Süddeutsche Zeitung

Oberhaching:Junge Virtuosen am Flügel

Die Oberhachinger Geschwister Sophie und Vincent Neeb zählen als Duo zu den besten Jungpianisten in Europa. Klavierspielen fasziniert sie, weil sie Stücke immer wieder neu interpretieren können.

Von Daniela Bode

Ihre Finger schweben und tanzen über die Tasten des Flügels. Die Übergänge von laut zu leise, schnell zu langsam sind fließend. Mitreißend spielen Vincent und Sophie Neeb aus Oberhaching vierhändig Maurice Ravels "Rhapsodie espagnole". Ihre Körper fast aneinandergeschmiegt verschmilzt auch ihr Spiel zu einem wunderbaren Klangerlebnis. Man kann spüren, zu welchen Leistungen der 17-jährige Vincent und seine zwei Jahre jüngere Schwester gemeinsam am Flügel fähig sind. Als Duo zählen sie zu den besten Jungpianisten in Europa. Das haben sie bei zahlreichen Wettbewerben bewiesen. Erst 2015 gewannen sie den WDR Klassikpreis der Stadt Münster und den ersten Preis beim Kammermusikwettbewerb der Stadt Bad Dürkheim. Aber auch als Solisten gehören sie mit zu den talentiertesten Jungmusikern in Deutschland.

Den Grundstein für diese Erfolge legten die Geschwister schon früh. Beide nehmen seit ihrem fünften Lebensjahr Klavierunterricht. Gerade Vincent verlangte laut seiner Mutter als kleines Kind immer nach Neuem. Normale Spielsachen entsprachen nicht seinen Bedürfnissen. "Es war toll. Durch das Klavierspielen war Vincent endlich mal gefordert. Ein Stück ist ja nie zu Ende", sagt sie.

Sie hat ihre Kinder an die Musik herangeführt, spielte selbst Querflöte und Klavier. Mittlerweile studieren die Geschwister neben dem Besuch des musischen Pestalozzi-Gymnasiums in München - Vincent bereitet sich gerade auf die mündliche Abiturprüfung vor - als Jungstudenten an der Hochschule für Musik und Theater in München das Fach Klavier. Vincent lernt bei Professor Markus Bellheim, Sophie bei Professorin Michaela Pühn.

Vincent arbeitete bereit mit den Münchner Sinfonikern zusammen

Die Geschwister sind nicht nur als Duo erfolgreich. Sie sind mindestens genauso oft als Solisten zu hören und bewiesen ebenfalls bei zahlreichen Wettbewerben ihr Können. Vincent gewann mehrere erste Preise bei "Jugend musiziert". Besonders herausragend: 2012 spielte er bei dem Konzert zum 30. Geburtstag von Lang Lang in der Berliner O2-Arena mit. Er hatte sich über ein eingeschicktes Klavier-Video qualifiziert. "Das war ein tolles Erlebnis", sagt er. Vincent arbeitete bereits mit diversen Orchestern zusammen, auch mit den Münchner Sinfonikern.

Seine Schwester gewann ebenfalls zahlreiche Preise bei "Jugend musiziert", gerade Mitte Mai den ersten Preis im Bundeswettbewerb gemeinsam mit einer Klarinettistin aus Erding. Die Begeisterung beider für das Piano ist ungebrochen: "Es ist so toll, weil es immer neue Sachen gibt, es ist viel vielseitiger als zum Beispiel Fußball, was immer der gleiche Sport ist", sagt Sophie. "Es macht einfach wahnsinnig viel Spaß, so lange zu üben, bis man eine Interpretation gefunden hat, die einem gefällt", sagt Vincent.

Ein Blick in das Programm des Klavierabends des Vereins Klavierkunst in Oberhaching, bei dem die Geschwister vor kurzem solo und als Duo auftraten, verrät, welch besonderen Anspruch sie haben. Natürlich spielen sie auch gerne Beethoven, Mozart und Chopin. Noch lieber mögen sie es aber Ungewöhnliches. "Wir mögen gerne Stücke, die nicht so oft gespielt werden", sagt Sophie. "Wir können uns von allen möglichen Sachen faszinieren lassen", sagt ihr Bruder. Und so bekommen ihre Zuhörer Stücke wie die Variationen über ein Thema von Robert Schuman opus 23 von Johannes Brahms oder Ravels "Rhapsodie espagnole" zu hören. Oder Franz Liszts Klaviersonate h-Moll, ein Werk, das etwa eine halbe Stunde lang dauert und als eines der anspruchsvollsten Stücke gilt, die man spielen kann. Vincent spielte es solo. "Es ist ein tolles Gefühl, dass ich es jetzt beherrsche", sagt er. Ein halbes Jahr hatte er geübt, bis er es zum ersten Mal vorspielte.

Vincent übt täglich fünf Stunden lang, auch gemesinam mit Sophie

Um so gut zu werden wie die Geschwister, erfordert es neben Talent auch viel Disziplin. Als die beiden noch klein waren, setzte sich ihre Mutter beim Üben daneben. 20 Minuten täglich waren es damals. In den vergangenen Jahren übte Vincent jeden Tag nach der Schule rund fünf Stunden, an den Wochenenden noch länger. Seine Schwester übt täglich zwischen Schule und Ballettunterricht - sie besucht zusätzlich zum Fach Klavier an der Musikhochschule die Ballettakademie - und abends, wenn sie nach Hause kommt sowie am Wochenende. Fast täglich üben die beiden auch zusammen. Der Schule kamen sie damit nie in die Quere, da sie sehr gute Noten haben.

Streit gibt es bei der Interpretation von Stücken nicht, nur konstruktive Diskussionen. "Wir haben von Natur aus sehr ähnliche Vorstellungen", sagt Sophie. Bei den Diskussionen geht es dann darum, ob ein Ton früher oder später gespielt werden soll, um einzelne Takte oder das Tempo, sagt Vincent. Um weiter zu kommen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein gehört nach Ansicht ihrer Mutter auch ein Quäntchen Glück dazu. Die Konkurrenz sei groß. Vincent erzählt vom Internationalen Klavierwettbewerb für Jungpianisten in Ettlingen 2014, als er zufrieden war mit seinem Spiel - bis er die vier Teilnehmer nach sich hörte. Entmutigen ließ er sich davon nicht. "Das war eine riesige Motivation", sagt er.

Das Lampenfieber haben sie im Griff

Nicht nur das Üben, auch die Konzerte und Wettbewerbe nehmen einen hohen Stellenwert in der Familie ein. Ausflüge und Wanderungen werden um die Termine herumgruppiert. Die Eltern begleiten ihre Kinder und fiebern mit, die Geschwister spielen manchmal vor bis zu 300 Leuten. Ihr Lampenfieber haben sie dank der Erfahrung und der einen oder anderen Übung gut im Griff.

Mehr als 20 Auftritte haben die Geschwister im Jahr, ein kleiner Teil davon sind Soloabende wie zuletzt das Konzert in Oberhaching. Nach ihrem Geschmack könnten es mehr sein. "Es ist aber schwierig, es gibt nicht so viele klassische Konzerte", sagt die Mutter. Auch in diesem Jahr stehen schon weitere Termine fest: So werden die Geschwister im August bei einem Meisterkurs am Mozarteum in Salzburg spielen und im Herbst beim Kammermusikabend im Odenwaldkreis.

Wie Sophie mit Ballett hat auch Vincent eine weitere große Leidenschaft: Die Mathematik. Mag sein, dass ihm das vom Vater in die Wiege gelegt wurde, der Mathematiker ist. Wie am Piano hat Vincent auch in Mathematik bereits zahlreiche Preise gewonnen. Da passt es gut, dass er nicht nur Klavier an der Musikhochschule in München studieren möchte - er übt schon für die Aufnahmeprüfung im Sommer -, sondern auch Mathematik. Sophie möchte vielleicht auch ein einmal ein musikalisches Fach studieren, nun steht im Sommer aber erst einmal eine wichtige Ballettprüfung an. Ein Wunsch des Duos ist es, einmal bei der Konzertreihe "Winners and Masters" im Gasteig zu spielen, die hochbegabten Musikern ein Sprungbrett für die Karriere bietet.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2016
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