staatlichen Zuschüssen getragen. Die elf Entwürfe und ihre Ideen für den Platz sind noch zwei Wochen im Foyer des Bürgerzentrums ausgestellt. Dort seien "sehr unterschiedliche Ideen und Herangehensweisen" sichtbar geworden, so der Bürgermeister.

Ein mit einem Anerkennungspreis gewürdigter Entwurf hätte den Platz im Geiste der Botschaften des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer entwickelt und einen imaginären, alles integrierenden Kreis als Planungsgrundlage genommen. Das habe nach Ansicht der Jury, der auch der Bürgermeister und fünf Gemeinderäte angehörten, zu sehr vielen Defiziten in der konkreten Umsetzung geführt. Der dritte Preis habe sich durch eine große Orientierung am Bestand ausgezeichnet, aber damit eben auch nicht die gestaltende Qualität des Siegers erreicht.

Auch dem hat die Jury Verbesserungsaufgaben mitgegeben, so etwa den Konflikt zwischen Fahrradverkehr und den Bushaltestellen an den Rändern der Parallelstraßen zu lösen. Auch die Entwässerung des Platzes ist noch ein Thema, zudem müsse die begradigte Einmündung der Gewerbestraße wohl mit einer weiteren Ampelanlage gesichert werden.

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Quelle:
SZ vom 29.09.2021
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