Öffentlicher Nahverkehr:Die Signale stehen auf Streik

Mit 98,7 Prozent stimmt die Lokführergewerkschaft für den Ausstand im Nahverkehr: Damit droht der Stillstand im Nahverkehr pünktlich zur Wiesn-Zeit.

Marco Völklein

Die Signale stehen auf Streik: In einer Urabstimmung haben 98,7 Prozent der Mitglieder der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) für einen Arbeitskampf im Nahverkehr in Bayern gestimmt. Damit könnte die Drohung von Willi Russ, dem zweiten Vorsitzenden des Gewerkschaftsdachverbands dbb Tarifunion, wahr werden: Die GDL-Fahrer könnten pünktlich zur Wiesn den öffentlichen Nahverkehr lahmlegen.

U-Bahnhof Universität in München, 2010

Stillstand ausgerechnet zur Wiesn-Zeit? Zwar haben bei einer Urabstimmung 98,7 Prozent der Mitglieder der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) für einen Arbeitskampf gestimmt. Doch die Lage ist verworren.

(Foto: Catherina Hess)

dbb-Mann Russ führt im Auftrag der GDL die Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern. Die GDL fordert für die Fahrer im öffentlichen Nahverkehr im Freistaat unter anderem fünf Prozent mehr Lohn und einen Ausgleich für überlange Pausenzeiten und Wegstrecken, die die Fahrer zurücklegen müssen, wenn sie zum Beispiel ein Fahrzeug neu übernehmen. Die Konkurrenzgewerkschaft Verdi hatte sich dagegen mit den Arbeitgebern auf einen Abschluss geeinigt; dieser sieht bis zum Jahr 2012 ein Lohnplus von 3,5 Prozent in zwei Schritten vor sowie einmalig 240 Euro. Das ist der GDL zu wenig. Sie ruft ihre Mitglieder zum Streik auf.

Die Lage ist jedoch verworren: Denn lediglich die GDL-Mitglieder dürfen streiken, Verdi-Mitglieder nicht. Unklar ist daher, wie umfangreich der GDL-Streik tatsächlich ausfallen wird. Wie viele GDL-Mitglieder sich an der Abstimmung beteiligt hatten, teilte die dbb Tarifunion nicht mit. Nach deren Angaben hat die GDL in Bayern "mehr als 1000 Mitglieder, vor allem in München und Augsburg". Wie viele es genau sind und wie hoch der Organisationsgrad in einzelnen Betrieben ist, darüber gibt es keine Angaben. So wollen die Streik-Strategen für Unruhe bei den Arbeitgebern sorgen - und Überraschungseffekte im Arbeitskampf erzielen.

Denn bei bisherigen Streiks im Nahverkehr konnten die Arbeitgeber in etwa absehen, was auf sie zukam . Da beide Gewerkschaften, Verdi und GDL, zum Streik aufgerufen hatten, beteiligte sich stets das Gros der Fahrer. In München organisierte die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) mit privaten Anbietern ein Bus-Notnetz. Nun aber ist völlig unklar, welcher Mitarbeiter bei der GDL ist und damit streiken kann. Die GDL setzt darauf, dass zum Beispiel ein GDL-Fahrer, der laut Dienstplan eigentlich eine U-Bahn am Hauptbahnhof oder eine Trambahn am Stachus übernehmen soll, schlicht nicht auftaucht. Die Waggons blockieren dann erstmal die Gleise, bis die Leitstelle einen Ersatzfahrer gefunden und hingeschickt hat. "Auch so können wir die Arbeitgeber unter Druck setzen", heißt es bei der GDL.

Das aber macht es auch für die Fahrgäste schwierig, sich auf Streiks einzustellen und Auswirkungen abzusehen. Wann und wo erste Aktionen geplant sind, ließen GDL und dbb zunächst offen. Für den heutigen Dienstag haben sie zu einer Pressekonferenz eingeladen. "Wir werden Aktionen rechtzeitig ankündigen, so dass sich die Fahrgäste darauf einstellen können", sagt ein GDL-Funktionär. Allerdings müssten Streiks auch für die Betriebe überraschend kommen - "sonst stellen sich die Arbeitgeber darauf ein und das Ganze verpufft".

dbb-Vizechef Russ hatte deutlich gemacht, dass sich die Streiks vor allem auf München, Nürnberg und Augsburg konzentrieren könnten. Ausdrücklich hatte er auch Aktionen zur Wiesn nicht ausgeschlossen. MVG-Chef Herbert König hatte daraufhin an die Fahrer appelliert, zum Oktoberfest kein Chaos in der Stadt anzurichten: "Zur Wiesn hat noch jeder MVG-Mitarbeiter gewusst, dass er auf seinem Posten sein muss." (Kommentar)

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