Nordostverbindung:Auf dem Abstellgleis

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Die 20 Jahre alte Idee einer Straßenverbindung auf dem aufgelassenen Bahndamm zwischen Feldkirchen und Unterföhring ist kaum noch realistisch. Die Bürgerinitiative gegen diese Nordostverbindung fordert, das Projekt endlich offiziell aufzugeben.

Von Irmengard Gnau, Aschheim/Feldkirchen/Unterföhring

An den für viele unheilvollen Klang des Wortes "Nordostverbindung" mag sich mancher noch erinnern, der in den vergangenen 20 Jahren die Landkreispolitik mitverfolgt hat. Eigentlich steht das Straßenbauprojekt schon seit Jahren nicht mehr auf der Tagesordnung der politischen Gremien von Stadt und Landkreis München, doch Wolfgang Lüers und seine Mitstreiter wollen ganz sicher gehen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Deshalb hat der Vorsitzende des Vereins "Bürgerinitiative gegen die Nordostverbindung" sich nun an den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter gewandt. In einem Schreiben bittet Lüers den SPD-Politiker darum, dass die Stadt das Thema endgültig abhaken möge.

Denn obwohl die umstrittene Straßenverbindung durch den Nordosten des Landkreises entlang dem Gebiet der Gemeinden Aschheim, Feldkirchen und Unterföhring längst vom Tisch ist, läuft noch ein Planfeststellungsverfahren dazu - dieses Verfahren ruht zwar seit dem Jahr 2006, verkehrsplanerisch aber ist das Projekt noch nicht offiziell abgeschlossen. Das will die Bürgerinitiative nun bewirken. "Unser Interesse ist, dass man endgültig einen Schlussstrich zieht", sagt Lüers.

Lüers, der im Aschheimer Gemeindeteil Dornach wohnt, hat sich von Anfang an gegen die sogenannte Nordostverbindung engagiert. Die Straßenverbindung hatte die Stadt München ins Spiel gebracht, als es Ende der Neunzigerjahren darum ging, die damals im Entstehen begriffene heutige Messestadt Riem am ehemaligen Flughafengelände an Stadt und Umgebung anzubinden.

Die Autobahn A 94 galt schon damals als überlastet, darum sollte eine Tangente von Norden nach Osten her, die das Autobahnkreuz München Ost mit einem Zielpunkt nahe dem Heizkraftwerk in Unterföhring verbindet - und passend zur Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland auch noch die Messe an die Allianz Arena hätte anschließen können. Als möglicher Verlauf für die Staatsstraße wurde insbesondere die Trasse eines aufgelassenen Bahndamms von Feldkirchen nach Unterföhring ins Auge gefasst, zu großen Teilen auf Landkreisgebiet.

Große Fortschritte durch verbesserte Busverbindung

Nicht nur deshalb regte sich am Stadtrand schon bald großer Widerstand gegen die Pläne. 1996 schlossen sich Bürger aus dem Landkreis, aber auch aus den nordöstlichen Münchner Stadtvierteln wie Johanneskirchen und Englschalking zusammen, um das Projekt zu verhindern; 2001 wurde die Initiative unter Lüers' Vorsitz zum eingetragenen Verein. Die "Bürgerinitiative gegen die Nordostverbindung" wehrte sich gegen die Realisierung des Straßenbaus einerseits aus Gründen des Naturschutzes: Die vorgesehene Trasse verliefe durch sensibles, geschütztes Gebiet, würde den Lebensraum von Pflanzen und Tieren bedrohen. Zudem fürchtete die Initiative die Beeinträchtigung der Wohn- und Naherholungsgebiete von Unterföhring bis Aschheim durch Lärm und Abgase. Grundsätzlich sprachen sich die Mitglieder strikt gegen einen weiteren autogerechten Ausbau des Münchner Nordostens aus und plädieren bis heute stattdessen für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

SZ-Grafik (Foto: N/A)

Hierbei sieht Lüers in den vergangenen Jahren auch große Fortschritte, vor allem durch verbesserte Busverbindungen. Dass die Pläne für die Nordostverbindung allerdings immer noch nicht offiziell begraben wurden, ist ihm ein Dorn im Auge. Insbesondere, weil östlich der S-Bahnlinie S 8 im Münchner Nordosten in den kommenden Jahren ein neuer Stadtteil entstehen soll. Die Planungen haben längst begonnen, 30 bis 40 000 Menschen sollen dort einmal wohnen und leben. Angesichts dieser Entwicklung ergäben die alten Pläne für die Nordostverbindung erst recht keinen Sinn mehr, argumentiert Lüers. Das 2002 eröffnete Planfeststellungsverfahren solle daher endlich eingestellt werden.

Neue Großsiedlung muss "vernünftig" angebunden werden

Dafür macht sich auch der CSU-Landtagsabgeordnete und stellvertretende Bezirksausschussvorsitzende von Bogenhausen, Robert Brannekämper, stark. Er hat sich ebenfalls an Oberbürgermeister Reiter gewandt und fordert, das "verkehrlich absurde Projekt", das wertvollen Landschafts- und Lebensraum betreffe, endlich zu den Akten zu legen und dies so bald wie möglich. Auch das bayerische Innenministerium, so Brannekämper, habe kein Interesse, das Projekt weiterzuverfolgen. Der CSU-Abgeordnete setzt sich stattdessen für einen vierspurigen Ausbau des Föhringer Rings ein - möglichst im Zuge der anstehenden Sanierung der Herzog-Heinrich-Brücke über die Isar und den Isarkanal.

Um das Projekt Nordostverbindung endgültig für beendet zu erklären, braucht es einen Beschluss des Münchner Stadtrats. Wolfgang Lüers zeigt sich durchaus optimistisch, dass sich dort für die Einstellung des Verfahrens eine Mehrheit finden würde. Das Werk der Bürgerinitiative wäre dann getan, sie würde sich wohl auflösen. "Ich beobachte ein Interesse von allen Seiten, das Projekt endgültig zu beerdigen", sagt Lüers zuversichtlich. Das dürften auch die betroffenen Umlandgemeinden mit Wohlwollen aufnehmen. Insbesondere Unterföhring und Feldkirchen hatten sich wie die Bürgerinitiative stets gegen die Straße ausgesprochen. Aschheims damaliger Bürgermeister Helmut Englmann (CSU) hatte hingegen eine eigene Alternativroute vorgeschlagen. Sein Nachfolger Thomas Glashauser (CSU) sieht heute keine Zukunft mehr für die Nordostverbindung. Er mahnt aber, es sei nötig sich klarzumachen, dass der geplante neue Münchner Stadtteil "natürlich vernünftig angebunden" werden müsse.

Wie, das wird sich in der weiteren Entwicklungsplanung zeigen, an der die Stadt auch die Umlandkommunen beteiligt. Durch die neue Großsiedlung dürfte einerseits Druck auf die Landkreisgemeinden zukommen, wenn es zum Beispiel um Naherholungsflächen geht. Andererseits könnten sie aber auch profitieren. Wenn das neue Viertel etwa wie diskutiert durch eine Weiterführung der U 4 von Bogenhausen zur Messe angeschlossen werden, könnten auch die Mitarbeiter der Unternehmen im Gewerbegebiet Dornach die U-Bahn nutzen.

Gleichwohl meint Glashauser, wäre es falsch, bei der Anbindung nur auf ein Verkehrsmittel zu setzen. "Es muss immer eine Mischung sein aus Straßenbau und Öffentlichem Nahverkehr", sagt der Aschheimer Bürgermeister. Das dürften die Verfechter des autofreien Ausbaus mit Argwohn hören. Auch wenn die Bürgerinitiative gegen die Nordostverbindung möglicherweise bald Vergangenheit ist, werden Natur- und Landschaftsschützer die Entwicklung am Stadtrand weiter wachsam beobachten. "Ein harter Kern von uns wird sich auch weiterhin kommunalpolitisch einmischen", kündigt Lüers an.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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