Hygiene-Mängel:Das geheime Gutachten zum Klinik-Skandal

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Der Münchner Hygiene-Skandal weitet sich aus: Ein Gutachten offenbart noch gravierendere Mängel. Und: Ein Arzt wollte an die Krankenhaus-Spitze - gegen den Willen der Politik.

S. Handel, B. Kastner und S. Lode

Die Hygiene-Mängel in den städtischen Kliniken in Bogenhausen und Neuperlach sind noch dramatischer als bislang bekannt. Dies geht aus dem geheimen Gutachten hervor, das die städtische Klinikgesellschaft im Mai diesen Jahres in Auftrag gegeben hat. Das Papier, das hochrangige Klinik-Vertreter selbst dem eigenen Aufsichtsrat wochenlang vorenthalten haben, liegt der Süddeutschen Zeitung mittlerweile vor.

Massiv in der Kritik: das Klinikum Bogenhausen. (Foto: Catherina Hess)

Die Prüfer fällen darin ein vernichtendes Urteil über die der Sterligutaufbereitung in Bogenhausen. "Gravierende Abweichungen" vom Soll-Zustand stellen sie fest, die durch "organisatorische und technische Mängel", aber auch durch zu wenig Personal bedingt seien. Die Aufbereitung benutzter Instrumente erfolge "täglich unter erheblichem Zeitdruck im Spät- und Nachtdienst". Die Gutachter warnen, der laufende Betrieb erfülle nicht die offiziellen Anforderungen. Die Mängel stellten "ein nicht unerhebliches juristisches Risiko" dar. Es sollten "unverzüglich" Maßnahmen ergriffen werden, um die vorgeschriebenen Qualitätstandards einzuhalten.

Das 24-seitige Gutachten enthält einige Fotos als Beleg für die Pannen in der Sterilgutaufbereitung. Die Bildunterschriften lesen sich etwa so: "Knochenreste nicht manuell entfernt." Oder: "Rostbesetzte Beladungswagen wurden benutzt." Unter einem weiteren Bild heißt es: "Zerlegbare Instrumente nicht geöffnet." Die Prüfer stellen zudem fest, dass in bestimmten Abteilungen "gut geschulte und ausreichend motivierte Mitarbeiter" fehlten, der Krankenstand sei außerdem anhaltend hoch.

Als "unzureichend" kritisieren die Gutachter die Wartung und Instandhaltung, die Schulung der Mitarbeiter, die personellen Ressourcen, die Kommunikation zwischen den beteiligten Abteilungen, die Ausstattung mit Instrumenten und das Qualitätsmanagement. Ferner stellten die Prüfer der Firma Simicon fest, dass in der zuständigen Abteilung Herstellerangaben zu den Instrumenten "kaum vorhanden" seien, weil teils die Instrumente zu alt seien, manche stammten von 1972.

Die Prüfer urteilten zudem, dass das Personal "nicht ausreichend" qualifiziert sei. Mitarbeiter wüssten nicht, dass man Schereninstrumente zur Reinigung öffnen müsse oder Knochenreste an speziellen Instrumenten manuell zu entfernen seien. Das Instrumentenmanagement habe weder am Tag der Besichtungung durch die Prüfer noch an den Tagen davor einwandfrei funktioniert. Die Erfassung der Instrumente sei mangelhaft.

Als Konsequenz wird der Aufsichtsrat an diesem Mittwoch wohl weitere Klinik-Verantwortliche suspendieren. Dem Vernehmen nach stehen neben dem bereits supendierten Reinhard Fuß auch weitere Geschäftsführer vor dem Rauswurf. Der Aufsichtsratschef und Dritte Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne) wollte dies am Dienstag nicht bestätigen. Er sagte jedoch, es werde derzeit untersucht, wann die anderen Geschäftsführer von dem Gutachten erfahren hätten. Er erwarte das Ergebnis am Mittwoch: "Wir werden auch die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen."

Zugleich gerät die rot-grüne Stadtregierung immer mehr unter Druck. So hat sich entgegen der Behauptung der Rathausspitze vor sechs Jahren doch ein Mediziner darum beworben, Geschäftsführer der Klinikgesellschaft zu werden. Christoph Emminger, derzeit Gesamtbetriebsratsvorsitzender des Klinikums, bestätigte entsprechende Informationen der SZ. Emminger wurde damals offenbar von Seiten der Politik klar gemacht, dass er als Mediziner an der Spitze des neuen Krankenhauskonzerns unerwünscht sei.

Stattdessen wurden Grünen-Mitglied Reinhard Fuß und drei Geschäftsführer mit politischem Hintergrund, aber ohne Ausbildung als Mediziner berufen. Monatzeder erklärte auf Nachfrage, von der Bewerbung eines Mediziner sei ihm nichts bekannt.

© SZ vom 14.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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