Der Neurieder Gemeinderat will trotz Haushaltslochs an der Entscheidung festhalten, das Grundstück hinter dem alten Rathaus im Erbbaurecht an einen Investor zu verpachten. Ein möglicher Verkauf des Areals in der Ortsmitte wird damit erst einmal zurückgestellt. Das hat der Gemeinderat vor der Sommerpause in nichtöffentlicher Sitzung mehrheitlich entschieden. Damit steigt die Pro-Kopf-Verschuldung der Kommune zum Jahresende weit über den Bayerndurchschnitt. Bürgermeister Harald Zipfel (SPD) zeigt sich nicht besonders glücklich über die Entscheidung, denn sie lässt der Gemeinde keinerlei finanzielle Spielräume mehr.
Wird man den Neuriedern Kommunalpolitikern später einmal auf die Schulter klopfen und ihnen danken, dass sie nachhaltig gewirtschaftet haben und ein wertvolles, rund 1,6 Hektar großes Grundstück in der Ortsmitte für nachfolgende Generationen gesichert haben? Oder wird man ihnen vorwerfen, die Kommune in eine horrende Verschuldung getrieben zu haben, die ihr jeden Gestaltungsspielraum nimmt? Man weiß es nicht.
Derzeit sei alles "ein Blick die Glaskugel", sagt Bürgermeister Zipfel und denkt laut über mögliche Szenarien nach: Vielleicht kommen ja noch unerwartete Gewerbesteuereinnahmen daher, die die Haushaltslage wieder entspannen, vielleicht stehen die Investoren für ein Erbbaurecht Schlange, weil sie bei der aktuellen Zinslage einen Grundstückskauf ohnehin scheuen.
Auf der sicheren Seite wäre man wohl mit dem Verkauf des Grundstückes, aber auch da gibt es Ungewissheiten. Keiner wisse aktuell, welcher Erlös damit zu erzielen wäre, sagt Zipfel. Die Schätzung auf rund 16 Millionen Euro liegt schon einige Jahre zurück, lange bevor die Zinsen gestiegen sind.
Der Verkauf war schon einmal beschlossen, wurde dann aber verworfen
Am 15. Januar 2024 muss die Gemeinde einen Kredit in Höhe von rund 16 Millionen Euro tilgen. Ursprünglich sollte der Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks in der Ortsmitte dafür verwendet werden. Als sich jedoch in den vergangenen zwei Jahren unerwartet die Gewerbesteuer positiv entwickelte, rückte der Gemeinderat vom Verkauf ab und entschied sich für eine Vergabe an einen Investor im Erbbaurecht, um das wertvolle Areal in Gemeindeeigentum zu erhalten. Die Kredittilgung schien nun auch aus den Rücklagen möglich.
Doch dann kam der Mai 2023 und damit der Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen. Statt 21,6 Millionen - so die Prognose, die weit über den Haushaltsansatz hinausging - sollen es jetzt plötzlich nur 8,5 Millionen Euro sein. Mit der Kredittilgung am 15. Januar wird es jetzt richtig eng.
In den vergangenen Wochen haben die Gemeinderäte immer wieder kontrovers darüber diskutiert, wie mit dem Haushaltsloch umzugehen ist. Die CSU plädierte für einen Grundstücksverkauf, um nicht weiter einen Schuldenberg aufzubauen. Die Fraktionen von SPD, Bündnis Zukunft Neuried (BZN) und Grünen machten sich stark dafür, das Grundstück zu erhalten und dafür einen neuen Kredit aufzunehmen, um damit den im Januar fälligen zu tilgen. So wurde es auch mehrheitlich entschieden. Ein Kredit in Höhe von rund sechs Millionen Euro soll jetzt schon aufgenommen werden, um sich noch günstigere Zinskonditionen zu sichern, als sie voraussichtlich in ein paar Monaten zur Verfügung stehen. Der Rest für das zu tilgende Darlehen soll aus den Rücklagen entnommen werden. Damit steigt die Pro-Kopf-Verschuldung auf 1930 Euro, bei Gemeinde in vergleichbarer Größe liegt sie im Bayerndurchschnitt bei 713 Euro.
Wenn sich an der Finanzsituation nichts mehr ändert, etwa durch doch noch steigende Gewerbesteuereinnahmen, dann muss man halt "streichen", sagt Bürgermeister Zipfel auf Anfrage. Andere Investitionen müssten dann zurückstehen. Das könnte zum Beispiel ein neues Konzept für den Wertstoffhof betreffen, den Ausbau barrierefreier Bushaltestellen oder so manche Straßenbaumaße. Und auch ein Leitbild für kommunales Handeln, das die Gemeinde eigentlich erarbeiten möchte, wird erst einmal zurückgestellt, das hat der Bürgermeister im öffentlichen Teil der Sitzung deutlich gemacht. Wo genau der Rotstift anzusetzen ist, muss der Gemeinderat noch entscheiden.
Der Bürgermeister steht selbst "nicht ganz eindeutig" hinter der Entscheidung für das Erbbaurecht in der Ortsmitte, wie er sagt. Er würde lieber "andere Projekte durchziehen". Dazu gehöre ein Genossenschaftsmodell, das als Wohnform in Neuried fehlt. Die Gemeinde hätte noch ein Grundstück in Eigentum, das dafür in Frage käme. Eine Genossenschaft wäre aber darauf angewiesen, das Grundstück im Erbbaurecht zu erhalten, sonst lassen sich die Baukosten nicht finanzieren. Aber beide Gemeindegrundstücke könne man nicht im Erbbaurecht vergeben, sagt Zipfel: "Das ist zu viel."