Süddeutsche Zeitung

Grünflächen statt Steinwüsten:Oberschleißheim kämpft gegen die Gärten des Grauens

Die Gemeinde will größere Schotterflächen in neuen Bebauungsplänen ausdrücklich untersagen. Eine Verordnung, die für die ganze Gemeinde gelten würde, findet dagegen keine Mehrheit.

Von Klaus Bachhuber

Steinwüsten als Vorgärten sollen in Oberschleißheim in neuen Bebauungsplänen untersagt werden. Eine Verordnung, die Schotter- und Kiesgärten flächendeckend zu verbietet, lehnte der Gemeinderat aber kürzlich mit großer Mehrheit ab. Stattdessen solle das Rathaus den Grundbesitzern "Möglichkeiten für einen pflegeleichten, aber trotzdem ökologischen Hausgarten aufzeigen". Freie Wähler und Grüne hatten parallel Vorstöße eingebracht, mit der Modeerscheinung umzugehen.

Die ästhetische Wahrnehmung der aufgekiesten Gärten ist dabei Geschmackssache - definitiv aber bedeutet eine Schotterfläche ökologische Verarmung. Es sei "im Hinblick auf Artenvielfalt und Naturschutz wichtig, dieser Entwicklung entgegenzutreten", urteilte das Bauamt. Gerade die privaten Gärten böten "für viele verschiedenen Arten einen Rückzugsraum und sind wichtig im ökologischen Gefüge".

Angesichts stetig stärkerer Verdichtung komme "den Privatgärten eine noch größere ökologische Bedeutung zu als bisher". Schottergärten jedenfalls böten "keine Nahrung für Insekten und jegliche anderen Tiere". Zudem sei jede grüne Fläche auch ein Faktor fürs Binnenklima, während Steinwüsten die überproportionale Aufheizung dicht besiedelter Räume noch verstärkten.

Die FW forderten, darauf bei allen künftigen Bebauungsplänen einzugehen, die Grünen wollten die neuen Möglichkeiten der novellierten Bayerischen Bauordnung für eine generelle Regelung fürs gesamte Ortsgebiet nutzen. Nach dem erst jüngst eingeleiteten erstmaligen Erlass einer Baumschutzverordnung schrillten da aber im Gemeinderat mehrere Alarmglocken. Man komme gerade "in eine Phase, wo wir den Bürger noch mehr gängeln", mahnte Peter Benthues (CSU), "und ihm statt seiner Eigenverantwortung unsere Meinung überstülpen wollen."

Er warne davor, "den Bürger peu à peu in eine Bevormundung zu zwingen". Unabhängig von den einzelnen inhaltlichen Fragen komme dies "nicht so an, dass der Respekt vor dem Gemeinderat steigt". Das sei deutlich mit zu großem Kaliber geschossen, wunderten sich die Grünen. "Wir enteignen hier niemand", sagte ihr Sprecher Fritz-Gerrit Kropp, die beantragte Verordnung sei in der neuen Bauordnung exakt so vorgesehen. Helga Keller-Zenth (Grüne) betonte, der Vorstoß wolle "niemand bevormunden". Da aber "das Artensterben dramatisch" sei, müsse man die Leute darauf hinweisen: "Wir müssen was tun!". Und dazu komme man "leider nicht drum rum, irgendwelche Regularien zu treffen".

Gegen die Grünen und eine Stimme aus der CSU wurde der Vorschlag einer Freiflächenverordnung abgelehnt. Mit 13 zu neun Stimmen quer durch alle Fraktionen wurde beschlossen, in allen künftigen Bebauungsplanverfahren entsprechende Vorschriften aufzunehmen und Steinflächen über zwei Quadratmeter Größe zu untersagen. Hier gab es Widerstand vor allem aus der SPD. Das sei "zu kurz gedacht", rügte Sebastian Riedelbauch. Anstelle eines undifferenzierten Verbots, "wo jeder fragt: Was soll das?", solle der Gemeinderat lieber eine Positivvorgabe aufstellen. Florian Spirkl fand, dass die Vorgaben in der neuen Bauordnung die Frage schon ausreichend regeln würden.

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SZ vom 01.04.2021/infu, mmo
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