Süddeutsche Zeitung

Fasching in Oberschleißheim:Die Magie des Walzers

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Die Narrhalla Oberschleißheim hat zur Feier seines 25-jährigen Bühnenbestehens sechs Prinzenpaare aus vergangenen Jahren reaktiviert. Neu ist heuer nur das Kinderpaar Alina und Tobias.

Von Anna Hordych, Oberschleißheim

Auf eine Serviette oder Speisekarte schreibt man die Bewerbung - möchte man als Prinzenpaar kandidieren. Das fordert die Faschingstradition.

Bei der Narrhalla in Oberschleißheim sind es in diesem Jahr gleich fünf Prinzenpaare, die gemeinsam die Faschingssaison bestreiten. Alle fünf haben die charakteristische Bewerbungsprozedur schon einmal hinter sich gebracht und hinterließen ihre Kandidatur auf Menu oder Serviertuch. Die Narrhalla Oberschleißheim feiert dieses Jahr ihr 25- jähriges Bühnenjubiläum. Es ist ein Regenbogen aus grün-blauen Rüschen, aufwendig bestickten Kleidern in Rosé und dunkelroter Seide, den die Paare bilden und der den Geburtstag der Narrhalla illustriert. Die alten Prinzenpaare stellen eine eindrucksvolle Serie der vergangenen Faschings-Jahre dar. Sie regierten in den Jahren 2002, 2005, 2010, 2011 und 2012 das Karnevalsgeschehen:

Angefangen mit dem Jahr 1991 gab es jede Faschingssaison eine pompöse Musik- und Tanzgaudi in Oberschleißheim. Jetzt teilen sich die altgedienten Faschingspaare erstmalig die Repräsentation der Kostümsaison - eine deutschlandweite Premiere. Sicher ist es ein merkwürdiges Gefühl, wieder in dasjenige Kostüm zu steigen, das in einer vergangenen Dekade einen Fasching lang Hauptbestandteil der täglichen Garderobe war. Der erste Eindruck der Paare lässt vermuten: Sie nehmen es gelassen.

Ein voluminöses Bierglas wird im Halbkreis herumgereicht, man witzelt über Episoden aus den vorangegangenen Wochen. An diesem Abend steht der Galaball des Vereins auf dem Plan, es bleibt noch eine Viertelstunde bis zur Begrüßung auf der Bühne. Ausnahmsweise sind es an diesem Abend nur vier Erwachsenenpaare, denn das Pärchen von 2012 musste bei der Repräsentation eines anderen Events aushelfen.

Alina und Tobias sind als Einzige zum ersten Mal ein Faschingspaar

Das wandernde Bierglas geht an einem Pärchen der Runde unangetastet vorüber; eigentlich kein Wunder - denn das fünfte Paar an diesem Abend ist ein Kinderprinzenpaar. Die beiden Vierzehnjährigen Alina Hartmeier und Tobias Sachenbacher sind als Einzige zum ersten Mal ein Faschingspaar. An der Seite der fünf älteren Duos sind sie am 5. Januar inthronisiert worden. Die Festkostüme von Alina und Tobias haben etwas ornamental Zeitloses, sie sind aus dem gleichen kobaltblauen Stoff. Das Tuch überzieht ein hellblaues Geflecht aus bestickten Blumen. Tobias trägt den Stoff als verziertes Jackett über einer Weste, Alina in Form einer bodenlangen Abendrobe.

Später werden die Kinderprinzessin und ihr Prinz einen Solo-Walzer tanzen. Dafür hatten sie ab dem Sommer ein extra Walzertraining. Musik und Kleidung haben sie für den Walzer eigens ausgewählt und aufeinander abgestimmt. Insgesamt kam eine Menge Training und Organisationsarbeit auf die beiden zu, "neben der Schule fiel das manchmal gar nicht so leicht", sagt Alina. Jetzt wirken sie nicht über die Maßen aufgeregt, sie scheinen einfach Spaß zu haben und ein bisschen stolz sind sie auch: "Es ist schon etwas Besonderes, wenn statt einem Paar, fünf "E-P-P's" dabei sind", sagt Alina. Das ist die gängige Abkürzung für die älteren Erwachsenenprinzenpaare.

Die Eröffnungsrede brachte das junge Prinzenpaar schon im Januar hinter sich

"Eine Ehre!", fügt Tobias hinzu. Die Eröffnungsrede, welche die Kinderprinzessin und ihr Prinz selbst zu schreiben und vorzutragen hatten, haben sie schon Anfang Januar hinter sich gebracht. Wie das so war? Auf die Nachfrage hin, wippen sie beide ein wenig hin und her - von der dunkelblonden Haarfarbe her könnten sie eigentlich Zwillinge sein - ja, vor dem ganzen Verein mussten sie sich vorstellen, da seien sie schon nervös gewesen. "Das habt ihr top gemeistert!", schallt es aus einer Ecke von Pavlos Piperias, einem Ordensträger aus dem Präsidium.

Fragt man das älteste E-P-Paar aus dem Jahr 2002, ob es denn nach vierzehn Jahren Fasching einen Unterschied zur damaligen Bühnenshow geben mag, erfährt man, dass die Auftritte mit jedem Jahr "aufwendiger, professioneller, beliebter" werden: Prinz Krischan, der seit Anfang der Neunziger Jahre im Verein aktiv ist, stellt fest, dass "die Karten für den Galaball noch nie zuvor so schnell ausverkauft waren". Tatsächlich hat der Verein einiges an Größe gewonnen: "1991 waren wir gerade mal 20 Vereinsmitglieder, jeder hat alles gemacht", erzählt der Prinz, "jetzt, 25 Jahre später haben wir über 200 Mitglieder, darunter viele Kinder der damaligen Generationen."

Seine eigenen Kinder turnen bei den Teenies mit. Stephanie zum Beispiel, sie ist dieses Jahr das Tanzmariechen. Vor dem großen Bühnendebüt steht sie kurz neben ihrer Mutter Sabine, da zeigt sich die Familientradition des Vereins, die Erwachsenenprinzessin neben der lächelnden Tochter im lila grünen Trikot. Sabine und Krischan sind auch im wahren Leben ein Paar, ähnlich steht es um die Prinzessin Nadine und ihren Tanzpartner, Prinz André. Bei den anderen Paaren ist die Zweisamkeit eine Show, sie sind nur Bühnenidentitäten, glitzernde Schein-Duos.

Ein Faschingswalzer kann wahrlich magisch sein

Das jüngste Paar der sechs beweist an diesem Abend, dass ein Faschingswalzer wahrlich magisch sein kann. Als das Kinderprinzenpaar die Bühne betritt, ertönt die bekannte Titelmelodie von Harry Potter. "Hedwig's Theme" nennt sich das Motiv und jeder, der die Filme um den jungen Zauberer kennt, denkt vielleicht für einen kurzen Moment, er säße im gewaltigen Hogwarts-Saal. Dass die Kinderprinzessin und ihr Prinz Fans der Zauberlegende sind, darf unausgesprochen bleiben.

Bevor Alina und Tobias die Bühne verlassen, gibt es noch eine Überraschung; beiden wird eine Ehre zuteil, die normalerweise nur dem Erwachsenenpaar zusteht: Ihre Namen sind kunstvoll in eine goldene Kette mit vielen Gliedern eingraviert. Ein solches Ordenszeichen trägt traditionell das jeweilige ältere Prinzenpaar bis zur nächsten Saison. Alina und Tobias sind sehr gerührt, die Prinzessin hat Tränen in den Augen. Mit ihnen startet eine neue Serie der Kinderprinzen, die Jahr für Jahr auf dem goldenen Schmuckstück verewigt werden. Die fünf Erwachsenenpaare haben zusammengelegt, um den Jüngsten diese Freude zu machen. Eine noble Geste und ein Symbol der Solidarität zwischen den Generationen des Oberschleißheimer Faschings.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2016
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