Als Chormitglied in einem Kirchenkonzert zu singen oder bei einer lokalen Operninszenierung mitzuwirken, ist für Teenager normalerweise nicht die Krone der Coolness. Ob Bach, Mozart oder Carl Maria von Weber - ein Neunt- oder Zehntklässler hat gewöhnlich Hipperes zu tun, als sich mit alter, klassischer Musik zu beschäftigen. Am Gymnasium Oberhaching freilich gelten andere Kriterien: Bei den von Musiklehrerin Ricarda Geary initiierten Projekten mitzumachen, übt jedenfalls auch auf Jugendliche einen Reiz aus, die sonst nicht unbedingt wie brave Chorknaben anmuten - wie Ludwig Pichler in seiner Laudatio verschmitzt betonte.
Geary, 1968 in Straubing geboren, aber schon lange in Oberhaching lebend, prägt das Musikleben der Gemeinde seit vielen Jahren, und es ist vor allem ihre Energie und Begeisterungsfähigkeit, die erstaunlich viele Menschen ansteckt und inspiriert. 2016 bereits mit dem Tassilopreis der SZ ausgezeichnet, hat Geary nun auch den Kulturtaler des Kulturpolitischen Arbeitskreises der CSU-München-Land erhalten. Bei der Verleihung im Wagnerhaus am Hubertusplatz in Oberhaching dürften ihr die Ohren geklungen haben. Pichler, selbst Lehrer am Oberhachinger Gymnasium, CSU-Gemeinderat und regelmäßiger Protagonist bei den musikalischen Projekten von Geary, fand schöne Worte. In Anlehnung an die jüngste Opern-Eigenproduktion - Webers "Der Freischütz", die gerade erst mehrmals in der Maschinenhalle Ödenpullach aufgeführt wurde und um die 2000 Besucher anlockte - fand er verschiedene Charakteristika für die Preisträgerin: analog zu sechs Freikugeln, die Jäger Max in der Oper gießt, würdigte er Geary für Timing, Dichte, Allgegenwärtigkeit, Begeisterungsfähigkeit, Kreativität und ihre Begabung, ein besonderes Gemeinschaftsgefühl zwischen den Generationen zu schaffen. "Das ist die wertvollste Freikugel." In der Opernhandlung gibt es ja noch die siebte Freikugel, die dem Teufel geweiht ist - diese hat Geary laut Pichler selbstverständlich nicht nötig: "Du triffst auch ohne den Teufel teuflisch gut." Dabei gehe es ihr nie um sich, sondern immer um die Musik.
In der Tat hat Geary zahlreiche musikalische Großereignisse mit einheimischen Mitwirkenden auf die Beine gestellt, angefangen vom "Holledauer Fidel" zur Einweihung des Bürgersaals beim Forstner über zahlreiche Opernproduktionen in der Ödenpullacher Maschinenhalle, bei denen Profis mit ambitionierten Laien zusammenarbeiten, bis zur Open-Air-Oper 2017: Henry Purcells "The Fairy Queen" im Klettergarten im Gleißental. Hinzu kommt, dass sie mit den von ihr gegründeten Ensembles wie dem Kammerchor sowie dem Kammerorchester Oberhaching und dem von ihr geleiteten Chor des Gymnasiums auch regelmäßig große Werke wie Bachs Johannes Passion oder Mendelssohn-Bartholdys Oratorium "Elias" aufführt. Dazu kommen noch Kindermusicals oder diverse Chor-Exkursionen in verschiedene europäische Nachbarländer.
Kein Wunder also, dass Geary, die aus einer Musiker- und Künstlerfamilie stammt, heuer mit dem Kulturtaler ausgezeichnet wurde - 2017 war zuletzt die Blaskapelle Höhenkirchen-Siegertsbrunn als für den Landkreis prägende Kulturinstitution prämiert worden. "Diese Würdigung ist absolut verdient", sagte die Leiterin des Kulturpolitischen Arbeitskreises der CSU Caroline Voit und deutete an, dass man einen zusätzlichen Musikwettbewerb für Jugendliche im Landkreis zusammen mit Geary auf die Beine stellen wolle. Der Oberhachinger Bürgermeister (CSU) Stefan Schelle hatte sein Scherflein dazu beigetragen, die Preisträger aus seiner Gemeinde auszuwählen. "Dass wir ein Jahrhunderttalent wie die Ricarda haben" sei ein Glücksfall, betonte er augenzwinkernd. Für ihn sei es vor allem schön, wenn bei den verschiedenen Projekten die Menschen im Ort zusammenkämen und -agieren. "Aus Gemeinschaft entsteht Gemeinde. Aus Geselligkeit entsteht Gesellschaft", sagte er.
Geary, die seit 1999 am Oberhachinger Gymnasium wirkt, zeigte sich nach all den Lobeshymnen im schönen Ambiente des Wagnerhauses sehr bewegt. Sie selbst steht nicht gerne im Mittelpunkt, sondern verweist immer wieder auf die kollektive Leidenschaft der Mitwirkenden und deren Selbstverantwortung, ohne die alle Erfolge nicht möglich wären. "Ich habe das Gefühl, dass ich das gar nicht so verdient habe", sagte sie und ihre Wangen schimmerten angesichts der Elogen besonders rot. So bescheiden sie sich gewöhnlich gibt, Geary entfaltet schon eine charmante Melange aus Zurückhaltung und Resolutheit, die notwendig ist. Sie verbindet Temperament und Eigenwilligkeit der Künstlerin mit Organisationstalent und enormer Energie. "Es gibt noch so viel zu erledigen", sagte sie, die jüngst auch noch, zusammen mit ihrem Mann, umgezogen ist ins neu gebaute Haus. Stefan Schelle und Ludwig Pichler widmeten ihr zum Abschied der Veranstaltung noch eine musikalische Hommage. Der Bürgermeister spielte auf der Ziehharmonika und Pichler sang ein paar Gstanzl à la "Wir lassen dich nimmer fort, du gehörst jetzt zum Ort." Das würden ihre Schüler wohl unterstreichen, selbst die besonders coolen.