Draußen auf der nassen Wiese ist soeben ein Turm aus Bierträgern umgekippt, die darob unglückliche Staplerin der Further Burschen hängt mit weit aufgesperrten Augen, aber gesichert an einem Seil in luftiger Höhe. Drinnen im Festzelt versuchen sich zur selben Zeit zwei Mitglieder der Oberhachinger Moastaschützen etwas glücklos beim Baumsägen, während ein sehr stolzer Bürgermeister etwas abseits des Gejohles schon einmal vorläufige Bilanz der Festwoche zum 1275-jährigen Bestehens der Gemeinde zieht.
„Alles super gelaufen“, sagt Stefan Schelle am Sonntag am Rande des Gaudi-Zehnkampfes, dem letzten Programmpunkt der an Höhepunkten reichen Veranstaltungsreihe. Nein, der Regen habe den Veranstaltern der zwölftägigen Feierlichkeiten keinen Strich durch die Rechnung gemacht, sagt der Bürgermeister: „Wir hatten riesiges Glück.“
Dabei sind in der Gemeinde mehrere Keller vollgelaufen, und mehrere Sandsäcke vor dem Eingang lassen den Schluss zu, dass Petrus das Festgelände nicht gänzlich gegen die Wassermassen abgeschirmt und ein paar Tropfen durchgelassen hat. Aber laut Schelle hat der Fronleichnamszug am Donnerstag den halben Ort auf die Beine gebracht, der Auftritt des Kabarettisten Wolfgang Krebs sei sensationell gewesen, bei der Abba-Nacht sei das Zelt bereits nach zehn Minuten bis auf den letzten der 1600 Plätze gefüllt gewesen.
Und was den Bürgermeister nach eigenen Worten am meisten beeindruckt hat, das war die Zeitreise, bei der sich mehr als 600 Kinder auf lustige Weise mit der Geschichte ihre Ortes beschäftigt haben. Und dann schwärmte Schelle noch von dem großen Klassentreffen, zu dem Hunderte Seniorinnen und Senioren jene Tische aufgesucht haben, auf denen das Schild mit dem passenden Einschulungsjahr stand. „Da entsteht etwas, die Leute haben teilweise geweint vor Freude“, sagt Schelle. Ein alter Oberhachinger sei sogar bis von Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin nach Oberhaching gereist.
Aber auch eine Gruppe von Schotten hat es ins Festzelt verschlagen. Sie sind eigentlich gekommen, um sich das EM-Spiel ihrer Nationalmannschaft gegen die deutsche Elf anzuschauen und sich selbst in einem Freundschaftsspiel mit den Münchner Löwen zu messen. Aber nun versuchen sie sich im Gaudi-Zehnkampf. Es versteht sich, dass die stets lustigen Schotten ein ums andere Mal die Frage der Frage beantworten mussten: „Trägst du etwas unter dem Rock?“ „Definitely no“, lautete stets die Antwort. Die einzige Möglichkeit, Licht unter den Rock zu bringen, hätte sich beim Bierträgerstapeln geboten, da ja einer der Schotten ganz oben auf dem stets wachsenden Trägerstapel stehen muss. Doch der windet das Sicherungsseil um seine Beine, sodass kein Blick möglich ist.
Dass die Schotten bei der Bierverkostung keines der fünf vorgesetzten Biere bestimmen können, tragen sie mit Fassung – Hauptsache es schmeckt. Aber beim Wettsägen versagen sie ebenfalls, brauchen fünf Minuten, bis der Baumstamm durchgesägt war. „Die Schnellsten benötigten knapp über eine Minute. Fürs Waldsterben tragen sie jedenfalls keine Schuld“, witzelt Moderator Josef Feichtmaier. Nach zehn Disziplinen sind die Schotten Letzte, was ihrer Freude freilich keinen Abbruch tut: „Das beste Fest meines Lebens“, sagt gar einer der glücklichen Verlierer.
Natürlich gibt es einige Favoritensiege in den einzelnen Disziplinen, etwa beim Biertest. Alle fünf Sorten bestimmen können nur die Fünf von der Hopfentruppe, bestehend aus Mitarbeitern der örtlichen Brauereigenossenschaft, und jene vom Burschenverein Deisenhofen, die freilich beide zuletzt genug Anlässe zum Trainieren gehabt haben. Wenn es wieder laut wird im Zelt, dann läuft gerade wieder ein Zweikampf im Masskrugstemmen.
Technik versus Kraft lauten hier oftmals die Paarungen, und oft gewinnen die Techniker, während die Kraftbolzen ungläubig dreinschauen und schließlich mit verzerrtem Gesichtsausdruck den vollen Krug abstellen müssen. Ebenso laut werden kann es beim Wettmelken an einer Kuhattrappe, wo es am Ende um jeden Tropfen Milch geht, den man aus den Plastikzitzen mit Fingerkraft pressen muss. Gesamtsieger sind am Ende die Deisenhofener Burschen mit 757 Punkten vor den Oberbiberger Schützen mit 718 und den Further und Oberhachinger Burschen mit 709. Sie erhalten Gutscheine im Wert von 500, 300 und 150 Euro für einen Besuch der Kugler-Alm.
Die Begnadeten beim Nageln, die Feuerwehr beim Melken, die Burschen beim Masskrugschieben, die Bestia Negra (katholischer Pfarrverband) beim Zielschießen und alles zur gleichen Zeit – es ist wirklich etwas geboten am letzten Festsonntag, und nicht nur für die Großen. Die kleinen Gäste vergnügen sich an einem riesigen Fußballdartspiel, wirbeln in der Hüpfburg, stehen als Zugführer auf einer Minibahn ihren Mann oder versuchen sich, wenn die Großen durch sind, selbst beim Hufeisen-Zielwerfen. Es ist ein überaus gelungenes Familienfest zum Abschluss der Feierlichkeiten. Den letzten Kraftakt aber hat Bürgermeister Schelle für sich selbst aufgespart: Zusammen mit dem schlagfertigen Conférencier Feichtmaier tritt er außer Konkurrenz im Baumstammsägen an. Mit ihrer Zeit wären sie glatt Drittbeste geworden.