Oberföhring:Schuften auf der Lehmzunge

Vorstellung des neuen Themen-Geschichtspfads Ziegeleien im Münchner Osten im Trockenstadl der Alten Ziegelei Oberföhring

Spurensuche: Neuer Themen-Geschichtspfad im Trockenstadl der Alten Ziegelei in Oberföhring.

(Foto: Florian Peljak)

Eine Broschüre beschäftigt sich mit den Ziegeleien im Münchner Osten

Von Renate Winkler-Schlang, Oberföhring

Ein Ziegeldach auf Ständern, in der luftigen Halle ohne Wände stehen alte Holzregale: Hier konnten die Bausteine aus Lehm trocknen, ehe die bitterarmen Saisonarbeiter aus dem Friaul sie in den Ringofen schoben zum Brennen. Beinahe wäre auch dieses Relikt der Ziegeleien-Vergangenheit in Oberföhring verschwunden, der Verein Nordostkultur hat es gerettet. Der ideale Ort war der Trockenstadel an der Straße Zur alten Ziegelei am Freitag, um eine kleine Broschüre vorzustellen (im Internet www.muenchen.de/tgp), welche die spannende Geschichte der Ziegel-Industrie zwischen Ramersdorf und Oberföhring im wahrsten Sinn "erfahrbar" macht: Die Historikerin Anita Kuisle hat für das städtische Kulturreferat ein Büchlein aus der Reihe "Themengeschichtspfad" zu den Ziegeleien erarbeitet; es ist eine reich bebilderte Anleitung zur Spurensuche. Drei Radtouren schlägt Kuisle vor: Im Süden reicht die erste von Ramersdorf bis Berg am Laim. Die zweite umfasst Bogenhausen und Haidhausen; die Tour Nord führt nach Denning, Bogenhausen, Englschalking, Johanneskirchen und Oberföhring.

Abgeziegelt - so nannten es die Lehmbarone, wenn eine Landzunge des wertvollen Materials ausgebeutet und veredelt worden war. Dann mussten die Arbeiter in der nächsten Saison ein wenig weiter nach Norden ziehen. Rund 100 Ziegeleien hat es gegeben im Münchner Osten, jedoch nicht gleichzeitig. Viele sind zu sehen auf einem Luftbild, das 1918 aufgenommen wurde. Weil das Areal nach dem Abziegeln wertvolles Bauland wurde, verschwanden diese Produktionsstätten. Kuisle will aufmerksam machen auf die Bauwerke aus den Ziegeln, denn "Ohne den Lehm dat's München net geb'n", wie ein zeitgenössisches Sprichwort lautet. Vor allem an unverputzten Kirchen lasse sich das nachvollziehen.

Kuisle entdeckte aber auch altes Straßenpflaster aus Lehmsteinen in einer kleinen Grünanlage in Johanneskirchen. Zudem wird an die italienischen Wanderarbeiter erinnert, etwa mit dem Ziegler-Brunnen in Haidhausen vor der St. Johanneskirche. Eine bis eineinhalb Millionen Ziegelsteine war die "Saisonernte" einer dieser Ziegeleien, erklärt Kuisle: Ein Anwesen mit vier Stockwerken und Hinterhaus erforderte rund 400 000 Mauersteine. Für die Auslastung der Werke sorgten auch der Bau von Kasernen und Abwasserkanälen.

Roland Krack vom Verein Nordostkultur freute sich, dass die Stadt diese Geschichtsarbeit mit dem Themengeschichtspfad unterstützt. Grünen-Stadtrat Florian Roth zog bei der Vorstellung des Büchleins Parallelen zur heutigen Zeit: Damals wie jetzt sei München rasant gewachsen, habe es Arbeitskräfte aus dem Ausland gebraucht, mussten Kinder in Schulklassen integriert werden.

Im Wohngebiet an der alten Ziegeleistraße hat der Verein Nordostkultur den Maschinen aus der Ziegelei Haid ein neues Ziegel-Domizil geschaffen und bietet auch regelmäßig Führungen an. Am Freitag erzählte Lothar Röth den Gästen, warum die Löcher in die Ziegel kamen: Es wurde schlicht der Lehm knapp. Röth machte auch anschaulich, wie die Arbeitsbedingungen waren: heiß, laut, ohne Unfall- und ohne Lärmschutz. Dass ein Arbeiter in die Presse gefallen war, bemerkten die anderen erst an der blutroten Farbe des Ziegelblocks.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: