Oberhaching:Des Meisters Sklavinnen

Oberhaching: Aus Biografien, Briefen und Notizen lässt Brigitte Hobmeier das Bild eines Menschen entstehen, der mal Genie, mal Menschenfresser ist.

Aus Biografien, Briefen und Notizen lässt Brigitte Hobmeier das Bild eines Menschen entstehen, der mal Genie, mal Menschenfresser ist.

(Foto: Claus Schunk)

Brigitte Hobmeier arrangiert in Oberhaching eine fesselnde Lesung über den Maler Pablo Picasso und seine Frauen

Von Christina Hertel, Oberhaching

Picasso sei wie ein Sonnengott gewesen, um den die Frauen wie Planeten ihre Bahnen zogen - sofern er nicht beschloss, sie verglühen zu lassen. So beschreibt Olivier Widmaier Picasso seinen Großvater und dieses Zitat trägt die Schauspielerin Brigitte Hobmeier am Anfang eines literarisch-musikalischen Abends in Oberhaching vor, der sich dem Maler nicht über seine Kunst anzunähern versucht, sondern über seine Liebschaften. Aus ihnen schöpfte er seine Inspirationen, doch für die Frauen gingen sie selten gut aus: Eine erhängte sich, eine erschoss sich, zwei lebten nach den Trennungen einsam, verletzt oder depressiv bis zu ihrem Tod. Nur eine, die Malerin Françoise Gilot, trennte sich aus eigenem Willen von dem Künstler.

Aus Biografien, Briefen und Notizen von Picassos Geliebten, Enkeln, Freunden und von ihm selbst las Brigitte Hobmeier am Freitagabend im Oberhachinger Bürgersaal vor. Der Zuschauer konnte aus all diesen Fragmenten ein Bild von dem Maler zusammensetzen. Im besten Falle bleibt das eines großen Künstlers, der selbst liebte wie ein Narr, was seiner Kunst zugute kam, weil sich aus Langweiligem, Beliebigem und einem leidenschaftslosen Leben nun mal nichts Großes erschaffen lässt. Im schlimmsten Fall ging man nach Hause und hatte das Bild eines Menschenfresser im Kopf, der Frauen benutzte, bis er aus ihnen keine Inspiration mehr herauspressen konnte, sich dann in eine neue Affäre stürzte. Zeit darüber nachzudenken, für welches dieser beiden Bilder man sich entscheiden möchte, hatte der Zuhörer zwischendurch immer wieder in musikalischen Unterbrechungen mit Rita Rózsa an der Violine, Isabel Lhotzky am Klavier und Jan-Frederick Behrend an den Perkussions. Während der Stücke - mal träumerisch, mal energiegeladen, mal melancholisch - konnte man Picasso vor sich sehen: gerade mal 1,65 Meter groß, ein Mann, der, wie ihn seine erste Partnerin Fernande Olivier beschrieb, eine Mischung aus Bohème und Arbeiter gewesen sein soll, etwas untersetzt mit einer schwarzen Locke in der Stirn, eigentlich nicht besonders attraktiv, aber mit einem eindringlichen Blick. Er ließ Frauen, in die er sich verliebte, so lange nicht in Ruhe, bis sie sich auf ihn einließen. Für Fernande Olivier errichtete er eine Art Schrein. Mit ihr glitt Picasso von der blauen in die rosa Periode. Seine Bilder, die zuvor androgyne, dürre Frauen, Bettler, Trinker und Kummer zeigten, wurden sinnlicher und optimistischer, selbst wenn das Paar in dieser Zeit nichts hatte außer sich und die Kunst. Im Winter blieb Fernande Olivier oft tagelang im Bett, weil kein Geld da war für Kohlen oder Schuhe. Beide bestellten sich Essen vom Markt, taten dann so, als seien sie nicht Zuhause, warteten, bis der Händler den Korb vor der Türe abstellte, um ihn dann heimlich zu holen und ein paar Tage später zu bezahlen.

Doch als sich das Paar schließlich ein Dienstmädchen mit weißer Schürze, ein Bett mit Kupferpfosten, ein Klavier und eine große Wohnung leisten kann, schwindet im gleichen Maße, wie der Wohlstand steigt, ihre Liebe, und neue Frauen, neue Epochen treten in Picassos Leben: Mit Eva Gouel kommt der Kubismus, danach mit der russischen Tänzerin Olga Khokhlowa werden die Werke klassizistischer. Darauf folgt Marie-Thérèse Walther, gerade einmal 17 Jahre alt, als sie den damals 46-jährigen Maler kennenlernt. Nach einer Zeit beginnt er gleichzeitig eine Affäre mit der Fotografin Dora Maar. Dora Maar bleibt acht Jahre lang seine Geliebte, bis die nächste Frau in sein Leben tritt: die Malerin Françoise Gilot. Als Dora Maar davon erfährt, bekommt sie Angstzustände, hysterische Anfälle. Einmal in einem Filmtheater so stark, dass die Polizei anrückt. Sie verfällt in Depressionen, gibt das Fotografieren auf und stirbt einsam. Marie-Thérèse Walther erhängt sich sogar, als er sie verlässt.

Und auch seine letzte Ehefrau Jacqueline Roque, mit der er 20 Jahre lang zusammen ist, will nach seinem Tod nicht weiterleben. Sie erschießt sich, nachdem sie noch eine Picasso-Ausstellung arrangiert hat. Jaqueline Roque kümmert sich um ihn bis zur Erschöpfung, nennt ihn "Herr Meister" und duzt ihn nie in der Öffentlichkeit.

Doch warum blieben all die Frauen bei ihm, weshalb liebten sie den Künstler bis zur Selbstaufgabe? Die Antwort bekommt man von Françoise Gilot, der einzigen Frau, die ihn verließ, weil sie nicht länger "seine Sklavin" sein wollte: Picasso sei die größte Leidenschaft ihres Lebens gewesen, sagte sie in einem Interview mit dem SZ-Magazin  .

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