Süddeutsche Zeitung

Neue Radwege:Rennstrecken für Fahrradpendler

Lesezeit: 3 Min.

Von Stefan Galler und Iris Hilberth, Landkreis

Die Straßen sind verstopft, die S-Bahnen voll - wenn sie denn fahren. Um den täglichen Staus aus dem Weg zu gehen und unabhängig von der Zuverlässigkeit des ÖPNV zu sein, steigen immer mehr Menschen auf das Fahrrad um. Selbst wer längere Distanzen zurückzulegen hat, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen, schwingt sich inzwischen häufiger in den Sattel - erst recht seit E-Bikes und Pedelecs populärer geworden sind. Denn damit muss man noch nicht einmal befürchten, nach 20 Kilometern völlig verschwitzt anzukommen.

Allerdings bremsen vielerorts umständliche Wegführungen, holpriger Untergrund und zahlreiche Kreuzungen und Ampeln die radelnden Pendler noch aus. Neidisch schielen die flotten Alltagsradler daher schon länger nach Braunschweig, Göttingen und Richtung Ruhrgebiet, wo sogenannte Radschnellwege ein zügiges Fortkommen garantieren. Von bis zu 30 Stundenkilometern ist die Rede.

In an deren europäischen Ländern gibt es schon Radschnellwege

In europäischen Nachbarländern gehören Radschnellwege schon lange zu gängigen Verkehrskonzepten in Ballungsgebieten. Der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München (PV) hat nun für die Landeshauptstadt und die angrenzenden Landkreise München, Fürstenfeldbruck, Dachau und Starnberg die Potenziale für solche Schellfahrrouten ermittelt, die München und das Umland in einem Radius von rund 20 Kilometern verbinden sollen.

Von München aus empfiehlt der PV etwa eine Trasse die von Pasing gen Westen bis Fürstenfeldbruck führt; ein weiterer Schnellweg könnte vom Zentrum nach Dachau führen. Für den Landkreis München kommen nach Ansicht des Planungsverbands drei Korridore in Frage: nach Norden, Südwesten und nach Süden. Der Bauausschuss des Landkreises forderte in seiner Sitzung am Montag darüber hinaus, die Machbarkeit einer vierten Strecke in Richtung Nordosten prüfen zu lassen.

"Ich halte die Strecke von Aschheim nach Ismaning für eine der wichtigsten", sagte Ernst Weidenbusch (CSU), der den wegen anderweitiger Termine verhinderten Landrat Christoph Göbel als Sitzungsleiter vertrat. Marc Wißmann vom Planungsverband stellte klar, dass es sich bei einer Nord-Ost-Route, die nach Meinung der Kreisräte auch die Gemeinden Kirchheim und Unterföhring einbeziehen sollte, um eine Tangente handelt. "Die Frage ist, ob Fahrradfahrer bereit sind, Umwege in Kauf zu nehmen." Die Erfahrung zeige, dass man direkte Verbindungen schaffen müsse.

Auch Querverbindungen sind geplant

Grundsätzlich forderten die Kreisräte die Prüfung weiterer Tangenten, man dürfe nicht den Fahler machen wie beim S-Bahnbau, dass man die Querverbindungen außer Acht lasse. Einstimmig wurde letztendlich die Prüfung jener vier Radschnellwege beschlossen, die laut PV im Landkreis verlaufen sollen. Neben der "Nordost-Tangente" ist das vor allem ein Korridor zwischen München und dem Hochschulstandort Garching mit Abzweig nach Unterschleißheim. Die Realisierung dieser Strecke wird allgemein als am wahrscheinlichsten eingeschätzt. Auch nach Martinsried, Gräfelfing, Planegg bis nach Starnberg ist eine Route angedacht.

Zudem könnten die Radfahrer Richtung Neubiberg, Unterhaching, Taufkirchen und Oberhaching zukünftig schnell unterwegs sein. Hier planen die Gemeinden Sauerlach und Oberhaching zusätzlich eine Trasse von der Isar bei Großhesselohe durch den Perlacher und Grünwalder Forst an der Bahn entlang über Oberhaching und Sauerlach weiter bis ins Oberland. In Oberhaching beschäftigt sich der Gemeinderat schon länger mit eine solchen Route, einen "Radl-Südring", den man dort für relativ einfach zu realisieren hält. Denn neue Wege und damit zusätzliche Grundstücke wären nicht notwendig, die Asphaltierung bestehender Forstwege und eine Beschilderung würden ausreichen, nimmt man in Oberhaching an.

Wie Radschnellwege aussehen

Der frühere Ismaninger Bürgermeister Michael Sedlmair zeigte sich von der Idee eines "Radl-Südrings" angetan. "Da wäre ich gerne bei der Eröffnung mit dem Fahrrad oder dem E-Bike dabei", sagte der Kreisrat der Freien Wähler. Allerdings verhehlte Sedlmair seine grundsätzliche Skepsis gegen die Rennstrecken für Fahrradpendler nicht: "Müssen wir wirklich so große Anstrengungen unternehmen, damit die Kampf-Radler statt 25 nun 32 Stundenkilometer schnell fahren können?" Er glaube nicht an einen Durchbruch, "sondern nur an Mosaiksteine für Verbesserungen des Radwegenetzes".

Helmut Horst (CSU) regte an, sich auf die ein, zwei aussichtsreichsten Trassen zu konzentrieren. Schließlich gebe es "am grünen Tisch" sehr viele Hürden, die man überwinden müsse, bis man einen Radschnellweg realisieren könne.

Einen gewissen Platzbedarf haben die Radschnellwege nämlich. Die Mindeststandards laut Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) sowie Allgemeinem Deutschen Fahrrad-Club (ADFC): Eine Breite von vier Metern, wenn es auf dem Streifen Gegenverkehr gibt. Auch einspurige Wege sollen drei Meter breit sein, um gefahrloses Überholen zu ermöglichen. Die Grünen im Kreistag, deren Antrag ein "Regionales Radverkehrskonzept mit Radschnellwegen" zu erstellen, am Montag vom Ausschuss ebenfalls einstimmig verabschiedet wurde, finden dies jedoch sehr "ambitioniert" und wären schon zufrieden, wenn man sich "abschnittsweise" diesem Ziel nähere.

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SZ vom 06.05.2015
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