Konzert:Lässige Überwinder der Schwerkraft

Konzert: Bernd Lhotzky, ganz links am Piano, hat für das Jazz Festival wieder viele großartige Musiker nach Oberhaching geholt, etwa Frank Roberscheuten, Malo Mazurié, Shannon Barnett und Frits Landesbergen (von links).

Bernd Lhotzky, ganz links am Piano, hat für das Jazz Festival wieder viele großartige Musiker nach Oberhaching geholt, etwa Frank Roberscheuten, Malo Mazurié, Shannon Barnett und Frits Landesbergen (von links).

(Foto: Claus Schunk)

Beim Jazz-Festival Oberhaching swingen und improvisieren zahlreiche Größen der Szene auf hohem Niveau und in wechselnden Besetzungen.

Von Udo Watter, Oberhaching

Chapeau! Das Oberhachinger Publikum spricht Französisch. Der Trompeter Malo Mazurié zeigte sich jedenfalls angenehm überrascht, dass ein erheblicher Teil der Zuhörer offenbar verstand, was er da auf der Bühne kurz von sich gab. "Incroyable", sagte der junge Mann aus der Bretagne. Mehr oder weniger unglaublich mutete bis dahin freilich auch schon das Zusammenspiel von Mazurié und Co. an diesem Abend an. Bernd Lhotzky, Leiter des Oberhachinger Jazz-Festivals, hatte ja nicht nur "lieb gewonnene Bekannte und fantastische Musiker" für die 16. Auflage angekündigt, sondern auch die beseelende Kraft des flexiblen virtuosen Dialogs: "Jazz ist lebendige Musik, immer in Bewegung, immer spannend. Wir wissen: Mit dem Swing überwindet man die Schwerkraft, die Improvisation befreit und macht glücklich."

Und in der Tat: Das hörte und sah man an diesem Auftaktabend des zweitägigen Festivals von der ersten Sekunde an. Neben Mazurié entfalteten da die beiden Australierinnen Nicki Parrott (Kontrabass) und Shannon Barnett (Posaune) sowie Frank Roberscheuten (Klarinette, Saxofon) sowie der Schlagzeuger und Vibrafonist Frits Landesbergen und Lhotzky selbst am Flügel stante pede einen großartig swingenden Sound.

Auch wenn man es schon öfter gehört hat, ist es dennoch immer wieder verblüffend, mit welch lässiger Leichtigkeit solche begnadeten klassischen Jazz-Musiker dialogisieren und sich innerhalb der Arrangements gegenseitig Raum geben für kurze solistische Glanzmomente. Nach vier Stücken mit dem mitreißenden Dixieland-Standard "That's a Plenty" zum Abschluss übergab das genannte Sextett erst mal an die nächste Combo - Lhotzky hatte für das Festival am Donnerstag und Freitag insgesamt noch zwölf namhafte Protagonisten der deutschen und internationalen Jazz-Szene engagiert, von denen die meisten (in wechselnden Besetzungen) an beiden Abenden auftraten.

Jetzt war die Reihe an Jörg Seidel (Gitarre, Gesang) und seine Mitspieler Thilo Wagner (Piano), Drummer Gregor Beck und Bassist Jean-Philippe Wadle. Ihr Auftritt war weniger von der klassischen und klangdichten Eleganz ihrer swingenden Vorspieler geprägt, als eine federnde Hommage an Jazz- oder R&B-Sänger wie Nat King Cole oder Georgie Fame. Seidel, ein versierter Gitarrist, zeigte als Sänger erstaunliche Scat-Qualitäten, konnte aber in puncto klassische Lyrics bei aller temporeich rhythmisierten Aussprache nicht ganz verbergen, dass er in Deutschland (Bremerhaven) geboren ist. Seine Energie und Begeisterung ob des Auftritts mit dem von ihm geschätzten Kollegen übertrug er auch in wortreiche Kommunikation mit dem Publikum.

Im zweiten Teil des Abends betrat dann auch die Saxofonistin Carolyn Breuer die Bühne. Die Münchnerin, die jenseits von effektvoller Virtuosität ihre melodischen Qualitäten vor allem durch wenige Töne und feines Nuancieren erschafft, arbeitet mit Lhotzky auch hin und wieder bei dessen Shakespeare-Projekt "As An Unperfect Actor" (mit Birgit Minichmayr) zusammen. Neben Stücken von Jerome Kern und George Gershwin spielte sie, im Verbund unter anderem mit Lhotzky, je eine Komposition des in Oberhaching aufgewachsenen Pianisten und aus ihrer Feder. Ihre Ballade "I know you" entfaltete eine fast schmerzhaft-schöne Melancholie - man konnte sich gut dabei vorstellen, als Fremder durch die verregneten Hochhausschluchten von Manhattan oder die nächtlich-einsamen Straßen von Deisenhofen zu streunen.

Das Zusammenwirken der großartigen Jazzer gelingt organisch und versiert

Nachdem anschließend noch die 2022 mit dem Deutschen Jazzpreis prämierte Shannon Barnett ihre erstaunlichen posaunistischen Solo-Qualitäten demonstriert hatte, avancierte ihre Landsfrau Nicki Parrott zur Protagonistin. Flankiert von diversen musikalischen Begleitern zeigte die Bassistin jetzt auch ihre sängerische Klasse. Die Australierin schaffte es dabei, zugleich Temperament und charismatische Extrovertiertheit wie auch reizvolle Zurückhaltung zu entfalten: Mit ihrer dunklen, samtenen und mitunter frechen Stimme meisterte sie Ella Fitzgeralds "A-Tisket, A-Tasket" genau so wie "Quizás, quizás, quizás" von Osvaldo Farres respektive in der englischen Version ("Perhaps, perhaps, perhaps") von Doris Day.

Ihre Darbietung von Michel Legrands "I will wait for you" aus dem Film "Die Regenschirme von Cherbourg" war noch mal ein tief berührendes Stück, bevor es mit Duke Ellingtons "It Don't Mean a Thing (If it Ain't Got That Swing)" noch mal so richtig abging. Alle Protagonisten des ersten Abends - für den zweiten war zusätzlich das Duo Lipa Majstrovic (Gesang) und Tizian Jost (Piano) verpflichtet - waren hier noch mal gemeinsam auf der Bühne. Jeder durfte noch mal kurz seine Technik, sein Gefühl für Präzision und Rhythmus zeigen, sein Gespür für Dialog und Phrasierung oder filigranes Besenspiel.

Klar, zu einem Abend mit viel Improvisation gehört auch der ein oder andere Moment des Unperfekten, aber generell machte es doch staunen, wie organisch und versiert so ein Zusammenwirken unter großartigen Jazzern gelingen kann. Chapeau.

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