Oberschleißheim:Das große Surren

Lesezeit: 3 min

An der Flugwerft sausen kleine Objekte durch die Luft. Ihre Piloten tragen Videobrillen, steuern ihre Flieger per Fernbedienung und haben Spaß. Mit dabei ist auch der deutsche Meister, der 17-jährige Niklas Solle

Von Nico Brix, Oberschleißheim

Auf der Flugwiese der Flugwerft des Deutschen Museums ist schon von weitem ein Surren zu hören. Es kommt von einem Parcours, abgesteckt mit bunten Nylonfahnen und -kreisen. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man aber, dass dort kleine Flugobjekte durch die Luft sausen. Ihre Piloten tragen eine Videobrille und steuern die Flieger per Fernbedienung. Durch die Luft kreisen an diesem Tag sogenannte Multikopter, umgangssprachlich auch oft als Drohnen bezeichnet. Florian Holzapfel leitet an der TU München den Lehrstuhl für Flugsystemdynamik und sagt: "Für Drohnen gibt es keine saubere Definition. Als Drohne versteht man generell ein unbemanntes Flugobjekt." Multikopter allerdings zeichne weiter aus, dass diese "dadurch geflogen werden, dass die Drehzahl der Propeller gesteuert wird". Je nach Anzahl der Propeller unterscheidet man zwischen Quadro-, Hexa- oder Oktokopter.

Der 17-jährige Niklas Solle ist einer der Piloten. Durch die Luft steuert er einen Quadrokopter, der nur etwas größer als ein Handteller ist, aber viel Geld kostet. "500 bis 600 Euro ist er wert. Mit Brille und Fernsteuerung sogar 1000 bis 1200 Euro", sagt er nicht ganz ohne Stolz. Bei sich daheim hat Solle noch weitere Multikopter. Doch bezahlen muss er das alles nicht, die Fluggeräte bekommt er von Sponsoren gestellt.

Der Münchner ist an diesem Samstag als amtierender Deutscher Meister in Oberschleißheim zu Gast. "Heute ist es eher etwas Kleines. Das Turnier geht auch nicht in die Wertung ein. Preise gibt es auch nicht zu gewinnen. Wir fliegen einfach nur zum Spaß", sagt er über die an diesem Tag anstehenden Rennen. Ein solches dauert in der Regel zwei Minuten, etwa 20 davon wird er heute fliegen. Und dazwischen jede Menge "freie" Zeit mit den anderen Piloten verbringen. Die Kollegen sind einer der Gründe, weshalb ihm das Fliegen so Spaß macht: "Der Zusammenhalt innerhalb der Szene ist groß. Auch auf wichtigen Meisterschaften hilft jeder jedem. Wenn zum Beispiel der Motor kaputtgeht, kann man jederzeit zum gegnerischen Team gehen und diesen dort reparieren lassen." Dabei fliegt Solle gerade erst seit einem Jahr mit seinen Multikoptern. Zuvor hatte er aber schon neun Jahre lang Modellhubschrauber gesteuert. "Kein großer Unterschied ist das", meint der 17-Jährige. Das Fliegen sei ungefähr dasselbe - lediglich die neue Perspektive durch die Videobrille sei am Anfang gewöhnungsbedürftig.

Während sich draußen Niklas Solle mit insgesamt sieben anderen Piloten im Parcours misst, referiert in einem Raum des Museums Florian Holzapfel über weitere Anwendungsgebiete von unbemannten Flugobjekten. Dabei wird klar, Multikopter und Co. sind mehr als nur Spielzeuge. Aktuell werden sie schon in der Landwirtschaft verwendet, ebenso für Inspektionsarbeiten, beispielsweise an Windkraftwerken. Auch Filmen und Fotografieren sind wichtige Aufgaben. Und das nicht nur für Film und Fernsehen, sondern auch, um beispielsweise Tierpopulationen zu überwachen.

Der Transport per Drohne oder Multikopter ist momentan in Deutschland noch nicht erlaubt. Doch die Zukunftsvision der Paketdrohnen hält Holzapfel durchaus für realistisch: "In den USA werden schon im Probebetrieb zwischen Depots und Kliniken Drohnen verwendet, um dringende Medikamente oder Blutkonserven zu transportieren", sagt Holzapfel. Paketlieferungen, wie es beispielsweise Amazon oder DHL planen hält er in den USA schon innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre für realisierbar. Doch zunächst nur in entfernten Gebieten.

Die Industrie verfolgt ihre eigenen Ziele mit den kleinen Flugobjekten wie Fachvorträge erläuterten. (Foto: privat)

Drohnen - und mit ihnen die Multikopter - werden immer beliebter und preiswerter. So machte Weltmarktführer DJI im vergangenen Jahr mehr als eine Milliarde Euro Umsatz. Hauptmarkt für unbemannte Flugobjekte ist Nordamerika. Produziert werden diese meist von chinesischen Firmen. Allerdings sind sie laut Holzapfel "keine Kopien oder Ramschware, sondern richtige Hightechprodukte". Auch deutsche Ingenieure werden aus Fernost angeworben, um an neuen Fluggeräten zu basteln und mit zu tüfteln. In Deutschland selbst gestaltet sich der Markt schwieriger: "Die Deutschen sind etwas ängstlicher. Sie scheinen das Risiko zu fürchten, deswegen erschließen sich andere Märkte schneller."

Benny Borchers, Fachreferent Multikopter vom Luftsport-Verband Bayern, zeigt weitere Probleme auf, die den Siegeszug in Deutschland ausbremsen. Eines davon ist die oftmals mangelnde Aufklärung der Käufer, gerade im Online-Handel. Dadurch steigt die Zahl der Unfälle. Zudem erweist sich der Luftraum oftmals als "ungeschützte Sicherheitslücke". Industriespionage, der Schmuggel in Gefängnisse oder das Eindringen in fremde Grundstücke sind nur ein Teil der möglichen Verstöße. Doch Holzapfel meint: "Man darf sich nicht von einem möglichen Missbrauchspotenzial leiten lassen. Das würde zu vieles kaputt machen."

Niklas Solle. (Foto: privat)

Niklas Solle macht mittlerweile Pause. Er sagt, er interessiere sich für Multikopter eigentlich vor allem wegen der Rennen. Mit deren praktischen Nutzen befasse er sich nicht wirklich intensiv. Gleichzeitig zerbrechen sich aber wahrscheinlich gerade Wissenschaftler darüber den Kopf, wie sie ihr Produkt zur Brandherdüberwachung oder zur Rehkitzsuche per Infrarotstrahlen noch weiter optimieren können. Das sind sie, die zwei Welten von Multikoptern und anderen Flugobjekten.

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: