Erneuerbare Energien:Kartoffelernte unter den Solarmodulen

Erneuerbare Energien: Rund um die Photovoltaik-Anlage der Bürger-Energie in Unterhaching weiden Schafe. Es gibt aber auch bereits Experimente mit Ackerbau unter den Modulen.

Rund um die Photovoltaik-Anlage der Bürger-Energie in Unterhaching weiden Schafe. Es gibt aber auch bereits Experimente mit Ackerbau unter den Modulen.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Oberhaching will in großem Stil Sonnenstrom produzieren und plant an der Giesinger Autobahn die erste Freiflächenanlage. Um Landwirte für weitere Projekte zu gewinnen, setzt die Gemeinde auf Agri-Photovoltaik.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Die Gemeinde Oberhaching hat das Feld bereitet, um auf eigener Flur Strom zu erzeugen. Nahe der Anschlussstelle zur Giesinger Autobahn A 995 könnten 1869 Solarmodule errichtet werden. Denn das Pöttinger Feld soll jetzt nicht mehr Acker sein, sondern ein "sonstiges Sondergebiet". Ganz einfach ist das nicht. Aufstellung des Bebauungsplans, Änderung des Flächennutzungsplans, Schaffung von Ausgleichsflächen - all das ist notwendig, um eine Photovoltaik-Freiflächenanlage zu installieren. Und das dauert Monate, wenn nicht Jahre - Zeit, die man eigentlich nicht hat.

Bei der Bürger-Energie-Genossenschaft in Unterhaching, die zwei Anlagen nahe der Autobahn A 8 betreibt, weiß man, wie aufwendig die Verfahren sind. Vorstandsmitglied Andreas Wolf sagte kürzlich bei der Versammlung der örtlichen Agenda 21, dass man mindestens mit zwölf Monaten rechnen müsse. Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) berichtete von Gemeinden im nördlichen Landkreis München, die drei bis fünf Jahre lang gewartet hätten und sagte: "Ich hoffe, dass es bei uns schneller geht."

"Wir haben über Jahrzehnte alles verpennt. Wir müssen alles bauen, was geht, wir haben keine Zeit mehr."

Der Oberhachinger Gemeinderat hat sich jetzt mit einem einstimmigen Beschluss auf den Weg gemacht, wohl wissend, dass auf dem 1,5 Hektar großen gemeindeeigenen Areal nur ein Bruchteil des in der Kommune benötigten Stroms produziert werden kann. Die Grünen hätten daher gerne gleich im gesamte Gemeindegebiet geeigneten Grundstücke ermittelt und eine Änderung im Flächennutzungsplan überprüft. Auch Erwin Knapek von der SPD mahnte zur Eile: "Wir haben über Jahrzehnte alles verpennt. Wir müssen alles bauen, was geht, wir haben keine Zeit mehr", sagte er. Immerhin: Auf den Dächern des neuen Schulcampus am Bahnhof Deisenhofen wird eine ähnlich große Anlage entstehen. Claus Katzer von den Grünen rechnete vor: Auf dem jetzt ausgewiesenen Pöttinger Feld lässt sich im Jahr eine Gigawattstunde Strom erzeugen. Der Bedarf von Oberhaching liege aber bei 45 Gigawattstunden.

Der Vorteil von Freiflächen-Anlagen im Vergleich zu Modulen auf Dächern ist meist nicht nur die schlichte Größe, sie eignen sich auch besser für eine Bürgerbeteiligung, wie Schelle betonte. Bremsklotz bei solchen Überlegungen ist nach wie vor der Mangel an verfügbaren Flächen. Denn die meisten geeigneten Areale sind nun mal in privater Hand. Landwirte davon zu überzeugen, statt auf Maisanbau zukünftig auf Stromproduktion zu setzen, ist schwierig, weiß man bei der Bürgerenergie Unterhaching, die ständig händeringend nach neuen Flächen sucht. Problematisch dabei war bislang auch, dass Grünland, welches sich zumeist unter den Modulen befindet, erst im kommenden Jahr besser gefördert wird. Zudem müssen aktuell noch für die mit Photovoltaik bestückten Bereiche anderswo Ausgleichsflächen geschaffen werden.

In Oberhaching hofft man, dass sich im Laufe des Verfahrens in der Gesetzgebung noch etwas ändert und auch die Flächen unter den Modulen für den Ausgleich anerkannt werden, zumal der bislang arten- und strukturarme Standort ökologisch aufgewertet und zu blütenreichem Grünland entwickelt werden soll. Ob aber das ausreicht, um Landwirte von Photovoltaik auf ihren Flächen zu überzeugen, ist ungewiss. Schelle gab an, derzeit zumindest mit noch einem Eigentümer im Gespräch zu sein. Eine Möglichkeit, mehr Flächen zu generieren, könnte der Anbau von Gemüse unter den Modulen sein, kam der Vorschlag aus dem Gremium.

Bislang sieht man auf Freiflächen-Anlagen immer nur ein paar Schafe weiden. Und so stellen sich die Landwirte meist die Frage: Was ist wichtiger: Nahrungsmittel oder Energie? Wie Ackerbau und Photovoltaik vereinbart werden können, wird bislang nur vereinzelt ausprobiert. Bei der Bürgerenergie Unterhaching weiß man von 17 Anlagen in Deutschland, bei denen entweder die Module klappbar sind, damit der Traktor durchkommt, oder die gleich aufrecht angeordnet sind, um im Zwischenraum genügend Platz für den Anbau zu haben. Wie solche Agrikultur zukünftig auch unter den hoch angebrachten Modulen funktionieren kann, wird derzeit vom Fraunhofer Institut in einem großen Forschungsprojekt im niederbayerischen Straßkirchen getestet.

Wolf und sein Vorstandskollege Ulrich Schnitzler von der Bürgerenergie machten bei ihrem Vortrag bei der Agenda 21 aber auch deutlich, dass bei sogenannten Agri-Photovoltaikanlagen der Anbau einiger Pflanzen, etwa Mais und Getreide, nicht funktioniert. Vielmehr ist diese Art der Landwirtschaft etwas für Kartoffeln, Spinat, Salat und Ackerbohnen, die mehr Schatten vertragen. Andererseits habe der Landwirt bei diesem Modell immer noch die Einnahmen aus der Stromproduktion, wenn die Ernte mal nicht so gut ausfalle. Und weil vor allem Gemüse unter der Photovoltaik gut gedeiht, denkt Oberhachings Bürgermeister Schelle an eine weitere Option: "Es wäre vielleicht eine gute Idee, die Kleingärtner zu integrieren."

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