Operninszenierung:Der Pakt in der Wolfsschlucht

Operninszenierung: Kaspar, gespielt und gesungen von Clemens Joswig (links), und Max alias Patrick Vogel, einer der Solisten von der Leipziger Oper.

Kaspar, gespielt und gesungen von Clemens Joswig (links), und Max alias Patrick Vogel, einer der Solisten von der Leipziger Oper.

(Foto: Claus Schunk)

In der Maschinenhalle in Ödenpullach wird der märchenhafte Freischütz unter Beteiligung vieler Oberhachinger aufgeführt

Von Marie Heßlinger, Oberhaching

Nebel steigt auf in der Wolfsschlucht, der Vollmond steht blass über dem Wald. Kaspar, ein Bösewicht, reibt zerbrochene Kirchenfenster in ein Feuer. "Dass die Kugel tüchtig sei! Samiel, Samiel, herbei!" ruft er den Teufel. Blitze zucken, der Wald verdunkelt sich. Max, der Protagonist der Geschichte, steht inmitten der Szene und schreit vor Angst. Er wird von Geistern befallen, während Kaspar nacheinander sechs Gewehrkugeln aus dem Feuer schöpft. Wie Flammen züngeln schwarze Gestalten an Max empor, er kämpft mit ihnen wie in einem Fiebertraum. Unter seinen Schreien zieht Kaspar die letzte, die siebte Kugel aus dem Feuer, dann hat der Spuk ein Ende. Der Pakt mit dem Teufel ist geschlossen: Max wird am nächsten Tag jedes Ziel mit seinem Gewehr treffen. Und trifft er bei der Jagd den Probeschuss, darf er seine Geliebte Agathe heiraten. Was er nicht weiß: Kaspar hat mit dem Teufel vereinbart, dass seine letzte Kugel ebendiese treffen soll.

Diese dramatische Szene ist gewiss nichts für allzu ängstliche Kinder im Publikum. Packend und mitreißend bis zum Schluss ist die Oper, der sie entstammt: Der Freischütz von Carl Maria von Weber. Unter der Regie von Ricarda Geary feierte sie am Samstag Premiere in der Maschinenhalle in Ödenpullach. Gerold Huber, musikalischer Leiter der Inszenierung, sieht in ebendieser Wolfsschlucht-Szene das moderne Moment des Stückes: "Der Wald spielt eine große Rolle", sagt er. Die Schönheit der Natur und zugleich ihre Gefährlichkeit, die sich in Zeiten des Klimawandels bemerkbar machen, seien in diesem Stück spürbar. Der Wald ist dabei nicht irgendein Wald: "Zum ersten Mal war damals eine Identifikation mit dem deutschen Wald da", sagt Huber.

Im Juni 1821 uraufgeführt wurde "Der Freischütz" im Nachhinein als die erste "deutsche Nationaloper" gepriesen. Richard Wagner schrieb 1841 aus Paris: "Oh mein herrliches deutsches Vaterland, wie muss ich dich lieben, wie muss ich für dich schwärmen, weil auf deinem Boden der Freischütz entstand." Er ließ sich von Weber inspirieren. Zu jener Zeit nach Napoleons Herrschaft war Deutschland ein lockerer Staatenbund ohne Verfassung. Es verbreitete sich der Ruf nach einem einigen Deutschland, die Sehnsucht nach dem "deutschen Vaterland" wuchs.

Die Wolfsschluchtszene wurde zum Inbegriff der Epoche der Romantik: Das Übernatürliche, das Mythische hielt Einzug in die Natur. Mit der einsetzenden Industrialisierung besannen sich die Künstler der Romantik auf mittelalterliche Sagen, unerklärbare Geheimnisse und unberührte Landschaften. Das Libretto des Freischütz, von Friedrich Kind verfasst, steht "ganz auf dem Boden deutsch-romantischer Volkssagen", so Huber. Genau dieses Märchenhafte der Oper ist es auch, das Geary dazu bewog, sie in diesem Jahr in Oberhaching aufzuführen. "Das ist eine gute Story, gut fürs Publikum", sagte Geary. Eine echte Volksoper. Ihr Held Max ist menschlich und liebenswert. Einst bester Schütze, trifft er seit Wochen kein Wild mehr, die Dorfgemeinschaft mobbt ihn deswegen. Aus Verzweiflung geht er den Pakt mit dem Teufel ein. Tenor-Sänger Patrick Vogel spielt diese Rolle voller Inbrunst und Ernst.

Eine Volksoper im wahrsten Sinne des Wortes ist Gearys Inszenierung aber auch, da viele Bewohner Oberhachings in das Stück eingebunden sind. Die vierte Oper ist es nunmehr, die die Musiklehrerin Geary zusammen mit ihrem Schulchor, dem Kammerchor und dem Kammerorchester Oberhachings sowie ihrem Vater als Dirigent produziert hat. Unterstützung holte sich Geary von drei Solisten der Staatsoper Leipzig. Es sind nicht nur die Stimmen der acht Solisten, die die Wände der Scheune zum Schwingen bringen. Das Zusammenspiel der 60 Chormitglieder, der 40 Orchesterspieler sowie das Herzblut von Geary und Huber sorgen dafür, dass die Musik noch lange in den Köpfen ihrer Zuhörer widerhallt.

Weitere Termine: Dienstag, 9. Juli, 19 Uhr, Donnerstag, 11. Juli, 19 Uhr, Freitag, 12. Juli, 19 Uhr und Sonntag, 14. Juli, 17 Uhr

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