Süddeutsche Zeitung

Oberhaching:Romantische Klangmalereien

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Zwischen spielerischer Anmut und dunkler Leidenschaft: Mit berührenden Klavierwerken von Grieg, Brahms und Schumann eröffnet der Brunnthaler Pianist Christoph Amtmann die Oberhachinger Saison

Von Udo Watter, Oberhaching

Sie ist aufwühlend, spannungsreich und atmet auch zarte, geheimnisvolle Momente: Seiner bekannten Klavierfantasie in C-Dur hat Robert Schumann eine Strophe des Frühromantikers Friedrich Schlegel vorangestellt. "Durch alle Töne tönet, im bunten Erdentraum, ein leiser Ton gezogen, für den, der heimlich lauschet." Man kann darin die dichterische Anschauung erkennen, nach der die ganze Welt (vom Göttlichen) beseelt sei, fernab des industriellen Geistes der Moderne. Es geht auch darum, das entzauberte Dasein wieder zu romantisieren, oder wie Eichendorff ein paar Jahre nach Schlegel dichtete: "Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort."

Obwohl die Besucher im Oberhachinger Bürgersaal dem Geschehen auf der Bühne nicht heimlich (im Sinne von verboten) lauschten und natürlich im angemessenen Abstand, hatten die Veranstalter des Konzertes "Romantische Impressionen: Natur - Vision - Poesie" auf die Rezitationen der Zauberworte verzichtet. Die ursprünglich geplanten Texte von Eichendorff, Jean Paul und E.T.A Hoffmann, die den Klavierabend von Christoph Amtmann flankieren sollten, wurden nicht gelesen, quasi ein kleiner Kollateralschaden infolge der pandemiebedingten Vorsichtsmaßnahmen.

Nun, auch im verkürztem Rahmen war die Auftaktveranstaltung der Oberhachinger Spielzeit, die mit gut 70 Zuhörern unter den momentanen Bedingungen ausverkauft war, eine bereichernde. Der Pianist Christoph Amtmann, der in Brunnthal lebt, wo er auch selbst eine Konzertreihe organisiert, gestaltete den Abend eben solo, mit drei inspirierenden Werken der romantischen Klavierliteratur.

Bevor er mit Schumanns durchaus visionärer C-Dur-Fantasie das Konzert beschloss, standen diverse Miniaturen aus Edvard Griegs "Lyrischen Stücken" auf dem Programm sowie Brahms' Rhapsodie in g-Moll op 79,2. Besonders bei den Kompositionen des Norwegers entfaltete Amtmann, der unter anderem früher mit dem BR-Symphonieorchester und den Münchner Philharmonikern zusammenarbeitete und Konzerte in London und New York gab, einen Klangkosmos, der zwischen verspielten, temporeichen Impressionen und stimmungsvoll-melancholischer Innenschau changierte. Es sind Kleinode, eine Art musikalisches Tagebuch, die technisch gesehen großteils nicht die höchsten Anforderungen stellen, aber in ihrer kunstvoll-anmutigen Verschränkungen von skandinavischen volksmusikalischen Elementen und romantischen Traditionen einen besonderen Reiz entbreiten. Man taucht ein in die Welt der nordischen Kobolde und folgt klangträumerisch den Schmetterlingen, die über Wiesen und Fjorden flattern. Überhaupt kreucht, fleucht, tanzt und fließt es recht beschwingt bei Grieg. Besonders mitreißend gelingt Amtmann der "Zug der Zwerge", der humorvoll und zugleich ein bisschen fremdartig daherkommt. Schön auch die dunkle Klangmalereien, die sich mitunter in diesen naturverbundenen Stücken finden.

Technisch anspruchsvoller war die Rhapsodie Nr. 2 von Johannes Brahms, die der gebürtige Hamburger 1879 bei einem Ferienaufenthalt am Wörthersee komponierte. Ein leidenschaftliches, teils schmerzhaft vorwärtsdrängendes Werk, das von wuchtigen Oktavsprünge im Bass geprägt ist und phasenweise das Übergreifen der Hände erfordert. Amtmann, der eine klaren schnörkellosen Anschlag hat und dem man immer die durchdringende geistigen Auseinandersetzung mit der jeweiligen Komposition anmerkt, meisterte diese Schwierigkeiten insgesamt gut, spielte suggestiv und kontrastreich, wobei er nicht diese überwältigende, anstrengungslose Wirkung entfaltete, welche die ganz großen Virtuosen mit ihren manuellen Fähigkeiten auszeichnet.

Das Gleiche galt auch für die Interpretation von Schumanns Fantasie, die der Komponist in einer schweren biografischen Krise - in der er seine spätere Ehefrau Clara Wieck aufgrund der väterlichen Intervention verloren glaubte - geschaffen hatte und die er "wohl mein Passioniertes, was ich je gemacht habe" in einem Brief an sie nennt, "eine tiefe Klage um dich". Es ist eine fordernde Komposition, die wie Schumann zum ersten Satz schrieb, "durchaus phantastisch und leidenschaftlich vorzutragen ist". Auch wenn manches ein bisschen unrund geriet, ließ Amtmann hier generell seine virtuose Klasse aufblitzen, und auch sein Ringen um die Details angemessener Phrasierung. Besonders im Finalsatz ("Langsam getragen. Durchweg leise zu halten.") entstand dann auch dieser geheimnisvolle, dunkel pulsierende Klangzauber, der gerade die Romantik so auszeichnet. Da fängt die Welt an zu singen und die Seelensaiten klingen im Idealfall zauberisch mit.

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SZ vom 12.10.2020
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