Süddeutsche Zeitung

Oberhaching:Früher war mehr Grün

Gartenbauverein, Bund Naturschutz und die ortsansässige Isus-Stiftung beklagen den Verlust alter Bäume in Oberhaching. Mit einer Umfrage wollen sie jetzt die Stimmung in der Bevölkerung ermitteln und für einen besseren Schutz werben.

Von Conie Morarescu, Oberhaching

Wie wichtig den Oberhachingern ihre alten Bäume sind, wollen Bund Naturschutz, Gartenbauverein und die Isus-Stiftung herausfinden. Die drei Organisationen haben gemeinsam eine Umfrage gestartet, um das Stimmungsbild im Ort aufzufangen. Bis zum 15. März können die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde teilnehmen.

"Früher hatten wir viel mehr schöne alte Bäume. Wenn ich auf die Straße geschaut habe, war es überall grün", erinnert sich Franz Schmid. Seit 1975 ist der 77-jährige Oberhachinger Baumwart beim Verkehrs- und Gartenbauverein Oberhaching aktiv. Er kümmert sich für den Bund Naturschutz um die Streuobstwiese am Ortsrand, aber auch um die Obstbäume und Hecken der Vereinsmitglieder. "Wenn heute gebaut wird, müssen alte Bäume oft weichen", bedauert Schmid.

Ersatzpflanzungen nötig

In der Tat gelte häufig Baurecht vor Baumrecht, bestätigt Martin Weidenhiller. Er ist der Ansprechpartner in der Gemeinde, wenn es um Landschafts- und Naturschutz geht. "Sollte es sich nicht vermeiden lassen, dass ein Baum wegen eines Bauvorhabens gefällt wird, muss als Ersatz ein Baum an anderer Stelle gepflanzt werden", ergänzt der Forstwirt. Wenn es einem Baum nicht gut geht oder er aus anderen Gründen gefällt werden soll, wird Martin Weidenhiller gerufen. Er prüft dann den Zustand des Baumes. In der Gemeinde sei man sehr bemüht, alte Bäume zu erhalten, sagt er. Doch in den vergangenen Jahren würden immer mehr Bäume unter den Klimaveränderungen leiden.

In Oberhaching gibt es keine Baumschutzverordnung. Kommunen können selbst entscheiden, ob sie Regeln zum Schutz der Bäume erlassen oder nicht. In einer Verordnung wird dann festgelegt, dass Bäume ab einem bestimmten Umfang nicht mehr gefällt werden dürfen, bei Missachtung drohen Geldstrafen. Im Landkreis gibt es aktuell in Grünwald, Haar, Hohenbrunn, Neubiberg, Neuried, Ottobrunn, Planegg, Pullach, Schäftlarn, Taufkirchen, Unterföhring, Unterhaching und Unterschleißheim eine rechtskräftige Baumschutzverordnung, in Oberschleißheim wird gerade eine erlassen. Seit Jahrzehnten wird dieses Thema immer wieder auch im Oberhachinger Gemeinderat diskutiert.

Ulrike Sauer ist Vorsitzende des Gartenbauvereins und hat die Isus-Stiftung gegründet. Die gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Oberhaching unterstützt Projekte und Initiativen, die nachhaltige Ideen umsetzen. Sauer wünscht sich, dass ortsprägende Bäume mehr in den Fokus geraten: "Immer wieder werden alte Bäume gefällt oder ganz stark zurück geschnitten, weil sie als lästig empfunden werden. Häufig wird auch die Verkehrssicherheit vorgeschoben. Das darf nicht sein."

Mit einer Umfrage soll nun das Stimmungsbild in der Bevölkerung aufgefangen werden. "Nur wenn das Thema den Oberhachingern wirklich wichtig ist, wollen wir weitere Maßnahmen einleiten", sagt Gerhard Mebus von der Ortsgruppe des Bundes Naturschutz. Dazu gehöre zum Beispiel eine Kartierung des alten Baumbestands im Ort oder mehr Unterstützung für Besitzer alter Bäume.

Bürgermeister hält Verordnung nicht für zielführend

Dass den Oberhachingern die alten Bäume viel bedeuten, daran zweifelt Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) nicht: "Wenn Bäume im Ort gefällt werden, klingelt bei mir meistens das Telefon. Die Bürger sind dann besorgt und fragen nach, warum der Baum gefällt wird." In seinen Augen ist eine Verordnung aber nicht zielführend: "Es ist wichtiger, dass die Menschen sich selbst vor ihre Bäume stellen, dass sie den Wert der Bäume erkennen und stolz auf ihren Hausbaum sind." Das könne man nicht mit Regeln erzwingen.

Von der alten Tradition, einen Hausbaum zu pflanzen, erzählt Baumwart Franz Schmid: "Früher hat man immer einen Baum auf dem Grundstück gepflanzt. Den Hausbaum durfte man nicht fällen, weil er zum Haus dazu gehört hat. Er ist über Generationen auf dem Grundstück geblieben." Heute fallen Bäume der Verdichtung des Wohnraums zum Opfer, das räumt auch Bürgermeister Schelle ein: "Wenn Einfamilienhäuser abgerissen werden und Mehrparteienobjekte entstehen, dann kann man oft nicht vermeiden, dass Bäume gefällt werden."

Dass es keine Baumschutzverordnung gibt, bedeute jedoch nicht, dass es keine geschützten Bäume im Ort gibt. Ortsbildprägende Bäume dürfen in Oberhaching nicht gefällt werden. Welcher Baum ortsbildprägend ist, liegt im Ermessen der Gemeinde. Wird ein Baum als solcher erklärt, kann die Gemeinde dem Bauherrn im Ernstfall das Baurecht entziehen. Auch das Landratsamt kann Bäume als Naturdenkmal unter Schutz stellen. Ein Beispiel ist die schätzungsweise über 400 Jahre alte Eiche in der Bergstraße, die dort viele Generationen überdauert hat. Die Besitzerin des Grundstücks, die mittlerweile gestorben ist, hatte sich stark dafür eingesetzt, dass die Eiche unter Schutz gestellt wird. Selbst das Baurecht kann diesem Baumriesen nichts mehr anhaben.

Oberhachinger, die zum Stimmungsbild beitragen möchten, können bis zum 15. März an der Umfrage auf der Internetseite der Isus-Stiftung www.isusstiftung.de teilnehmen.

In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Ulrike Sauer der Meinung ist, dass eine Baumschutzverordnung eingeführt werden sollte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5229797
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.03.2021/sab
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.