Süddeutsche Zeitung

Barockoper in Oberhaching:Feenzwist im Zauberwald

Oberhachinger zeigen Purcells Oper "The Fairy Queen" nach Shakespeares "Sommernachtstraum" im Gleißental. Die Inszenierung ist eine Premiere und lebt vom Ensemble und der Naturkulisse.

Von Udo Watter, Oberhaching

Die Wirkung des Zaubersaftes verleiht dem Lysander Flügel. Wie ein Irrwisch rennt er seiner angebeteten Helena hinterher: den steilen Pfad hinauf, über Wurzeln und Steine, oben an der Felswand entlang, wo sich hohe Bäume spektakulär über den Abbruch recken.

"Bleibt stehen", schreit er. Aber Helena, verstört von Lysanders plötzlicher Entflammung, entzieht sich mit schnellen Schritten den Zudringlichkeiten ihrer Verehrers. Unten, 15 Meter tiefer auf der Bühne am Boden, rätseln derweil Hermia und Demetrius, was in Lysander gefahren sein könnte und wie verwirrend doch die Liebe sei.

Es ist ein wunderbares Bild, ein Breitwandmoment, den das Publikum vor der Felsenkulisse des ehemaligen Steinbruchs im Gleißental auf zwei Ebenen genießen darf. Regisseurin Ricarda Geary, die für die Inszenierung von Henry Purcells Oper "The Fairy Queen" an diesem idyllischen Ort verantwortlich zeichnet, nutzt das Ambiente weidlich aus. Zu recht gab es spontanen Applaus für diese herrlich übermütige Szene bei der Premiere am Mittwochabend (der "running gag" einer ausgedehnten Verfolgungsjagd kam noch öfter). Und im Anschluss gab's gleich noch ein anmutig-lustiges Ballett-Intermezzo von jungen Elevinnen der Ballettschule Stüker.

Der perfekte Schauplatz

Dass die Oberhachinger gerne Opernproduktionen auf die Beine stellen, haben sie in vergangenen Jahren bewiesen, nur ist heuer nicht die Maschinenhalle in Ödenpullach der Schauplatz, sondern die Open-Air-Bühne im Gleißental. Perfekt, wenn man bedenkt, dass die 1692 uraufgeführte Oper "The Fairy Queen" auf Shakespeares "Sommernachtstraum " basiert - und der Handlungsort ein verzauberter Wald ist.

Purcells Werk ist freilich eine so genante Semi-Oper, ein Barockspektakel, bei der sich Schauspielszenen, Tanz und Musik abwechseln, Vorspiele, Arien, Balladen, Chorwerke (auf Englisch) mit komödiantischen Einlagen. Es ist eine variantenreiche Mischung, dargeboten von Kammerorchester und Kammerchor Oberhaching sowie Solisten, die sowohl schauspielerisch wie sängerisch gefordert waren. Die Handlung ist ein bisschen verzwickt: Die Feenkönigin Titania (Andrea Oswald) und ihr Gemahl Oberon (Peter Pichler) streiten um das "indisch' Kind" (Finbarr Geary) - beide wollen es unter ihre Fittiche nehmen.

Oberons Diener Puck träufelt der schlafenenden Titania den eingangs erwähnten Zaubersaft über die Augen, woraufhin sie sich in einen Handwerker mit Eselskopf verliebt. Nebenher gibt es noch diverse Liebesverwirrungen um die jungen Protagonisten Lysander (Christian Franz Silys), Hermia (Annika Meitinger), Demetrius (Lucas Anetzberger) und Helena (Hennika Grassmann), die teils in den Bann des Zaubersaftes geraten. Dazu kommen sechs Handwerker, die ein Stück im Stück aufführen sollen, sich dabei aber entwaffnend dämlich anstellen, bis einer von ihnen, Zettl, (stark: Sebastian Weidenthaler) einen Eselskopf von Puck angezaubert bekommt.

Das Geschehen, das zwischen Gefühlschaos, Begehren und Klamauk changiert, unterhält die rund 250 Besucher prächtig - zum einen, weil die Inszenierung temporeich ist und gut choreografiert. Zum anderen sind die Darsteller durchweg einnehmend. Die Sopranistin Andrea Oswald und Bass-Bariton Ludwig Pichler überzeugen als Königspaar nicht nur sängerisch, sondern auch auf dramatischer Ebene.

Andreas Pehl hat diebische Freude an seiner Rolle als Puck und beeindruckt als Countertenor mit packender Falsett-Stimme, auch im Duett mit Pichler. Die vier Jungspunde überzeugen ebenfalls - sängerisch fällt Sopranistin Meitinger besonders auf. Erwähnt seien noch die spielfreudigen Handwerker sowie Dirigent Gerold Huber; er hatte es zwar nicht immer ganz leicht, Orchester und Chor, Sänger und Ballett auf großem Raum zu synchronisieren, aber die musikalische Leitung war bei ihm in souveränen Händen. Klangschön agierte zudem der Chor, der im Waldgeister-Gewand das Geschehen begleitete. Am Ende sangen einige Mitglieder sogar von ganz oben herab.

Weitere Vorstellungen am Samstag und Sonntag, 8. und 9. Juli, Beginn jeweils 19 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 07.07.2017/belo
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