Glaube:Beten wie Wilhelm der Fromme

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Auf dem Kalvarienberg bei Oberschleißheim hängt Jesus neben den beiden Schächern am Kreuz. (Foto: Robert Haas)

Der bayerische Herzog ließ Anfang des 17. Jahrhunderts im Berglwald bei Oberschleißheim einen Kalvarienberg aufschütten, der heute viele Rätsel aufgibt. Am Gründonnerstagabend feiern Katholiken dort eine Andacht.

Von Angela Boschert, Oberschleißheim

Eine nicht alltägliche Tradition vollzieht sich auch dieses Jahr am Gründonnerstagabend in Oberschleißheim. Nach der Heiligen Messe mit Fußwaschung in der Kirche Maria Patrona Bavariae können die Gläubigen von 20.30 Uhr an zum Kalvarienberg beim Waldrestaurant "Bergl" gehen und dort von 23 Uhr an eine Ölbergandacht erleben. Der katholische Pfarrverband Oberschleißheim greift damit seit 1999 wieder auf, was sich der bayerische Herzog Wilhelm V. (1548-1626) überlegt haben mag: Wilhelm, genannt "der Fromme", ließ im Jahr 1605 rund um sein schlichtes Herrenhaus, aus dem das Alte Schloss Schleißheim hervorging, neun Kapellen errichten und auf einem dafür extra aufgeschütteten Hügel eine Kreuzigungsgruppe aufstellen. Der Herzog soll mehrfach den "Klausenweg" gegangen sein, von Kapelle zu Kapelle. Um für sein Seelenheil zu sorgen, ließ er Mönche in den neun Kapellen für sich beten, gegen Kost und Logis.

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Möglicherweise hat Wilhelm V. auch eine Ölbergandacht auf dem Kalvarienberg besucht. Sie folgt noch heute auf die Messe vom letzten Abendmahl am Gründonnerstag, mit der in der katholischen Kirche die österliche Dreitagefeier (Triduum Paschale) beginnt , die mit der Feier der Auferstehung Christi in der Osternacht endet. Ostern ist in allen christlichen Konfessionen das älteste und höchste Fest des Kirchenjahres. Am Karfreitag gedenken die Christen des Kreuztodes Jesu Christi, mit dem dieser freiwillig Sünde und Schuld der Menschen auf sich genommen hat und ihnen durch seinen Tod und seine Auferstehung ewiges Leben verheißt.

Der auf Herzog Wilhelm V. zurückgehende Klausenweg ist ausgeschildert. (Foto: Robert Haas)

Das wird auch in der Oberschleißheimer Andacht am Kalvarienberg im Berglwald thematisiert, die Pfarrer Ulrich Kampe gemeinsam mit Peter Benthues leitet. Benthues, der sich seit Jahrzehnten im Pfarrgemeinderat von St. Wilhelm engagiert und das Wiederaufleben der Wallfahrt angeregt hat, betont, während des Weges von der Kirche zum Berg dürften keine Fackeln entzündet werden, weil er durch den Wald geht. Man werde auch nicht anhalten, um zu beten oder zu singen. Umso eindrücklicher würde die Andacht mit Liedern und Gebeten unterhalb der eigentlichen Kreuzigungsgruppe werden. Benthues erinnert sich, dass die Ölbergandacht auch schon im Regen stattgefunden hat, sie sei nur einmal wegen zu starken Niederschlags ausgefallen - und natürlich wegen der Corona-Pandemie.

Wer will, kann auch heuer noch die 23 Stufen zur Kreuzigungsgruppe hinaufsteigen, die die Berglwirtin und ihre Angestellten ebenso betreuen wie den gesamten Kalvarienberg. Dieser symbolisiert den Hinrichtungsort Christi vor den Toren Jerusalems. Das lateinische Wort calvariae locus bedeutet wie das griechische Wort golgatha Schädelstätte (aus calva "Schädel" und locus "Ort").

Die Geschichte der Figurengruppe ist weitgehend unbekannt

Der Augsburger Kunsthändler Philipp Hainhofer beschrieb den Oberschleißheimer Kalvarienberg im Jahr 1611 als "zimblich hoch" und die dortige Kreuzigungsgruppe als "Christus und die 2 schächer am creuz, in brunzo gemacht". Zur Geschichte dieser Figurengruppe ist wenig bekannt, ebenso der oder die Künstler und das Material. In seiner kulturwissenschaftlichen Dissertationsschrift "Eremiten im barocken Bayern" schreibt Georg Werner 2016: "Die ursprünglich aus Blei gegossenen Figuren der Kreuzigungsgruppe wurden 1745 bei einer Renovierung gegen hölzerne ausgetauscht." Die heutigen Holzfiguren seien vermutlich in Südtirol geschaffen worden, meint Benthues und lobt ihre Originalität. Sie wurden zwischen 2009 und 2011 von Johann Rödl aus Sterzing (Südtirol) umfassend restauriert, wobei die Jesusfigur einen neuen Kopf erhielt.

Während Jesus leidend, aber ergeben mit ausgestreckten Armen am Kreuz hängt, sind der reuige Schächer Dimas links und der uneinsichtige Schächer Gestas rechts mit ihren Ellenbogen am Querholz ihrer Kreuze befestigt. Es wirkt, als stützten sie sich ab, um gegen ihre Kreuzigung zu protestieren. Dimas Blick wohnt dabei etwas Ängstliches, Zweifelndes inne, wie er so aufgerichtet geradeaus schaut und sich dem Anblick der Besucher stellt.

Rätsel gibt ein in den Hügel unter der Kreuzigungsgruppe eingelassener Raum auf. Werner schreibt, "als wundertätig galt die in einer offenen Berghöhle aufgestellte Schmerzhafte-Mutter-Gottes-Figur mit dem Leichnam Christi auf dem Schoß"; auch Hans Schertl nennt sie in seinem virtuellen Kirchenführer, ohne jedoch näher auf diese Pietà einzugehen. Benthues meint zwar, eine Maria würde die Kalvariengruppe sinnig erweitern, aber da sei ein Bierkeller gewesen.

Die kleine Kapelle wurde anstelle einer älteren errichtet. (Foto: Robert Haas)

Immerhin wurde 1803 in der Klause, die jahrzehntelang den betenden Mönchen als Unterkunft gedient hatte, der Bierausschank "Zum Kalvarienberg" eröffnet, aus dem später die Ausflugsgaststätte "Bergl" wurde. Die daneben befindliche Kapelle haben die Wirtsleute anstelle einer schon 1600 gebauten und dem Heiligen Ignatius gewidmeten errichtet. Wobei Schertl darauf hinweist, dass Ignatius von Loyola erst 1609 selig und erst 1622 heiliggesprochen wurde. Ob oder wann Wilhelm V. diese Kapelle dem Ignatius weihte, bleibt ebenso abschließend zu klären, wie die erste Bestimmung der Höhle unterhalb der Kreuzigungsgruppe. Doch werden die Gläubigen unabhängig von den offenen Fragen am Donnerstagabend eine besondere Atmosphäre im Fackellicht am Kalvarienberg neben der Ignatiuskapelle erleben.

Die Messe in der Pfarrkirche Maria Patrona Bavariae, Haselsbergerstraße 9, in Oberschleißheim an diesem Donnerstag beginnt um 19 Uhr, von dort geht man gegen 20.30 Uhr zum Kalvarienberg, wo um 23 Uhr die Ölbergandacht stattfindet.

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