Historische Führung in Schleißheim:Als der Kurfürst pleite war

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Der prunkvolle Fassade des Neuen Schlosses in Schleißheim beeindruckt bis heute Touristen. Die Geschichte des Baus ist aber alles andere als glanzvoll. (Foto: Robert Haas)

Mit dem prunkvollen Neuen Schloss wollte Kurfürst Max Emanuel seine Machtansprüche untermauern. Doch als es schließlich gebaut wurde, war er längst gescheitert und musste ins Exil.

Von Christina Jackson, Oberschleißheim

Die Bilder zeugen von Ruhm, Sieg und Reichtum. Im Neuen Schloss Schleißheim schuf der Bildhauer und Stuckateur Cosmas Damian Asam im Jahr 1721 die bleibende Erinnerung an vergangenes Glück. Das Fresko in 40 Metern Höhe sollte seinem Auftraggeber schmeicheln. Kurfürst Max Emanuel hatte es in Auftrag gegeben. Der talentierte Maler Asam, der in Benediktbeuern von seinem Vater die Freskenkunst gelernt hatte, verzierte den höchsten Punkt des Schlosses mit einer Darstellung der Liebesgöttin Venus in der Schmiede des Vulkans. Dort werden die Waffen ihres Sohnes Aeneas gefertigt, der in dieser Erscheinung die Züge Max Emanuels trägt.

Aeneas gilt in der Mythologie als Stammvater der Römer und einflussreicher Kämpfer. Doch die Realität des Kurfürsten Max Emanuel sieht in den Zwanzigerjahren des 18. Jahrhunderts nur noch wenig siegreich aus. Von der Desillusionierung und dem Schicksal jenseits der Prunk-Fassade berichtete am Samstag Restaurierungsarchitekt Ernst Götz in seiner Führung "hinter die Kulissen". Dabei stellte die Visite der Kuppel, die sich über dem Treppenhaus des Neuen Schlosses befindet, einen Höhepunkt dar. "Unter dem Gemälde von Asam spielten im 18. Jahrhundert Musiker ihre Konzerte", sagte Götz. Erst kürzlich habe es eine Reminiszenz daran gegeben. Das Konzert eines Ensembles von der Kuppel aus habe bewiesen, wie gut Standort und Akustik aufeinander abgestimmt seien.

Max Emanuel hoffte auf die Kaiesewürde

Nach Erfolgen im Kampf gegen die Türken im ausgehenden 17. Jahrhundert in Wien macht sich der Kurfürst an der Wende zum 18. Jahrhundert Hoffnungen auf die Kaiserwürde. Ein Ansinnen, das Max Emanuel mit den Plänen für einen Residenzbau nach französischem Vorbild unterstreichen will. Nach Plänen von Baumeister Enrico Zuccalli lässt er das Schloss von 1701 an erbauen. Doch seine ehrgeizigen Ziele scheitern, er geht ins Exil und das Bauvorhaben bricht 1704 vorübergehend ab.

Die Idee, vier Flügel zu errichten und den alten Schlossteil mit dem neuen zu verbinden, läuft ins Leere. Schlimmer noch: Hochbegabte Künstler und Handwerker, die das spätbarocke Bauwerk prägen, kann der verschuldete Bauherr nach seiner Rückkehr nicht bezahlen. "Der Stahlbildhauer und Kunstschmied, der die Außengitter am Schloss gefertigt hatte, verarmte", erzählte Götz. Zwei Jahre nach seiner letzten Tätigkeit sei er in München aufgetaucht und habe auf der Straße randaliert. Man habe ihn eingesperrt. Danach habe niemand mehr von ihm gehört.

Restaurierungsarchitekt Ernst Götz (rechts) führt Interessierte durchs Neue Schloss. (Foto: Robert Haas)

Während der Arbeiten stürzten Gebäudeteile ein

Während der Bauarbeiten stürzen Gebäudeteile ein, sodass eine ursprünglich geplante dreigeschossige Gartenfassade nicht zustande kommt. Dass das Mittelgebäude über drei Geschosse verfügt, konnten die Besucher im Rahmen der Führung erleben. Mehr noch: Sie wanderten an der Seite des Architekten durch den ausgedehnten Dachstuhl, auf dem sich noch heute alte Lastenaufzüge befinden, über die schwere Möbel und Gegenstände vom Erdgeschoss bis nach oben bewegt wurden. Dort, wo eine Terrasse mit Blick zum herrschaftlichen Garten geplant war, befindet sich heute ein schlichtes Dach, über das die Gruppe um Götz wanderte. Dort erläuterte der Ingenieur auch das Kanalsystem, über das Holz und Baustoffe auf dem Wasserweg zum Schloss transportiert wurden.

Für den Kanal holte der Kurfürst Gondoliere aus Venedig

1689 lässt der Kurfürst dazu den Schleißheimer Kanal bauen, der Isarwasser vom Englischen Garten bis vor die Schlosstür führt. "Mit höfischen Gondeln sollten Fahrten rund um die Residenz herum stattfinden." Zu diesem Zweck lässt Max Emanuel sogar Fachkräfte aus Venedig als Gondoliere kommen. Die prächtigen Wasserfontänen, die die Besucher heute im Schlossgarten bewundern, werden mit elektrischen Pumpen betrieben. Der Hofgärtner Carl von Effner hat 1867 ein Brunnenhaus erbaut, in dem ein Wasserrad die Pumpen antrieb. Götz: "Ihre Kraft war deutlich schwächer als die der elektrischen, sodass die Fontänen nicht ganz so hoch reichten."

Wer heute vorbei an den stilbildenden Stuckarbeiten von Johann Baptist Zimmermann im Treppenhaus des Neuen Schlosses hinaufgeht zur Kuppel, der findet dort Zeichen aus vergangenen Zeiten. Arbeiter haben ihre Signatur an den Wänden hinterlassen. Wo einst die Orchester standen, finden heute nur Restaurateure und Handwerker den Weg zur Kuppel. Dort stehen die Namen ihrer Vorgänger. Und Jahreszahlen: 1861, 1929 und 1951 haben sie ihre Signatur in das alte Mauerwerk eingelassen.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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