Im Alter von drei Jahren fragte der kleine Jonas Bedford-Strohm seinen Vater Heinrich regelmäßig Löcher in den Bauch, wenn er abends die Kinderbibel vorgelesen bekam. Gut 15 Jahre später präsentierte der Sohn seinem Vater, inzwischen Landesbischof der evangelischen Kirche in Bayern, einen ganzen Fragenkatalog und eine Idee: Lass uns das mal aufschreiben. Aus den Gesprächen über Gott, Christentum und Kirche entstand 2014 das Buch "Wer's glaubt, wird selig". Am vergangenen Mittwoch war Heinrich Bedford-Strohm in der Jugendfreizeitstätte Planet O in Oberschleißheim zu Gast und führte mit Hilfe seines Buchs durch die großen Fragen des Lebens und der Kirche - aus Sicht eines Jugendlichen.
Die meisten der etwa 100 Besucher in der vollbesetzten Jugendfreizeitstätte gehörten eher der Generation des Vaters als der des Sohnes an. Dabei berühren die Fragen von Jonas Bedford-Strohm elementare Themen, die generationsübergreifend beschäftigen: Glück, Glaube an einen nicht sichtbaren Gott, der Tod und natürlich das Gebet. "Glück ist kein Kochrezept, für das man die Zutaten mischt, ordentlich schüttelt und dann Glück rauskommt", las der Landesbischof seinem Publikum vor. Was sei denn das besondere am christlichen Glücksverständnis, habe sein Sohn nachgehakt. "Das Leid wird nicht ausgeklammert, das ist seine größte Stärke."
Wie schwer es einem Jugendlichen im 21. Jahrhundert fallen kann, an einen Gott zu glauben, den er nicht sehen kann, gab auch Jonas Bedford-Strohm im Gespräch mit seinem Vater zu. Es falle ihm nicht leicht, obwohl er viel darüber nachdenke, "im Grundschulzeugnis würde stehen: Er hat sich stets bemüht." Ob es da keine Lerntechnik gebe? Nein, Gott gehe über das hinaus, was menschliche Verstands- und Vernunftkategorien erfassen könnten, antwortete der Vater seinem Sohn. Es sei vergleichbar mit einem Fisch im Aquarium, für den sein Glaskasten die ganze Welt sei. Gott stehe außerhalb dieses Aquariums.
Jonas Bedford-Strohm hat evangelische Theologie studiert und forscht heute zum digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit, was die Institution Kirche miteinbezieht. Vielen seiner Altersgenossen falle die Beziehung zur Kirche schwer. Die Austrittszahlen steigen stetig und selbst wenn sich ein junger Mensch innerhalb der Kirche engagiert, ist die Identifikation mit der Institution nicht unbedingt automatisch gegeben. Darauf angesprochen, muss der Landesbischof in der Fragerunde nach der Lesung nicht lange nachdenken: "Wir müssen unkonventioneller werden, frischer und mehr riskieren." Dazu gehöre auch, aus Überzeugung zu handeln. Die Zusammenarbeit der Evangelischen Kirche mit dem Bündnis "United 4 Rescue" und der daraus resultierenden Taufe eines Rettungsschiffs für Flüchtlinge im Mittelmeer, sei ein gutes Beispiel. "Obwohl das sehr kontrovers diskutiert wurde, war die Jugend durchweg begeistert", erzählte Bedford-Strohm. Sein Engagement für die Seenotrettung im Mittelmeer brachte ihm allerdings nicht nur Zuspruch, sondern auch viel Kritik ein. Anfang des Jahres wurde bekannt, dass der 59-Jährige konkrete Gewaltandrohungen von rechts erhalten hatte. "Ich selbst mache mir keine allzu großen Sorgen, das Thema ist aber gesellschaftlich hoch relevant."
Die öffentliche Sprache sei vergiftet, die Kultur der Empörung gegen Verantwortungsträger ein großes Problem. Niemals könnten in Parteien wie der AfD alle Wähler in einen Topf geworfen werden, dennoch würden dort Rechtsradikale zunehmend Boden gewinnen. Er appellierte an die Wähler dieser Parteien, sich im Klaren zu sein, dass sie diesen durch ihre Stimmen Deckung gäben. Eines sei klar: "Hass ist keine Meinung, Antisemitismus ist keine Meinung und Rassismus ist auch keine Meinung." Als Gesellschaft und Kirche müsse man klare Kante zeigen.
Das meint Bedford-Strohm auch, wenn er sagt, die Kirche müsse mehr riskieren. Die Rückmeldung der Jugend zur Schiffstaufe sei gewesen, dass die Kirche endlich tue, wovon sie spreche. Das geschehe jeden Tag im Kleinen, dennoch "müssen wir auch ausstrahlen, wovon wir sprechen".
Kindern und Jugendlichen werde der Glaube, anders als früher, heute nicht mehr selbstverständlich weitergegeben - die Kirche sei schlicht und einfach uncool. "Wir müssen zeigen, warum die Tradition der Kirche mitten ins Leben hineinspricht und warum sie etwas Wunderbares ist", betonte Bedford-Strohm. Bei jungen Menschen, die kaum Kontakt zur Institution haben, würden sich die negativen Erfahrungen und Bilder sehr schnell verfestigen. Jugendlichen müsse daher viel mehr die Möglichkeit zur Beteiligung eingeräumt werden, dazu, "viel mehr selbst Kirche zu gestalten." Das passiere in der Landeskirche zum Beispiel durch das Team "Zukunft Kirche", das während der letzten Landessynode gebildet wurde.