In Hochmutting braut sich was zusammen – zumindest wenn man den Aussagen der Oberschleißheimer SPD-Gemeinderatsfraktion folgt. Nach Angaben der Sozialdemokraten steht zu befürchten, dass das Münchner Landratsamt eine „illegale gewerbliche Nutzung“ des Guts erlauben könnte. Eine landwirtschaftliche Halle werde von einer Schreinerei und von einer weiteren Firma als Palettenlager genutzt. Und gerade Letzteres sei mit erheblichem Schwerlastverkehr verbunden, schreibt die SPD in einem Protestbrief.
Dahinter steht Erich Elsner, seit 28 Jahren für die Sozialdemokraten im Gemeinderat und ehemals Zweiter Bürgermeister. Elsner ist nach eigener Aussage „da draußen öfter mit dem Radl unterwegs“ und hat bereits im Juni 2021 das Bauamt im Oberschleißheimer Rathaus über seine Beobachtungen informiert. Nach Bekanntwerden der gewerblichen Nutzung habe die Gemeindeverwaltung seinerzeit „unverzüglich“ Kontakt mit der Bauaufsicht im Landratsamt aufgenommen – mit dem Ziel, eine rechtliche Klärung des Sachverhaltes zu erreichen, wie es in dem SPD-Schreiben heißt.
Bei einer Ortsbesichtigung Ende 2021 hat die Bauaufsicht laut Elsner festgestellt, dass es sich bei dem gesamten Gebäude auf dem Gut Hochmutting „um ein Baudenkmal handelt“. Zudem sei damals festgestellt worden, dass die Kreisbehörde noch keine bauaufsichtliche Genehmigung zur Nutzung dieses Gebäudetraktes für gewerbliche Zwecke erteilt habe. Deshalb, so Elsner und seine Gemeinderatskollegen von der SPD, sei die Nutzung als formell rechtswidrig zu bezeichnen, was eine Untersagung der gewerblichen Nutzung rechtfertigen würde. Zudem liegt das Gelände wie das gesamte Gut Hochmutting im Außenbereich, was eine Genehmigung für eine Nutzungsänderung an strenge Vorgaben knüpft.
Laut der SPD folgten eine „Anhörung zur Nutzungsuntersagung“ durch die Bauaufsicht mit dem Eigentümer des Gutes und ein Hinweis an denselben, dass er die Zulässigkeit des Projekts mit einem Bauantrag überprüfen lassen könne. Letzteren reichte er im Dezember 2022 ein; nach dem Jahreswechsel befasste sich der Bauausschuss des Gemeinderats mit dem Ansinnen. Am Ende wurde der Antrag bei Stimmengleichheit abgelehnt. Während Bürgermeister Markus Böck (CSU), seine Parteikollegen und die Räte der Freien Wähler eine nachträgliche Legalisierung befürworteten, waren SPD und Grüne dagegen, „derart massive Rechtsverstöße“ einfach hinzunehmen. Immerhin handele sich beim Gut Hochmutting um ein Baudenkmal, so Elsner.
Der Antrag landete im Landratsamt – und nichts geschah
Der Bauantrag landete daraufhin zur Abklärung im Landratsamt – und es geschah nichts. Elsner fragt nach eigenen Worten seit anderthalb Jahren immer wieder nach, wie der Stand der Dinge sei. Die Antwort lautete demnach bisher: nichts Neues. Vor ein paar Wochen aber ist Bewegung in die Angelegenheit gekommen. Der SPD zufolge hat das Landratsamt dem Oberschleißheimer Rathaus gegenüber eingeräumt, dass der Bauantrag in der für Baugenehmigungen zuständigen Abteilung „hängengeblieben“ sei. Nun aber solle entschieden werden, und zwar zugunsten des Antragsstellers. „Sollte unser Nein durch das Einvernehmen des Landratsamtes ersetzt werden, dann müssen wir befürchten, dass sich die Ansiedlung von Gewerbe in Hochmutting ausweitet“, befürchtet Elsner.
Die Kreisbehörde bestätigt auf Anfrage, dass ein entsprechendes Gesuch vorliegt. Allerdings sei das Genehmigungsverfahren zu dem Antrag auf Nutzungsänderung eines landwirtschaftlich genutzten Gebäudeteils in gewerbliche Nutzung „aktuell noch nicht abgeschlossen“, teilt eine Sprecherin mit. Eine Entscheidung sei erst dann möglich, wenn die Gemeinde Oberschleißheim erneut eine Stellungnahme abgegeben habe. Während des laufenden Verfahrens könnten keine detaillierteren Auskünfte erteilt werden, heißt es in einer Mail. Das Ergebnis der Prüfung werde nach deren Abschluss zunächst den Beteiligten mitgeteilt, so die Sprecherin.
Oberschleißheims Bürgermeister Böck möchte nach eigenen Worten abwarten, was bei der Prüfung herauskommt. Auf dem Gut Hochmutting sei eine Ansiedlung von Gewerbe „zwar grundsätzlich schwierig, aber planerisch erlaubt“, sagt Böck. Ihm gefällt nicht, dass man mit der „ungefragten“ Ansiedlung einen Präzedenzfall in der Gemeinde schaffen würde.
Nach den Worten des Bürgermeisters kann die Gemeinde allerdings wenig ausrichten, wenn das Landratsamt das Vorhaben erlaubt. Er kann der Sache jedoch auch positive Seiten abgewinnen. So sei es gut, dass das Baudenkmal genutzt und nicht dem Verfall preisgegeben werde, sagt Böck. Seiner Einschätzung zufolge wird der 13-köpfige Ferienausschuss des Gemeinderats am 20. August über das Thema beraten. Sollte Oberschleißheim bei seinem Nein bleiben, sei damit zu rechnen, dass das Landratsamt die Umnutzung erlaubt und die Zustimmung der Gemeinde ersetzt.
Die SPD-Gemeinderatsfraktion hält eine nachträgliche Legalisierung aus weiteren Gründen für problematisch: So würde von der Bauaufsicht im Landratsamt betriebene Verfahren den Bauwerber dafür belohnen, „dass er unsere Rechtsordnung zum eigenen Vorteil missachtet hat“, schreiben die Sozialdemokraten. Zudem würde der vom Palettenlager ausgehende Schwerlastverkehr auf der Münchner Allee auf Dauer eine Gewerbestraße ohne Geh- und Radwege machen. Das sei genau das Gegenteil dessen, „was wir mit unserem neuen Fahrradkonzept erreichen wollen“. Dieses sehe vor, die Verbindung über die Münchner Allee, vorbei am Friedhof Hochmutting nach Neuherberg und München zur Hauptroute für den Fahrradverkehr auszubauen und damit aufzuwerten.
Auf die Auszeichnung Fahrradfreundliche Kommune, mit der sich „unsere Gemeinde so gerne schmückt“, so die SPD, „müsste man ehrlicherweise verzichten, wenn das Landratsamt eine gewerbliche Nutzung mit Schwerlastverkehr zulässt und so unsere Planungen durchkreuzt“, so die SPD. Und: „Wenn selbst gröbste Verstöße gegen einschränkende baurechtliche Vorschriften nicht konsequent abgestellt, sondern mit einer nachträglichen Legalisierung belohnt werden, ist das vielen Menschen nicht mehr zu vermitteln.“
Die SPD-Gemeinderatsfraktion sieht deshalb Landrat Christoph Göbel (CSU) in der politischen Verantwortung. „Ich habe das Gefühl, dass das Landratsamt hilflos ist“, sagt Erich Elsner und verweist auf ein seit mittlerweile sechs Jahren währendes Ärgernis an der Jägerstraße: Die Fläche am Rand des Oberschleißheimer Flugplatzes sei als illegaler Lkw-Abstellplatz zweckentfremdet worden – und das mitten in einem Landschaftsschutzgebiet. Auch da habe die Kreisbehörde die meiste Zeit über nur aus der Ferne zugeschaut, sagt Elsner.