Süddeutsche Zeitung

Oberhaching:Kunst in Bewegung

Lesezeit: 3 Min.

Uli Schaarschmidt ist ein Vertreter des "Action Paintings". In seinen Bildern fängt er die Anspannung von Fußballern und anderen Athleten ein. Zwei davon sind in der Sportschule entstanden, wo die Arbeiten des Münchners nun zu sehen sind

Von Franziska Gerlach, Oberhaching

Champions League Finale, Allianz-Arena. Die schmerzliche Niederlage, die der FC Bayern München vor einigen Jahren gegen den FC Chelsea aus London kassierte, dürfte dem einen oder anderen noch im Gedächtnis sein. Uli Schaarschmidt jedenfalls erinnert sich gut an das Spiel, er war damals im Stadion dabei. "Da haben sie verloren", sagt er. Doch der nonchalante Ton, in dem er das sagt, verrät, dass ihn das nicht allzu sehr betrübt hat. Schließlich war er zum Malen da - und nicht zum Anfeuern.

Noch bis zum Ende dieses Jahres zeigt eine Ausstellung in der Sportschule Oberhaching, gemeinsam mit 21 anderen Werken Schaarschmidts, das damals entstandene Bild. Das Motiv ist ein fallender Manuel Neuer, der Torhüter wirft sich dem Ball entgegen, die Fingerspitzen seiner rechten Hand berühren ihn gerade noch. Und wer einen Schritt davon zurücktritt, der sieht den Ball tatsächlich durch die Luft wirbeln, der riecht den Schweiß und womöglich spürt er sogar, wie konzentriert Neuer in diesem Moment gewesen sein muss. "Action Painting" heißt die Spielart der bildenden Kunst, auf die sich Schaarschmidt spezialisiert hat, vereinfacht ausgedrückt malt er quasi "live". Die Stilrichtung wurde insbesondere durch den Amerikaner Jackson Pollock bekannt, der 1946 damit begann, Farbe auf eine am Boden liegende Leinwand zu spritzen oder zu tröpfeln - der Künstler greift bei dieser Maltechnik kaum ein, das Resultat bleibt völlig offen. Und völlig frei.

Diese Freiheit reizt auch Schaarschmidt, der aus der Berliner Schule kommt und in den Achtzigerjahren unter Bruno Bernitz und Johannes Richter in Weissensee studiert hat. Einen Widerspruch sieht der Maler, der seit 1990 in München lebt, in der Begegnung von Sport und Kunst nicht, sie würden sich im Gegenteil sogar gerade wegen ihres ungewissen Ausgangs gut vertragen. "Im Sport und in der Kunst ist das Ergebnis unbekannt", sagt er. "Es braucht allerdings ein gewisses Training, um die Bewegungen zu erfassen." Welches Bein kommt zuerst? Auf welche Seite springt der Sportler jetzt? Zwei großflächige Werke sind direkt in der Schule entstanden, die der bayerische Landessportverband und der bayerische Fußballverband betreiben.

Konkret darf man sich den Schaffensprozess so vorstellen: Schaarschmidt sitzt auf der Tribüne und sieht den jungen Sportlern beim Basketballspielen oder Einradfahren zu. Ihre Konturen skizziert er auf Karton, anschließend legt er eine Leinwand auf die Wiese, zeichnet zuerst in freien Schwüngen, dann greift er zum Autolack und lässt die Farbe über die Fläche sausen. "Das ist ein Abenteuer", sagt Schaarschmidt. Und zwar eines, das er liebt. Denn spätestens, wenn man dem ganz in Schwarz gekleideten Mann mit den weißen Haaren dabei zusieht, wie er auf besagtem Rasen nahe der Sportplätze auf eine imaginäre Leiter steigt - er begutachtet seine Werke zwischendurch gerne von oben -, versteht man, dass Schaarschmidt für die Sache brennt. Sich den Künstler, der im Jahr 2000 während der Karate-Weltmeisterschaft zur Bewegungsmalerei gekommen ist, brav in einem Atelier hinter einer Staffelei vorzustellen, fällt dagegen schwer. "Wenn ich male, bin ich ein anderer, dann bin ich wie im Tunnel", sagt Schaarschmidt. Seine Arbeit ist intensiv, mitten aus dem Leben gegriffen, und gerade bei sportlichen Motiven möglichst auf den Moment der größten Spannung ausgerichtet. Der Augenblick etwa, in dem der Korb den Basketball aufnimmt, ein Judoka auf die Matte knallt, oder eben ein Torwart in letzter Sekunde den Ball abwehrt. Immer aber sind die Bewegungen, zu denen sich klare Farben wie Rot, Blau oder Gelb zusammensetzen, kraftvoll und präzise, und mit etwas Muße erkennt man bei Schaarschmidt manchen, der in den Hallen der Oberhachinger Sportschule groß geworden ist. Die markanten Wangenknochen eines Fußballspielers lassen sich zweifelsfrei Thomas Müller zuordnen, und ist der daneben nicht Bastian Schweinsteiger? Doch wenn sich der Künstler auch gut auskennt beim Spiel mit dem Ball, will er eine Lieblingssportart lieber nicht benennen. Er habe ganz generell eine Vorliebe für Körperbeherrschung. Selbst für Ballett könnte er sich begeistern, bislang habe sich nur keine Möglichkeit zum Studium ergeben. "Ich würde aber auch dorthin gehen", sagt er, "dann würde Filigranes entstehen".

Die Ausstellung in der Sportschule Oberhaching, Im Loh 2, kann bis Ende des Jahres täglich zwischen 9 und 18 Uhr besichtigt werden.

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Quelle:
SZ vom 06.02.2016
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