Süddeutsche Zeitung

Politische Partizipation:Noch weit entfernt von Nahbarkeit

Oberschleißheimer Gemeinderat diskutiert über künftige Bürgerbeteiligung. In welcher Form und mit welchem Ziel diese kommen soll - das bleibt nach einer weitgehend fruchtlosen Debatte erst mal offen.

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

"Irgendwas mit Medien" ist ein eher diffuser Berufswunsch vieler Jugendlicher, der sich nun auch schon seit vielen Jahren einer ungebrochenen Beliebtheit erfreut. Gleichsam "irgendwas mit Bürgern" will nun auch die Gemeinde Oberschleißheim einführen. Irgendeine Form der Bürgerbeteiligung soll es vielleicht mal geben, aber wie, in welcher Form und mit welchem Ziel - was das angeht, ist der Gemeinderat noch völlig ratlos. Nach intensiver Debatte wurde erstmal lediglich beschlossen, einen Vertreter der Unterschleißheimer Stadtverwaltung einzuladen, der im Gemeinderat das dort genutzte System "Consul" vorstellen soll.

Die "Überprüfung zur Einführung eines Bürgerbeteiligungssystems" hatten die Freien Wähler Oberschleißheim (FW) beantragt. Man höre "immer wieder den Hinweis, warum sich der Bürger nicht an bestimmten Verfahren und Entscheidungen beteiligen kann", heißt es im Vorstoß der FW. Durch die Einbeziehung der Bevölkerung soll zudem erreicht werden, "dass die Politik wieder nahbar wird und jeder einzelne sich in bestimmten Projekten einbringen kann". Dies fördere die Gemeinschaft und die Akzeptanz in der Bevölkerung.

Casimir Katz (FDP) nannte den Antrag im Gemeinderat "einen Widerspruch in sich", da er die Einführung einer Bürgerbeteiligung der Gemeindeverwaltung auftrage, ohne Bürgerbeteiligung. Bürgermeister Markus Böck (CSU) hätte die Ziele "gern etwas konkreter". Nur Stimmungen abzufragen oder Bürger an Entscheidungsprozessen zu beteiligen, seien sehr unterschiedliche Dinge. Für umfassende Bürgerbeteiligung sehe er "die Themen sehr begrenzt". In seiner Amtszeit seit 2020 falle ihm da überhaupt noch kein Thema ein. Ihr schon, konterte Gaby Hohenberger (Grüne); die Abholzung der Allee entlang der Veterinärstraße oder die Situierung des Gewerbegebietes wären durchaus Themen für eine interessante Bürgerbeteiligung gewesen.

FW-Sprecher Stefan Vohburger sagte, man wolle das eventuelle Forum "möglichst offen" halten, um niederschwelligen Zugang zu erreichen und den Leuten Spaß bei der Beteiligung zu vermitteln. Das sah Katz als völlig verfehlt. "Politik ist das Bohren dicker Bretter, ein mühseliges Geschäft, aber kein Spaß." Mit diesem Ansatz werde man viel Enttäuschung und Frustration generieren. Das sei jedenfalls "nix, was irgendwie weiterhilft".

Florian Spirkl (SPD) fragte sich, wie die Themen festgelegt würden, die man der Allgemeinheit vorlegen wolle. Er sehe "Bedenken, dass der Gemeinderat dann eine Bürgerbeteiligung will, wenn keine eigene Mehrheit im Gemeinderat in Sicht ist". Er halte eine umfassende Bürgerbeteiligung bei "großen" Themen für sinnvoll, eine reines Online-Forum zum Meinungsaustausch und als Stimmungsbarometer eher nicht.

Ein Vertreter aus Unterschleißheim soll das dort genutzte digitale System "Consul" vorstellen

Peter Benthues (CSU) zweifelte die repräsentative Kraft eines derartigen Systems an. "Demokratie lebt von Mehrheiten", sagte er, "und das ist so nie zu erreichen." Wenn sich zu einer Online-Umfrage zehn Leute äußerten, bildeten sie ein Votum, "aber das ist nicht die Mehrheit". Andere Meinungen würden sich beispielsweise nicht äußern, "weil sie dafür den Gemeinderat gewählt haben". Zudem müsse man "die Enttäuschungshaltung bedenken", wenn Bürger beteiligt, aber dann gegen ihre Ansichten entschieden würde.

Einigen konnte sich der Gemeinderat dann lediglich auf den ersten Schritt, sich beim Nachbarn Unterschleißheim über ein System zu informieren.

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