Oberhaching:Wahre Helden

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Oberhachings Zweiter Bürgermeister Johannes Ertl erkrankte an Leukämie - und bekam eine zweite Chance. Mit fünf jungen Knochenmarkspendern traf er sich nun, um über die Motivation eines Lebensretters zu sprechen

Von Christina Jackson, Oberhaching

Slawo Dmytrasz rettet Leben. Dabei begreift er sich nicht als Held. Ein Zufall verband sein Leben erst jetzt wieder mit dem Todeskampf einer 58 Jahre alten Polin. Er spendete Stammzellen für die an Leukämie erkrankte Frau. Getroffen hat er sie nie. Eine persönliche Begegnung hat ihn vor Jahren zum Spender gemacht. Oberhachings Zweiter Bürgermeister Johannes Ertl war an Blutkrebs erkrankt. Als er im März 2013 in seiner Gemeinde zu einer Registrierungsaktion der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) aufrief, nahmen viele daran teil. Ertl wurde gerettet. Jetzt traf er fünf junge Männer, die dem Aufruf damals gefolgt waren.

Dmytrasz erinnerte sich: "Ich hatte Angst vor dieser Prozedur." Doch die Befürchtungen des heute 38-jährigen IT-Spezialisten bewahrheiteten sich nicht. Nach einer Blutentnahme bekam er ein Spritzenset. Die Injektion setzte er sich an fünf aufeinanderfolgenden Tagen morgens und abends. Darin enthalten waren Hormone, die das Stammzellen-Wachstum anregen sollen. Es heißt, die Nebenwirkungen seien mit denen einer Impfung vergleichbar. Die meisten dieser Symptome blieben bei Dmytrasz aber aus. Nach einer zweimonatigen Vorbereitung auf die Stammzellen-Entnahme, fuhr er nach Dresden. "Ich hatte die Möglichkeit nach Nürnberg oder Dresden zu fahren. Da ich noch nie in der Elbestadt war, habe ich mich für Sachsen entschieden." In einer dreieinhalbstündigen Prozedur entnahmen ihm die Ärzte Blut. "Man sitzt auf bequemen Stühlen - wie in der Business-Class - und hat in jedem Arm eine Kanüle." Auf der einen Seite floss das Blut in eine Maschine, die die Stammzellen und das Blutplasma herausfiltert. Auf der anderen Seite gelangte das Blut zurück in den Körper des Spenders.

Dmytrasz: "Eigentlich wollte ich währenddessen lesen. Aber mit dem Beugen des Arms brach immer wieder die Nadel ab." Das war der Grund, warum er sich dem Programm der übrigen Spender im Raum anschloss. Die benachbarten jungen Frauen im Behandlungszimmer sahen sich einen Film an. Während die Prozedur bei ihm nach dreieinhalb Stunden erfolgreich abgeschlossen war, mussten die Frauen nach rund fünf Stunden notgedrungen abbrechen. "Ich glaube meine Venen waren einfach robuster als ihre", sagte Dmytrasz. Der Zeitfaktor ist wichtig. Innerhalb von 72 Stunden muss die Spende beim Empfänger eintreffen. Diese Übertragung, so viel weiß Dmytrasz bereits, war in seinem Fall erfolgreich.

Ob die Frau in Polen tatsächlich gesund wird, erfährt der Spender durch die DKMS. Er hat auch die Möglichkeit, nach zwei Jahren Kontakt mit ihr aufzunehmen. "Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das tun werde", sagte Dmytrasz. Sein Blut für einen erkrankten Menschen hergeben, das würde er auf jeden Fall immer wieder tun. "Meine Angst war unbegründet. Und jeder kann entscheiden, ob er eine Blut- oder Knochenmarkspende geben möchte." Dmytrasz Lebensgefährtin, eine gute Freundin der Familie Ertl, hat sich ebenfalls registrieren lassen. Bislang hat sich keine Übereinstimmung mit einem Empfänger ergeben. Auch sie wartet auf ihren Einsatz. Wenn der Anruf kommt, geht alles ganz schnell.

So war es auch bei Thomas Asemann. Die Spende des 24 Jahre alten Maschinenbau-Ingenieurs ging nach Belgien. Der Empfänger erhält die Stammzellen über eine Infusion. So war es auch bei Johannes Ertl. Aus einem Ein-Liter-Beutel tröpfelte die Flüssigkeit langsam in seinen Körper. Ertl: "Währenddessen lief im Fernsehen die Fußball-Europameisterschaft und ich war so vom Spiel angetan, dass ich den Prozess kaum beachtete." Nach der Transplantation besteht eine erhöhte Ansteckungsgefahr. Ertl: "Ich konnte in dieser Phase die Besucher nicht voneinander unterscheiden. Sie trugen alle Schutzanzüge, die nur einen Blick auf die Augenpartie erlaubten." Sehr schnell gab es die Gewissheit für die erfolgreiche Übertragung. "Es gab eine Hautrötung, die das Zeichen für die geglückte Behandlung war."

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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