Tarifeinigung im Öffentlichen Dienst:"Wir waren nicht naiv"

Tarifeinigung im Öffentlichen Dienst: Bei einem Warnstreik im März forderten Beschäftigte der Isar-Amper-Klinik in Haar noch eine Lohnerhöhung von mindestens zehn Prozent - daraus ist nichts geworden.

Bei einem Warnstreik im März forderten Beschäftigte der Isar-Amper-Klinik in Haar noch eine Lohnerhöhung von mindestens zehn Prozent - daraus ist nichts geworden.

(Foto: Claus Schunk)

In den Rathäusern und im Landratsamt hat man mit kräftigen Lohnerhöhungen für die Beschäftigten gerechnet, doch das Verhandlungsergebnis wird für die Kommunen Folgen haben.

Von Bernhard Lohr und Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Christoph Göbel ist die Erschöpfung am Montagnachmittag anzumerken. "Mir sitzen die Verhandlungsrunden noch in den Knochen", sagt der Münchner Landrat von der CSU über die zehrenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, an denen er teilgenommen hat und die am Sonntag ein vorläufiges Ende gefunden haben. Ist er mit dem Ergebnis zufrieden? "Zufrieden wäre das falsche Wort. Ich bin froh, das es eine Einigung gibt, eine gute Balance aller Interessen, die wir im Blick haben mussten."

Damit meint Göbel zum einen seine Mitarbeiter im Landratsamt, die eine "leistungsgerechte Bezahlung" verdient hätten, aber natürlich auch die Landkreise und Kommunen, die einerseits als Arbeitgeber attraktiv bleiben müssten, andererseits aber auch finanziell nicht überlastet werden dürften. Für das Landratsamt erwartet der Landrat durch den Schlichterspruch einen Anstieg der Personalkosten um mehr als fünf Millionen Euro im kommenden Jahr. Auch in Aying bleibt es nicht bei den 90 000 Euro, welche die Gemeinde heuer als Inflationsausgleich für ihre 30 Beschäftigten zahlen wird.

"Die Tariferhöhungen beschäftigen uns natürlich", sagt Bürgermeister Peter Wagner (CSU). "Wir haben uns schon Gedanken gemacht, wie wir das schultern." Für die Forderungen der Gewerkschaften nach einem kräftigen Lohnplus habe er Verständnis gehabt. "Die Leute sollen gscheid verdienen. Auch woanders haben die Löhne brutal angezogen." Im Haushalt seiner Gemeinde seien die Personalkosten für das kommende Jahr vorausschauend bereits um fünf Prozent angehoben worden.

Die Tarifeinigung sieht rückwirkend zum 1. Januar eine steuer- und abgabenfreie Zahlung von 3000 Euro vor, die schrittweise ausbezahlt wird: beginnend im Juni mit 1240 Euro und danach monatlich bis Februar mit je 220 Euro. Im März werden dann alle Entgelte um 200 Euro angehoben, auf diese kommt eine Lohnerhöhung von 5,5 Prozent, was in der untersten Einkommensstufe eine Mindesterhöhung von 340 Euro ausmacht. Für die Kommunen erhöhen sich damit die Ausgaben für ihre Beschäftigen in den Verwaltungen, Kindertagesstätten und Bauhöfen erheblich. Der Bayerische Städtetag warnt, das werde "gerade für Städte und Gemeinden mit angespannter Haushaltslage" schwer zu schultern sein.

Im Rathaus der Gemeinde Ismaning, bei der etwa 500 Mitarbeiter angestellt sind, hat man die Mehrkosten noch nicht genau ausgerechnet. Im Haushalt sei die Erhöhung aber eingepreist, sagt Bürgermeister Alexander Greulich (SPD). "Wir waren nicht so naiv, davon auszugehen, es würde nichts kommen." Dass die 15 000-Einwohner-Gemeinde so viel Personal hat, liegt vor allem daran, dass auch Kinderbetreuung sowie Wasser- und Wärmeversorgung in kommunaler Hand sind. Über die tariflichen Zahlungen hinaus versucht die Gemeinde, mit Ballungsraum- und Arbeitsmarktzulage Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.

Andere Kommunen, die nicht über eine Finanzkraft wie Ismaning verfügen, werden mit den Folgen der Tariferhöhung dagegen zu kämpfen haben. So sagt etwa Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU): "Wir freuen uns für unsere Beschäftigten, dass ihre sehr guten Leistungen durch die Erhöhung gewürdigt werden." Selbstverständlich bedeute der Abschluss aber "eine starke Zusatzbelastung, die wir in dieser Höhe nicht einkalkuliert haben". Wie in den Vorjahren könne ein Nachtragshaushalt notwendig werden. Bukowski befürchtet zudem, dass der positive Effekt bei der Suche nach Fachkräften verpufft, sollte die Privatwirtschaft ebenso die Gehälter anpassen.

Mehr Personal? "Das bekomme ich nicht durch", sagt der Landrat

Im Unterschleißheimer Rathaus bleibt man dagegen ruhig. Die Tarifsteigerungen seien "für die Stadt finanzierbar", teilt Pressesprecher Steven Ahlrep mit. Die Tarifsteigerung sei in einem gewissen Umfang bereits im Haushalt der Stadt eingeplant. Bei einem Haushaltsvolumen von 149 Millionen Euro sieht der Ahlrep Luft, die Lohnsteigerungen ohne Nachtragsetat zu bezahlen.

Selbst in Unterhaching, das finanziell weniger gut gebettet ist, wird die Tariferhöhung befürwortet - zumindest von der Grünen-Gemeinderätin und Landtagsabgeordneten Claudia Köhler. Kommunen befänden sich in Konkurrenz zur freien Wirtschaft, deshalb müsse der öffentliche Dienst attraktiv bleiben. "Natürlich wird die Erhöhung im ersten Moment auch Auswirkungen auf den Haushalt haben", sagt Köhler. Aber ein guter öffentlicher Dienst sei "ein harter Wirtschaftsfaktor". Damit Eltern arbeiten könnten, sei etwa eine Kinderbetreuung nötig, die sich Familien leisten könnten.

Landrat Göbel zieht aus dem Tarifabschluss bereits eine erste Konsequenz für die Beratungen über den Kreishaushalt 2024. Er werde angesichts der Lohnsteigerungen kaum mit Forderungen nach mehr Personal in die Verhandlungen mit dem Kreistag gehen können. "Das bekomme ich nicht durch", so Göbel. Stattdessen werde man zusätzliche Aufgaben durch Effizienzsteigerungen auffangen müssen. Das Geld wird nicht mehr so locker sitzen.

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