Süddeutsche Zeitung

Meine Woche:Ein Herz für gefrorene Pralinen

Marius Berbec eröffnet mit seiner Frau in Kirchheim eine Eisdiele.

Von Christina Hertel, Kirchheim

Bevor Marius Berbec zum ersten Mal in seinem Leben Eis kostete, das nicht aus einer Packung im Supermarkt kam, musste er um die 1300 Kilometer reisen - von seiner Heimat Craiova in Rumänien nach Bayern. Damals war er Mitte 20 und machte Urlaub. Bis dahin glaubte er, dass ihm Eis - so wie alle anderen Süßigkeiten - gar nicht schmecken würde. Heute ist Berbec Anfang 30 und macht am Montag um 12 Uhr gemeinsam mit seiner Frau Manolache Andreea seine eigene Eisdiele am Kirchheimer Dorfplatz auf. Sie heißt "La Strada", was auf Deutsch "die Straße" heißt und was auch deshalb gut passt, weil es in dem Laden keinen Kellner, sondern nur Selbstbedienung gibt.

Die 20 Sorten Eis, die die Gäste dort kaufen können, stellt Berbec selbst her: Klassiker wie Erdbeer und Mango, aber auch Spezialitäten wie Avocado, Cheesecake und Raffaello. Extra für die Einheimischen dachte er sich die Sorte "Kirchheimer Praline" aus - die, wie der Name erahnen lässt, aus Rumpralinen besteht.

Nicht viele aber frische Zutaten gehören in das Eis

Vor dem Start am Montag habe er ein wenig Angst, sagt Berbec am Telefon. Schließlich gab es im Kirchheimer Dorfkern zuvor keine Eisdiele. Wie sehr die Leute dort Lust auf Eis haben, weiß er also gar nicht. Und schließlich hat er noch nie ein eigenes Geschäft geführt. Er arbeitete ein paar Jahre in einer Eisdiele in Gauting, wo er nicht nur seine Frau kennenlernte, die ebenfalls dort bediente, sondern auch den Mann, der ihn später in die Kunst des Eismachens einführen sollte: Luca Fava, den Inhaber der Eisdiele Casa del Gelato in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Dieser habe ihm beigebracht, sagt Berbec, dass in Eis zwar nicht viele, aber frische Zutaten gehören und dass es vor allem "viel Herz und Gefühl" braucht, damit ein Rezept gelingt.

Die vergangenen Jahre arbeitete Berbec tagsüber als Lastwagenfahrer, abends stellte er in Höhenkirchen Eis her. Daran wird sich erst einmal nichts ändern. Seinen Job als Lkw-Fahrer möchte er behalten und die Küche in Höhenkirchen darf er für sein eigenes Eis weiter benutzen. Er rechnet damit, dass er an den meisten Tagen nicht vor 21 Uhr nach Hause kommt. In der Eisdiele in Kirchheim werden die Gäste deshalb wohl vor allem seine Frau sehen, die so wie er aus Rumänien stammt und deren Lieblingsfarbe auch grün ist - so wie die Wände in ihrem neuen Café, so wie Pistazie, ihre liebste Eissorte, und so wie die Natur, die beiden am Herzen liegt. Um sie zu bewahren, sagt Berbec, wollten sie eigentlich recycelbare Eisbecher verwenden. Doch wegen Corona hätten sich die Lieferzeiten so verzögert, dass sie nun erst einmal welche aus Plastik verwenden müssen. Die Möbel, die Vitrinen und das Türschild seien immerhin pünktlich angekommen. Es ist grün.

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SZ vom 22.06.2020/hilb
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