Berufswahl:Aus dem Leben einer Truckerin

Berufswahl: Selfie mit der Instagram-Truckerin: Eine Siebtklässlerin macht ein Foto von sich und Christina Scheib.

Selfie mit der Instagram-Truckerin: Eine Siebtklässlerin macht ein Foto von sich und Christina Scheib.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Christina Scheib hat ihren Job beim Landratsamt in Bad Tölz gekündigt, um Lkw zu fahren. An der Mittelschule in Oberhaching wirbt sie für den Beruf - und schafft es tatsächlich, viele Schülerinnen und Schüler zu begeistern.

Von Flavia Klingenhäger, Oberhaching

Auf dem Pausenhof der Mittelschule Oberhaching bietet sich am Montag ein ungewöhnlicher Anblick: Ein großer Sattelzug parkt auf dem Platz, der sonst eigentlich den Schüler zum Spielen vorbehalten ist. Pinkfarbene Felgen, schwarze Plane, im Fahrerhäuschen ein Leuchtschild mit der Aufschrift "Prinzessin". Um den Lkw herum steht eine Ansammlung von Schülerinnen und Schüler, die nach einander im Auflieger des Gefährts verschwinden.

Der Sattelzug gehört einer der wenigen Lkw-Fahrerinnen Deutschlands: Christina Scheib. Die 37-Jährige fährt seit elf Jahren kreuz und quer durch Europa und macht sich für ihren Beruf stark. Anfangs sei sie nur an den Wochenenden gefahren, erzählt sie, habe hauptberuflich für das Landratsamt in Bad Tölz gearbeitet. Vor etwa drei Jahren kündigte sie dort, seitdem widmet sie sich ihrer Leidenschaft: dem Truckfahren. Auf Instagram und Facebook bietet sie ihren Followern seit mehreren Jahren ungefilterte Einblicke in das Leben einer Truckerin - inklusive der Herausforderungen und Vorzüge. "Ich mache das schon so lange und habe mit der Zeit gemerkt, wie wenig Leute wirklich über den Beruf Bescheid wissen, dass ich irgendwann gedacht habe, dass ich das teilen muss", erzählt Scheib.

Berufswahl: Die Schüler besichtigen die Ladefläche.

Die Schüler besichtigen die Ladefläche.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Schließlich, so Scheib, sei vielen Menschen nicht bewusst, dass das Fahren eines Lkw kein reiner Männerberuf ist. Wie das Bundesamt für Güterverkehr berichtet, sind tatsächlich aber nur knapp zwei Prozent der Berufskraftfahrer Frauen. "Das will ich ändern", sagt die Truckerin. "Wir sind zwar nicht viele Frauen in dem Job, aber es gibt uns und wir machen alle einen echt guten Job."

Und die Einblicke in ihre Arbeit, die die Truckerin in Form von Foto-Posts oder täglichen Stories bietet, kommen an: Mehr als 80 000 Menschen folgen ihr inzwischen auf Instagram, die Zahl steigt täglich. "Natürlich", sagt sie, "als Fernkraftfahrerin zu arbeiten, ist teilweise echt hart: Man sieht wochenlang seine Familie nicht, hat nicht immer Zugang zu sicheren Sanitäranlagen oder fühlt sich einsam." Gleichzeitig seien es gerade diese Zeiten der Herausforderung, die sie die guten Seiten ihres Arbeitsalltags wertschätzen lassen. "Jedes Mal, wenn ich unterwegs ein schönes Gespräch mit anderen Truckern führe, freue ich mich riesig." Was den Beruf für sie so besonders macht, sind die Freiheit und Unabhängigkeit. "Am einen Tag fahre ich zum Beispiel in Kroatien los, mache in Italien Pause und übernachte dann in Österreich - dieses Unterwegssein ist einfach super."

Berufswahl: "Ist wirklich super gemütlich da drin": Jeder darf einen Blick ins Führerhaus werfen.

"Ist wirklich super gemütlich da drin": Jeder darf einen Blick ins Führerhaus werfen.

(Foto: Sebastian Gabriel/)

Die Kinder wollen alles von Christina Scheib erfahren: Wo sie sich die Zähne putzt, ihr Abendessen zubereitet und ob sie überhaupt genug Platz zum Schlafen hat in ihrem Lkw. Um sich ein besseres Bild zu verschaffen, dürfen die Schülerinnen und Schüler den ganzen Truck genau unter die Lupe nehmen. Nach und nach klettern einmal durch das Führerhaus in die Schlafkabine des Trucks. "Ist wirklich super gemütlich da drin", meint der zwölfjährige Madhava. "Ich kann mir gut vorstellen, als Fernkraftfahrer zu arbeiten. Das hört sich echt cool an."

Besonders interessant finden die Schüler, dass sie als Fernkraftfahrer die Möglichkeit haben, verschiedene Länder Europas kennenzulernen. "Bisher war ich nur in Deutschland und Kroatien", erzählt Madhava. "Ich will unbedingt noch viel mehr Länder von Europa kennenlernen." Eine Schülerin fängt nach der Besichtigung sofort an, ihre Karriere als Fernfahrerin zu planen, und fragt Christina Scheib, wie viel der Lkw gekostet hat. Nach ein paar Sekunden, in denen sie die Zahlen im Kopf überschlägt, ruft sie: "Bei meinem jetzigen Taschengeld muss ich zwar 30 Jahre sparen, aber irgendwann kaufe ich dir den Lkw ab."

"Nicht alle müssen Arzt werden, um einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten."

Während die Veranstaltung an der Oberhachinger Mittelschule besonders Mädchen für den Beruf der Fernkraftfahrerin interessieren soll, möchten Christina Scheib und die ehemalige Verkehrsministerin Kerstin Schreyer, die an diesem Vormittag auch da ist, insgesamt auf den Job aufmerksam machen. "Mir geht es wirklich darum, den jungen Menschen von der Mittelschule das breite Karrierespektrum bewusst zu machen, das ihnen mit ihrem Abschluss offen steht", sagt die CSU-Landtagsabgeordnete aus Unterhaching. "Die Menschen, die täglich unsere Konsumgüter quer durch Europa fahren, tragen wirklich einen essentiellen Teil zum gesellschaftlichen Leben bei. Trotzdem denken die meisten bei dem Ausdruck ausschließlich an medizinisches Fachpersonal." "Ja", stimmt Christina Scheib zu, "die Wertschätzung für unsere Arbeit fehlt einfach."

Claudia Sanders, die Rektorin der Mittelschule, zeigt sich begeistert über die Möglichkeit, den Schülern einen besonderen Einblick in den Beruf des Fernkraftfahrers zu bieten: "Gerade an Mittelschulen fehlt es oft an solchen Veranstaltungen. Dabei sind diese Jugendlichen unheimlich wichtig für die Zukunft von uns allen." Das findet auch Schreyer: "Nicht alle müssen Arzt werden, um einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten."

Christina Scheib und Kerstin Schreyer kennen sich seit Schreyers Zeit als Verkehrsministerin. "Damals haben wir festgestellt, wie wichtig es ist, den Beruf des Fernkraftfahrers zugänglicher für Jugendliche zu machen", erzählt Schreyer. "Wir sind dann auf die Idee gekommen, die jungen Menschen auf ganz praktische Weise an den Job heranzuführen." Vor einem halben Jahr habe sie ihren Lkw das erste Mal auf einem Pausenhof geparkt, sagt Scheib. In den nächsten Wochen sind weitere Veranstaltungen an anderen Mittelschulen im Landkreis München geplant. Die Truckerin freut sich schon darauf.

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