Süddeutsche Zeitung

Wertstoffhof in Oberhaching:Gefährliche Nähe

Die Gemeinde nimmt es offenbar mit Abstand und Schutzmasken nicht so genau

Von Michael Morosow, Oberhaching

Mit altem Krempel zum Wertstoffhof, mit dem neuartigen Coronavirus wieder nach Hause: Die Gefahr einer Ansteckung sei in seiner Gemeinde gegeben, klagt ein SZ-Leser aus Oberhaching. Bei seinem Besuch des Wertstoffhofs jedenfalls habe er sich in einer Vor-Corona-Zeit gewähnt. Kein einziger der Mitarbeiter habe einen Mund-Nasen-Schutz getragen, ebenso viele der Besucher auch nicht. Auch sei kein ausreichend großer Abstand eingehalten, der Zugang nicht beschränkt und entzerrt worden, zudem habe er auf dem ganzen Gelände keinen einzigen Hinweis auf die Infektionsgefahr gesehen.

Einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt sah er sich insbesondere, als ein Mitarbeiter ohne Mund- und Nasenschutz "bis direkt ans offene Autofenster" herangekommen sei. Auf Nachfrage, warum er keine Maske trage, habe dieser geantwortet, das Landratsamt schreibe das für Wertstoffhöfe nicht vor. Und die Gemeinde habe auf seine Beschwerde lasch reagiert. "Bei all dem, was viele Menschen unternehmen, um vernünftig zu handeln, wirtschaftliche Einbußen erleiden und gar vereinsamen und die Liebsten manchmal nur auf Distanz sehen, fühle ich mich im mildesten Fall verhöhnt. An sich empfinde ich es als strafbar, wie dort gehandelt wird, da Menschen unnötig gefährdet werden", so der Oberhachinger.

Er habe am Wertstoffhof zwar eine andere Situation vorgefunden, sagt Bürgermeister Stefan Schelle (CSU), aber auf einen Kritikpunkt werde er reagieren und ein Schild auf dem Gelände mit der Aufforderung "Abstand halten" platzieren lassen. Seine Gemeinde habe als erste im Landkreis ihren Wertstoffhof wieder geöffnet und zuvor intensiv mit den Mitarbeitern über Abläufe und Schutzvorkehrungen diskutiert, berichtet Schelle. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auf Wertstoffhöfen sei Mitarbeitern bislang tatsächlich nicht vorgeschrieben, bestätigt der Bürgermeister. Er selbst halte ohnehin nicht viel von Schutzmasken, "die vermitteln eine falsche Sicherheit", so Schelle. Wesentlich mehr Schutz bietet seiner Überzeugung nach die Einhaltung der Abstandsregeln. "Hirn einschalten und Abstand halten", rät er seinen Bürgerinnen und Bürger.

Für Verwunderung hatte vor zwei Wochen bei Teilnehmern auch der Ablauf der konstituierenden Sitzung in Oberhaching gesorgt. Während andernorts Gemeinderäte in größere Säle und Hallen verlegt werden, um die Abstandsregeln einzuhalten, tagte das Oberhachinger Gremium im Ratszimmer. Bei der Auszählung der Stimmen zur Wahl der Bürgermeisterstellvertreter wurden - trotz der Nähe - keine Schutzmasken getragen.

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Quelle:
SZ vom 18.05.2020
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