Süddeutsche Zeitung

Oberhaching:Zu viel Nitrat im Trinkwasser

Für Säuglinge ist das Lebensmittel Nummer eins nicht geeignet. Die Oberhachinger Grünen suchen jetzt nach Möglichkeiten, die Brunnen zu schützen.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Dreht man in Unterhaching den Wasserhahn auf, läuft "natürlich, rein und frisch" das als besonders gesund beworbene "M-Wasser" der Stadtwerke München ins Glas. Europas bestes Trinkwasser, ausgezeichnet für die Babynahrung, soll es sein, vor allem weil die Nitratwerte des natürlichen Durstlöschers mit durchschnittlich 6,0 Milligramm pro Liter weit unter der gesetzlich vorgeschriebenen Grenze von 50 Milligramm liegen. Doch nur wenige Kilometer weiter oben im Hachinger Tal, sowohl in Taufkirchen als auch in Oberhaching, ist die Wasserwelt eine andere. Denn dort bekommen die Leute ihr Lebensmittel Nummer eins nicht wie die Münchner aus dem Mangfalltal beziehungsweise vom Taubenberg, sondern aus eigenen Brunnen. Und da werden ganz andere Nitratwerte gemessen.

Zwar müssen sich die Bewohner - zumindest die Erwachsenen - mit Blick auf die in der Trinkwasserverordnung festgelegten Grenzwerten nicht allzu große Sorgen machen. Axel Göttlein, Professor für Waldernährung und Wasserhaushalt an der TU München, attestierte bei seinem Vortrag über das Oberhachinger Trinkwasser, zu dem die Grünen am Donnerstagabend eingeladen hatten, den zahlreichen Zuhörern: "Südlich von München ist die Welt in Ordnung." Dennoch sind 19,6 Milligramm Nitrat pro Liter, gemessen in Januar dieses Jahres, kein Grund zur Freude. Auch Taufkirchen hatte in den vergangenen Jahren regelmäßig Werte über 16, teilweise über 20 Milligramm.

Bedenklich wird dies vor allem für die Zubereitung von Säuglingsnahrung gesehen. Zwar schreibt der Gesetzgeber auch für die Jüngsten einen Grenzwert von 50 Milligramm vor, erst bei darüber liegenden Messungen dürfe das Wasser nicht mehr für Babys verwendet werden. Dann bestehe die Gefahr einer erhöhten Konzentration von Methämoglobin im Blut, was zu einem Sauerstoffmangel in lebenswichtigen Organen führen könne, erkennbar an einer bläulichen Verfärbung der Haut. Diese Grenzwerte werden mit Blick auf die Mineral- und Tafelwasser-Verordnung kritisch gesehen. Hier dürfen zehn Milligramm pro Liter nicht überschritten werden, um "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung" zu sein. Bei Erwachsenen gilt eine zu hohe Nitratkonzentration im Wasser als krebserregend.

Nun fragen sich die Oberhachinger seit vielen Jahren: Warum haben die Münchner mit ihrem Wasser aus dem Mangfalltal so viel weniger Nitrat im Glas als wir? Bekanntlich hängt das Problem eng mit der Landwirtschaft zusammen. Mineralische und organische Düngemittel führen zu ansteigenden Nitratgehalten im Grund- und Trinkwasser. Die Stadtwerke München hatte 1992 die Initiative "Öko-Bauern" ins Leben gerufen und so den ökologischen Landbau im Einzugsgebiet der Wassergewinnung gefördert. Josef Ertl, Landwirt und CSU-Gemeinderat in Oberhaching, überzeugt das aber nicht wirklich. "Ich kenne viele Kollegen von dort, die deswegen aufgeben mussten und jetzt für die Stadtwerke arbeiten", sagte er. Auch hätten die Bauern überhaupt kein Interesse, ihre Felder zu überdüngen, noch dazu werde im kommenden Jahr die neue Düngemittelverordnung "alles verschärfen".

Er will nicht den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen: "Die Landwirte sind nicht die Feinde eines guten Trinkwassers", betonte er. In Hinblick auf die zur Stickstoffreduktion empfohlenen Fruchtfolge sagte dessen Berufs- und Fraktionskollege Martin Schmid: "Wenn ich was für das Trinkwasser tun will, habe ich wirtschaftliche Einbußen." Doch das wollen weder die Grünen noch die anderen Zuhörer. Der Vorschlag des Grünen-Gemeinderats Klaus Kratzer, eine Ausgleichszahlung für die Landwirte einzuführen stieß auf große Zustimmung.

Eine weitere Möglichkeit, den Nitratgehalt zu senken, ist der Umbau des Waldes. Forstexperte Göttlein empfiehlt, den Laubholzanteil zu erhöhen, um die Wasserqualität zu verbessern. "Aus Buchen und Eichen läuft weniger Nitrat raus als auch Fichten", erläutert er die unterschiedliche Verwertung des Stickstoffs durch die Pflanzen. Auch eigne sich ein jüngerer Baumbestand besser als ein alter. In Deisenhofen ist der Umbau allerdings seit 1987 in Gange und mit über 30 Prozent Laubholz fast abgeschlossen.

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SZ vom 21.03.2015
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