Naturlehrpfad in Oberhaching:Futter für Bienen und die Biogasanlage

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Brigitte Koch hat auf dem Acker in Oberhaching Wildpflanzen ausgesät, die die Artenvielfalt fördern und gleichzeitig Biomasse liefern. (Foto: Sebastian Gabriel/ )

Auf einer fast zehn Hektar großen Fläche am Ortsrand von Oberhaching blühen Wildpflanzen. Wie dabei Artenschutz und Stromerzeugung verbunden werden, erklärt bis Ende Juli ein temporärer Naturlehrpfad.

Von Christina Böltl, Oberhaching

Zwischen Färberkamille, Natternkopf und Flockenblumen summt es auf dem Acker von Brigitte Koch gewaltig. Rund um die farbenfrohe Wiese ragen auf einer Strecke von 600 Metern seit Dienstag hölzerne Schilder aus dem Boden. Die roten, grünen und blauen Tafeln gehören zu einem neuen Naturlehrpfad. Bis 28. Juli sollen sie dort stehen und erklären, welche Pflanzen hier wachsen, wie sie die Artenvielfalt fördern und was die Wildpflanzen mit Ökostrom zu tun haben.

Denn das Feld östlich von Oberhaching gehört zum Projekt „Bienenstrom“, das 2018 von den Stadtwerken Nürtingen ins Leben gerufen worden ist. Die Idee: Unter dem Namen „Bienenstrom“ verkaufen die Stadtwerke Ökostrom, den sie in einem Wasserkraftwerk an der Donau erzeugen. Für jede Kilowattstunde zahlen die Kunden einen „Blühcent“ extra. Mit diesem Geld werden dann Landwirte unterstützt, die statt klassischer Kulturpflanzen wie Mais Wildpflanzenmischungen anbauen. Die Landwirte lassen die Flächen dafür aber nicht einfach stehen und schauen ihnen beim Blühen zu.

Denn auch die Wildpflanzen werden geerntet. In einer Biogasanlage wird aus ihnen Strom gewonnen, den die Landwirte dann vermarkten können. Doch wenn die Landwirte auch mit den Wildpflanzen wirtschaften können, warum brauchen sie dann den „Blühcent“? „Die Blühpflanzen bringen einfach weniger Geld“, erklärt Landwirtin Brigitte Koch, die seit 2021 an dem Projekt teilnimmt. Mit der finanziellen Unterstützung aus dem Bienenstrom – und weiteren Förderungen – komme sie auf rund 80 Prozent des Ertrags, den sie etwa mit Mais auf der gleichen Fläche erzielen könnte.

Kochs fast zehn Hektar großes Feld in Oberhaching ist das mit Abstand größte im Projekt. Mehr als 20 Pflanzenarten sind in der Saatgutmischung enthalten, die hier ausgebracht worden ist. Dabei wird auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Pflanzen geachtet, die sich besonders gut für die Biogasproduktion eignen, und solchen, die eine hohe Bedeutung für die Artenvielfalt haben. So sei zum Beispiel die Färberkamille nicht wegen ihrer Biomasse im Saatgut enthalten, sondern „weil die Bienen besonders viel Spaß dran haben“, erklärt Werner Kuhn, der das Saatgut mitentwickelt hat.

Aufgebaut haben den Lehrpfad Mitarbeiter der Stadtwerke Nürtingen, die das Projekt initiiert haben. (Foto: Sebastian Gabriel)

Durch die Mischung verschiedener Arten ist das Feld weniger anfällig für Pflanzenkrankheiten und witterungsbedingte Ernteausfälle. Es bietet also mehr Sicherheit. Dazu trägt auch bei, dass die Förderbeiträge, die Koch für das Feld erhält, immer gleich hoch bleiben. Schlechte Ernten sind so leichter zu verkraften. Außerdem treiben die Wildpflanzen nach der Ernte wieder aus, sodass auch im Winter eine kniehohe Vegetation auf dem Feld steht. Das bietet nicht nur Tieren Unterschlupf, sondern schützt den Boden durch das tiefere Wurzelwerk auch vor Erosion

In der Dämmerung kann man Nachtfalter beobachten – und Fledermäuse

Für Koch steht der Artenschutz im Mittelpunkt. „Das ist einfach ein super Beitrag für die Umwelt“, sagt sie. Tatsächlich zeigt auch eine Studie des Biosphärenreservats Schwäbische Alb, das mit den Stadtwerken Nürtingen zusammenarbeitet, eine höhere Biodiversität auf den dortigen Blühflächen. Die Vielfalt an Tagfaltern, Widderchen, Wildbienen- und Vogelarten war auf den untersuchten Blühflächen deutlich höher. Auf dem Oberhachinger Feld wird zwar eine andere Blühmischung verwendet als auf den Feldern auf der Schwäbischen Alb, aber auch hier seien viele Vögel und Insekten zu beobachten, erzählt Kuhn.

Im Juli stehen die Wildpflanzen in voller Blüte. (Foto: Sebastian Gabriel)

Sie empfiehlt Familien, die einen Ausflug zum Lehrpfad machen, bis zur Dämmerung zu bleiben. Dann zeigten sich „wahnsinnig viele Nachtfalter“ und entsprechend viele Fledermäuse über dem Gelände. Aber auch tagsüber ist der Naturlehrpfad ein lohnendes Ziel. Wer alle Tafeln lesen will, ist bestimmt eine Stunde beschäftigt. Für Kinder ist auf den Schildern ein Suchspiel integriert. Anhand von Symbolen können sie etwa die größten oder die bienenfreundlichsten Pflanzen finden.

Der Pfad beginnt auf dem Sportgelände der Grundschule Oberhaching. Von dort führt er am Acker entlang bis zu einem asphaltierten Feldweg, von dem aus das Blumenmeer gut zu überblicken ist. „Uns war es besonders wichtig, dass der Lehrpfad mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar ist“, erklärt Manfred Albiez, der Projektleiter von „Bienenstrom“. Er hofft, dass auch die Schulen in der Gegend den Lehrpfad für Ausflüge vor den Sommerferien nutzen.

Der Lehrpfad liegt an der Lanzenhaarer Strße und ist von den S-Bahnhöfen Deisenhofen und Furth fußläufig erreichbar, er ist bis 28. Juli rund um die Uhr geöffnet. Am 7. , 14., 21. und 28. Juli stehen in der Regel von 11 bis 16 Uhr Ansprechpartner für Fragen zur Verfügung und es gibt jeweils einen geführten Rundgang, der um 14 Uhr startet

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