Gemeindegrenzen:Verrückte Exklave

Gemeindegrenzen: Damit der Radweg ausgebaut werden konnte, mussten an der Nußbaumranch ein paar Quadratmeter den Besitzer wechseln.

Damit der Radweg ausgebaut werden konnte, mussten an der Nußbaumranch ein paar Quadratmeter den Besitzer wechseln.

(Foto: Claus Schunk)

Warum ein Grundstückstausch zwischen Oberhaching und der Nußbaum-Ranch für den Umbau der Rad-Hauptverbindung so kompliziert ist, obgleich er fast niemanden betrifft.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Es gibt Enklaven und es gibt Exklaven. Ein Stück Land, das von einem fremden Gebiet komplett umschlossen ist, wird als Enklave bezeichnet. Ist sie nicht eigenständig, sondern gehört zu einem anderen Gebiet, so ist die Enklave auch eine Exklave. Und dann ist es eine Frage der Sichtweise, wie man das nun nennt, dieses heimische Areal inmitten der Fremde. Alaska ist so ein Konstrukt. Auch Bremerhaven. Oder die Nussbaumranch in Oberhaching. Das ist alles kein Problem, solange man an den Grenzen nichts verändert. Dann aber wird es kompliziert, macht Arbeit und erfordert einen Haufen Schreibkram.

Die Nußbaumranch liegt unweit des Oberhachinger Kerngebiets im Grünwalder Forst, an der Grenze zum Perlacher Forst. Da der Wald nun mal gemeindefreies Gebiet ist, gehört die Nußbaumranch selbst zwar zu Oberhaching, die Grundstücke rings herum aber nicht. Normalerweise merkt das kein Mensch. Beim Perlacher Mugl wenige Kilometer nördlich ist das genauso. Der kleine Berg mit großem Ausblick gehört zur Gemeinde Unterhaching, das Umland des 26 Meter hohen Mugls nicht. Wesentlich weiter westlich im Forst, mit einer Zufahrt von der Geiselgasteigstraße in Harlaching aus, liegt mitten im Wald die Münchner Klinik Menterschwaige. Drei typische Enklaven und zugleich Exklaven, Inseln im Niemandsland.

Die Nußbaumranch ist vor allem bei Radfahrern bekannt und beliebt. Es gibt dort einen Kiosk und einen kleinen Biergarten. Schon lange führt dort der Radweg zwischen Oberhaching und Harlaching sowie Richtung Geiselgasteig vorbei. Seit gut eineinhalb Jahren ist er zur Radhauptverbindung ausgebaut worden. Eine Art Radschnellweg light, der flottes Fortkommen durch eine Asphaltierung ermöglicht, ohne die strengen Vorgaben für echte Radschnellwege penibel zu erfüllen. Lange gedauert hat es trotzdem, am Nadelöhr Nußbaumranch einen sicheren Ausbau hinzubekommen. Denn es galt, die engen Kurven zu entschärfen, die der Weg dort macht, um unter der Bahn durchzukommen. Ein solcher Umbau ging nur mit einem Grundstückstausch mit der Familie Nußbaum.

Es geht nur um 190 Quadratmeter, aber die Verhandlungen ziehen sich über fünf Jahre hin

Fünf Jahre hatten sich die Verhandlungen hingezogen, bis man sich einig war, welche Teile man vom Grundstück der Nußbaums abzwackt und wo sie die Quadratmeter wieder dazubekommen. Auch galt es für den Kioskbetreiber offiziell eigene Stellplätze zuzuordnen. Umgestaltet wurden neben der Wegeführung die Wegebreite zur Garage und Toilette hin sowie der Kreuzungsbereich. Letztlich ging es um 190 Quadratmeter, die gegenseitig getauscht wurden. Weil dadurch aber aus Oberhachinger Flur gemeindefreies Gebiet wird und umgekehrt die Gemeinde Oberhaching ein bisschen Grünwalder Forst dazubekommt, musste das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung München tätig werden.

Der dort zuständige Vermessungsobersekretär hat im November 2021 festgestellt, dass fünf Flurstücke betroffen sind. Die jeweiligen Flächen reichen von 0,0030 Hektar bis hin zu 0,0160 Hektar. Seiner Ansicht nach soll eine Änderung der Gemeinde- und Gemarkungsgrenze vorgenommen werden, weil man es ja mit einer Exklave der Oberhachinger zu tun hat. Die Größe des Gemeindegebiets ändert sich dadurch natürlich nicht, denn Oberhaching tritt ja genauso viel ab, wie es bekommt. Nur die Gemeindegrenze rund um die Nußbaumranch ändert sich eben.

Weil aber bei dieser Umgemeindung weniger als 50 Einwohner - im Grund gar keiner - betroffen sind, verwies der Vermessungsobersekretär die Zuständigkeit an der Landratsamt München. Die Behörde stellte im Mai nochmal fest, dass sie zuständig ist, weil sie durch eine Mitteilung aus Oberhaching seit März 2022 weiß, dass die betreffenden Gebiete unbewohnt sind. Also forderte das Landratsamt die Gemeinde zu einer Stellungnahme auf. Und genau die hat der Gemeinderat abgegeben, nachdem er sich in seiner Sitzung am Mittwochabend noch einmal mit der Grundstücktausch beschäftigt und festgestellt hat, dass der Änderung der Gemeinde- und Gemarkungsgrenze nichts entgegensteht.

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