Stadtbibliothek propagiert Computerspiel:Raus aus der Schmuddelecke

Kinder testen Apps und PC-Spiele in München, 2016

Zocken gehört für viele Kinder heute längst zum Alltag.

(Foto: Florian Peljak)

Die Stadtbibliothek Unterschleißheim animiert Kinder zu niveauvollem Computerspiel.

Von Klaus Bachhuber, Unterschleißheim

In die Bücherei gehen, um dort an der Spielkonsole zu klickern? Im Schatten der Bücherregale am PC ballern, Schätze suchen und Länder erobern? In der Unterschleißheimer Stadtbibliothek werden jetzt vielfältige Geräte installiert, um an einem Spiele-Projekt teilnehmen zu können.

"Völlig deplatziert" fanden das Teile von CSU und FW im Kulturausschuss des Stadtrats. Man wolle "als ernst zu nehmender Medienpartner auftreten", sagte Büchereileiter Thomas Christoph zu der neuen Aktion, "man kann die Zeit nicht zurückdrehen."

Die Kids testen und bewerten die Spiele

Als eine von drei Büchereien in ganz Bayern neben München und Bayreuth beteiligt sich Unterschleißheim am bundesweiten "Tommi"-Kindersoftwarepreis. Dabei können Kinder und Jugendliche drei Wochen lang in 18 Büchereien im ganzen Land ausgewählte PC- und Konsolenspiele testen. Die Kids können diese Spiele dann bewerten. Die Nominierung und das abschließend ermittelte Ranking gäben dann "Pädagogen und Eltern eine wertvolle Orientierung im Spieledschungel", sagt Christoph. Sinn des Projekts sei es, "Kinder mit ihrem Interesse an Gaming ernst zu nehmen und dabei deren Fokus auf qualitativ hochwertige Spiele zu lenken, die noch dazu großen Spaß machen".

Bis jetzt hätten alle Konzepte und Initiativen der Bücherei dazu gedient, "die Kinder durch Lesen wegzukriegen von solchen Sachen", sagte sich Stefan Diehl (CSU) im Ausschuss - und jetzt will man sie explizit anbieten? Diese Art des digitalen Spiels sei "der Schmuddelecke längst entwachsen", sagte Christoph. Im 19. Jahrhundert hätten Altvordere teils über eine Lesesucht der Jugend geklagt, sagte Christoph, heute wirke eben das digitale Gaming verstörend. Mit Aktionen wie der jetzt geplanten könne man Jugendliche aber "zu pädagogisch wertvollen Spielen hinführen". Immerhin 51 Prozent der Kinder zwischen sechs und 13 Jahren nutzen hierzulande bereits ein Smartphone und 44 Prozent eine Spielkonsole.

"Wir werden bei der Zielgruppe sehr gut punkten", sagte der Büchereileiter. Und wenn man auf diese Weise "die Kinder mitnimmt und ernst nimmt", dann werde schon auch ein Nebeneffekt hängen bleiben: "Die sollen dann schon wieder in die Bibliothek kommen und auch das klassische Angebot wahrnehmen." Manfred Utz (CSU) und Annegret Harms (SPD) bewerteten die Initiative als zeitgemäß.

Es sei "der pädagogische Auftrag einer Stadtbibliothek, die Kinder zu lenken", sagte Utz zu der Auseinandersetzung mit qualitätvollen Spielen. Gegen drei Stimmen aus CSU und FW billigte der Ausschuss das Projekt, etwa 10 000 Euro werden die 16 Endgeräte kosten.

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