Süddeutsche Zeitung

Regattaanlage:Oberschleißheim ist mit im Boot

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Aus Angst vor möglichen Kosten hat sich die Gemeinde lange um ein klares Bekenntnis zu der Sport- und Freizeitstätte gedrückt. Nun fordert sie den Erhalt des olympischen Erbes ausdrücklich und bietet der Stadt München Hilfe an

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Angesichts der existenziellen Bedrohung der Regattaanlage bekennt sich die Gemeinde Oberschleißheim nun erstmals vorbehaltlos zu dem olympischen Erbe auf ihrem Gebiet. Einstimmig hat der Gemeinderat an den Freistaat und die Stadt München appelliert, dass "die vollständige Sanierung der Olympia-Regattastrecke unzweifelhaft notwendig ist angesichts der historischen, sportlichen und regionalen Bedeutung sowie der Tatsache, dass es sich um die einzige Regattastrecke im süddeutschen Raum handelt".

Mit einem derartigen Appell war Bürgermeister Markus Böck (CSU) schon zum Jahreswechsel in Vorlage gegangen. Sein Vorstoß war intern offenbar mit den Ratsfraktionen abgestimmt, nun reichte der Gemeinderat noch den formellen Beschluss nach. Die seit Jahren verfallende Anlage sollte vom Eigentümer, der Stadt München, in diesem und dem nächsten Jahr für 61 Millionen Euro saniert werden. Nach Einnahmeausfällen in der Corona-Pandemie strich der Münchner Stadtrat das Investitionsvolumen jedoch auf neun Millionen Euro zusammen, verbunden mit dem strategischen Schwenk, die Anlage lediglich für den Breitensport zu erhalten, aber keine internationalen Wettkämpfe mehr zu ermöglichen.

"Der Ansatz, die dringend erforderlichen Sanierungsmaßnahmen für den Vereinssport umzusetzen, ist zu begrüßen", heißt es der Stellungnahme der Gemeinde, "nur darf es nicht dabei bestehen bleiben: Ziel muss sein, auch weiter dort Leistungssport im Bereich Rudern und Kanu durchführen zu können." Oberschleißheim bietet an, geeignete Maßnahmen zu koordinieren und weitere Beteiligte ins Boot zu holen. "Angesichts der Komplexität der Aufgabe und der verschiedenen Zuständigkeiten ist eine koordinierte Lösung zum vollständigen Erhalt der Regattastrecke anzustreben", so die Gemeinde.

Böck sagte in der Sitzung, er wolle sich dieses Anliegen "wirklich auf die Fahnen schreiben". Unter anderem sollten auch weitere Kommunen in der Umgebung oder mit Ruder- und Kanusport hinzugezogen werden, "um mit breiter Brust auftreten zu können". Ingrid Lindbüchl von den Grünen sprach dem Bürgermeister "großes Lob" dafür aus, "dass er sich der Sache so beherzt angenommen hat". Auf Böcks Appell zum Jahreswechsel hin hatten sich örtliche Organisationen an seine Seite gestellt. Der Gewerbeverband sagte "volle Unterstützung" zu und rief dazu auf, dass "möglichst viele in Oberschleißheim für die Unterstützung und den Erhalt dieser positiven Einrichtung eintreten, lokal und überregional wichtig für Freizeit, Breitensport, Spitzensport, Tourismus und Gewerbe".

Der Tourismusverein Schleißheim argumentierte, die Sanierung der Regattaanlage sei "gerade jetzt eine sehr vernünftige und wichtige Investition in die Zukunft". Gemeinsames Bestreben solle sein, "die Anlage nicht nur zu erhalten, sondern als touristisches Nahziel und sportlichen Veranstaltungsort auf Weltniveau zu stärken und auszubauen". Eine Botschaft der Pandemie sei, dass sich das Freizeitverhalten ändern müsse und Naherholung bedeutender werde.

Genau unter diesem Gedanken war die Anlage zu den Olympischen Spielen 1972 in letzter Minute von ihrem ursprünglich vorgesehenen Standort im Tölzer Land, der noch in der Münchner Bewerbung enthalten war, nach Oberschleißheim verlegt worden: Sie sollte nach den Spielen eine einzigartige Sportstätte und ein Naherholungsgebiet für die Münchner bleiben. Bund, Freistaat und Landeshauptstadt wollten sich den Unterhalt teilen. In der Folge zogen sich aber Bund und Land mit winzigen Ablösezahlungen aus dem Bündnis zurück und die Unterhaltslast blieb allein bei der Stadt München. Vor etwa fünf Jahren war der Sanierungsstau so bedrohlich für die Bausubstanz geworden, dass im Münchner Rathaus die Zukunft der Anlage infrage gestellt wurde. Am Ende des mehrjährigen Abwägungsprozesses stand die Investitionszusage von 61 Millionen Euro und damit das klare Bekenntnis zum olympischen Erbe, das 2018 wegen seiner historischen und architektonischen Bedeutung auch unter Denkmalschutz gestellt worden war. Corona verkehrte dies binnen Tagen in sein Gegenteil.

Nur einknappes Drittel der Regattastrecke mit der Startlinie liegt auf Münchner Hoheitsgebiet, das Ziel, die komplette Infrastruktur und der Löwenanteil des Geländes befinden sich auf Oberschleißheimer Flur. Bislang hatte das Rathaus bei strukturellen Fragen der Anlage immer den Ball flach gehalten und auch während der Zukunftsdiskussion der vergangenen Jahre beharrlich geschwiegen. Unter Bürgermeisterin Elisabeth Ziegler (SPD) herrschte die Besorgnis, durch eine forsche Wortmeldung eventuell München daran zu erinnern, dass auch Oberschleißheim an den Unterhaltskosten beteiligt werden könnte.

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SZ vom 22.01.2021
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