Oberhaching:"Ich muss jetzt erst einmal gar nichts"

Als Kulturamtschefin sprühte Eva Hofmann vor Ideen. Die Zeit danach geht sie ruhiger an

Von Udo Watter, Oberhaching

Dem ersten Arbeitstag wohnte nicht gerade der Zauber des Anfangs inne. Eher die verstörende Kraft eines kleinen Kulturschocks: Eva Hofmann erinnert sich heute mit Schmunzeln daran, dass sie vor 22 Jahren, als sie ihren Job beim Oberhachinger Kulturamt antrat, gleich im dampfenden und blasmusikbeschallten Bierzelt eingesetzt wurde. Es war der Beginn der Festwoche zur 1250-Jahrfeier der Gemeinde und die Deisenhofener, Ödenpullacher, Further oder Oberbiberger waren stilgerecht in Tracht erschienen, manche Frauen gar mit Geranien im Dekolleté. "Frau Rumschöttel kann sich noch heute köstlich darüber amüsieren, weil mir das Entsetzen so deutlich anzusehen war", sagt Hofmann. Johanna Rumschöttel, die damals Kulturamtsleiterin in Oberhaching war - und 2008 zur Landrätin des Landkreises München avancierte -, setzte später noch einen drauf und behauptete Hofmann gegenüber, dass jede ihrer Mitarbeiterinnen ein Dienstdirndl bekomme. War natürlich nur ein Schmäh.

Hofmanns Arbeitstage fanden denn auch künftig im wesentlichen jenseits des Bierzelts statt: Sie waren oft intensiv, mitunter anstrengend, aber vielfach bereichernd und inspirierend - Kultur in all ihren Facetten. Die gebürtige Regensburgerin, die im April 2001 die Leitung des Kulturamts übernahm - Rumschöttel war da bereits Bürgermeisterin in Neubiberg - denkt gern an diese Zeit zurück. Sie hat jetzt auch mehr Zeit zum Nachdenken, denn sie hat Ende März ihren Abschied genommen.

Oberhaching: Sophie von Kessel liest von Eva Hofmann konzipierte Texte.

Sophie von Kessel liest von Eva Hofmann konzipierte Texte.

(Foto: Claus Schunk)

"Leicht gefallen ist mir das nicht", erklärt die 56-Jährige. Aber die Entscheidung kam nicht aus heiterem Himmel und wurde durch die coronabedingte Misere wohl nur beschleunigt: Hofmann hatte sich schon seit einigen Jahren beruflich ein wenig zurückgezogen und diverse Aufgaben ihrem Stellvertreter und jetzigen Nachfolger Volker Böhm überantwortet. Eine offizielle Verabschiedung von ihrem Oberhachinger Publikum steht aber ohnehin noch an: Für die auf den 19. Mai terminierte Veranstaltung "Jazz it up!", einem Abend über Jazz-Größen, hat Hofmann, die am Lehrstuhl für Amerikanistik in Regensburg über F. Scott Fitzgerald promoviert und als Dozentin gearbeitet hat, das Textkonzept geschrieben, welches die Musik des Trios von Pianist Bernd Lhotzky flankiert. Wann dieser Abend wirklich stattfinden kann, ist derzeit ungewiss, als Ausweichtermin ist der 15. Juli angesetzt. Hofmann selbst, die das Oberhachinger Publikum als "besonders kulturinteressiert" einschätzt, das "alles sehr genau wahrnimmt", wäre diese Art des persönlichen Abschied ein "echtes Bedürfnis".

Denn auch wenn sie Kulturamtsleiterin nicht als absoluten "Traumjob" ansieht - allein der organisatorische Aufwand ist ja nicht gerade gering - so hat sie in den vergangenen zwei Dekaden in Oberhaching mit Freude ein Florieren des Kulturlebens erlebt und mitgeprägt. "Es war eine Zeit, in der man viel entwickeln konnte, erinnert sie sich an ihre ersten Jahre als "Chefin". Nicht zuletzt wurden damals nacheinander der Bibliothekssaal und der Bürgersaal beim Forstner gebaut. Das Programm ist in den folgenden Jahren genauso gewachsen wie die Besucherzahlen. Dazu erweiterte Hofmann das Kulturamt-Team um Volker Böhm, später um Christine Krogmann, Ariane Remy und Alena Laux. "Unser kleines Team war und ist schon etwas Besonderes", sagt Hofmann. "Wir sind alle fest entschlossen, weiterhin in regelmäßigem Kontakt zu bleiben."

Oberhaching: Eva Hofmann ist eher kamerascheu - hier ein Bild von 2010 - sie entfaltet sich lieber literarisch.

Eva Hofmann ist eher kamerascheu - hier ein Bild von 2010 - sie entfaltet sich lieber literarisch.

(Foto: Claus Schunk)

Besonders war auch immer die Zusammenarbeit mit Bernd und Isabel Lhotzky, die für zwei spezielle Oberhachinger Festivals künstlerisch verantwortlich zeichnen: Das Jazzfestival und das Festival für Kammermusik, Literatur und Weltmusik (ehemals Kammermusikfestival). Während ersteres nach einem Brand auf Schloss Elmau, wo Bernd Lhotzky es ursprünglich veranstaltete, eine Ausweichstätte und neue Heimat im damals jungen Forstnersaal fand, entwickelten Isabel Lhotzky und Hofmann für das zweite Festival vor einigen Jahren ein neues Format: Inspiriert von der Idee, musikalische Lesungen zu inszenieren, kam man auf das Paar F. Scott und Zelda Fitzgerald und das "Jazz Age". Beim Brainstorming fragte irgendwann Lhotzky die ideensprühende Hofmann: "Warum schreibst du das nicht gleich selbst?" Hofmann ließ sich überreden und so entstand das erste Konzept, das dann allerdings beim 10. Jazz Festival aufgeführt wurde, mit Sophie von Kessel und Dominic Raacke als Sprecher. Von da an entwarf Hofmann jedes Jahr ein neues Textkonzept für die zwei Festivals: über Thomas Mann und seine Familie, Oscar Wilde, Picasso und seine Frauen, aber auch Duke Ellington und über "Americans in Paris". "Diese Arbeiten waren unglaublich zeitintensiv, aber auch ein ganz großes Vergnügen für mich - eine Art Rückbesinnung auf meine literaturwissenschaftlichen Wurzeln", sagt sie. Natürlich gab es auch viele andere Höhepunkte, die Nähe zu den Künstlern, besondere Vorstellungen. "Ich bin immer euphorisch nach Hause gefahren, wenn drei Dinge zusammenkamen: Wenn das Publikum begeistert war, die Künstler glücklich und ich selbst mit allem auf und hinter der Bühne rundum zufrieden sein konnte. Das war erfreulicherweise sehr häufig der Fall", sagt Hofmann. Es musste dabei nicht immer der Auftritt von Prominenten sein wie Django Asül mit dem sie sich schon mal über die "Schönheit von Felgen" unterhielt, sondern auch kleinere Veranstaltungen wie die von ihr konzipierte Reihe "Musik & Antipasti" im Bibliothekssaal.

Jetzt hat Hofmann, die über Literatur sagt, sie sei "der reichhaltigste Spiegel alles Menschlichen", mehr Freiraum. Will sie einen Roman schreiben? "Ich bekomme gerade viele Ratschläge von Freunden, die sagen: Du musst das, du musst das...", so Hofmann. "Das Schöne ist, ich muss jetzt erst einmal gar nichts."

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