Krieg in der Ukraine: "Wir werden es so lange aushalten wie möglich"

Krieg in der Ukraine: Der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn, die Journalistin Gudrun Dometeit, Moderator Carlo Masala, der ukrainische Generalkonsul Yuriy Yarmilko und der ehemalige General Hans-Lothar Domröse (von links) diskutieren im Audimax der Universität der Bundeswehr in Neubiberg über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, Waffenlieferungen und europäische Werte.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn, die Journalistin Gudrun Dometeit, Moderator Carlo Masala, der ukrainische Generalkonsul Yuriy Yarmilko und der ehemalige General Hans-Lothar Domröse (von links) diskutieren im Audimax der Universität der Bundeswehr in Neubiberg über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, Waffenlieferungen und europäische Werte.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Der ukrainische Generalkonsul Yuriy Yarmilko diskutiert an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg mit Vertretern von Politik, Medien und Militär über die Folgen des russischen Angriffs auf sein Land.

Von Martin Mühlfenzl, Neubiberg

Eigentlich hat sich Carlo Masala für diesen Anlass eine gewisse Zurückhaltung und Neutralität auferlegt. Im grauen Anzug sitzt der Politikwissenschaftler und Inhaber eines Lehrstuhls für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg im Audimax der Uni inmitten seiner Gesprächspartner - und die Farbe seines Anzugs kann auch als Statement verstanden werden. Oder wie es Hans-Lothar Domröse, General a. D. der Bundeswehr, in Anlehnung an den deutschen Philosophen Peter Sloterdijk sagt: "Man muss grau denken." Es ist also nicht alles entweder schwarz oder weiß. Auch nicht in Zeiten eines Krieges, um den es bei der Podiumsdiskussion an der Universität der Bundeswehr an diesem Tag geht.

Nur einmal wird Masala auch als Moderator dann doch sehr klar, fast schon energisch. Als es um die Frage geht, ob mit Autokraten, mit autoritär geführten Regimen überhaupt noch Geschäfte gemacht werden dürften. "Wenn Sie darauf verzichten, mit autoritären Staaten Geschäfte zu machen, können Sie die Hälfte der Welt vergessen", sagt Masala. Der Unterschied müsse anders definiert werden: zwischen autoritären Staaten und Feinden. Und wer der Feind ist, steht an diesem Nachmittag außer Frage.

Krieg in der Ukraine: Wer der Feind ist, steht für Carlo Masala außer Frage: Russland.

Wer der Feind ist, steht für Carlo Masala außer Frage: Russland.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Die Universität der Bundeswehr hat neben dem ehemaligen General Domröse den CSU-Bundestagsabgeordneten Florian Hahn aus Putzbrunn, die Focus-Redakteurin Gudrun Dometeit und den ukrainischen Generalkonsul in München, Yuriy Yarmilko, geladen. Yarmilko ist Karrierediplomat seines Landes, war unter anderem in der Botschaft der Ukraine in Wien tätig - und kämpft nun in der bayerischen Landeshauptstadt mit den Folgen des Angriffskrieges Russlands auf sein Heimatland. Denn Tausende Schutzsuchende haben auch in Bayern, in München und im Landkreis München Zuflucht gefunden. Der Blick des Konsuls aber gilt natürlich auch immer der Situation in der Ukraine, dem täglichen Beschuss, den Kriegsverbrechen, den Toten.

Wie lange ein Land, eine Gesellschaft dies aushalten könne, will Masala wissen, was Yarmilko zwar als provokante Frage versteht, aus der Fassung aber bringt ihn diese nicht. "Ich bin ziemlich optimistisch, wir werden es so lange aushalten wie möglich, weil wir auch keine Alternative haben", sagt er mit fester Stimme. Denn was wäre die Folge zu kapitulieren, fragt der Generalskonsul ins Audimax, in dem auch Universitätspräsidentin Merith Niehuss in erster Reihe den Ausführungen lauscht. "Das hieße unser Land zu verlieren. Wir kämpfen weiter", gibt Yarmilko selbst die Antwort.

Krieg in der Ukraine: Yuriy Yarmilko, Generalkonsul der Ukraine in München, sagt, der Kampf werde so lange weiter geführt wie nötig.

Yuriy Yarmilko, Generalkonsul der Ukraine in München, sagt, der Kampf werde so lange weiter geführt wie nötig.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Seit mehr als 140 Tagen tobt der brutale Krieg Russlands gegen das Nachbarland, und Militärexperte Domröse geht mit dem Aggressor hart ins Gericht - auch und gerade aus militärischer Sicht. Der Kreml, so der General a. D., habe seine strategischen Ziele in der Ukraine klar verfehlt und agiere seitdem wie eine "Walze", komme dabei aber auch im Donbass kaum voran, habe die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht und erleide im Feld "katastrophale Verluste". Die Strategie gleiche der Militärführung im Zweiten Weltkrieg. Organisiert werde sie von einer Führung, die es nicht könne, die es nicht verdient habe, der nichts Besseres einfällt, sagt der General. Aber, so Domröse, Russland besitze die "Eskalationsdominanz" und könne in diesem Krieg immer wieder nachlegen - das habe zu einer "schwierigen Pattsituation" geführt, die in einen Stellungskrieg gemündet ist, bei der sich die Kriegsparteien wie zwei Boxer in der zwölften Runde gegenüber stünden, die sich kaum mehr auf den Beinen halten könnten.

Krieg in der Ukraine: Der General a. D. Hans-Lothar Domröse spottet über die Inkompetenz der russischen Militärführung.

Der General a. D. Hans-Lothar Domröse spottet über die Inkompetenz der russischen Militärführung.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Auf ein baldiges Ende des Krieges deutet derzeit nichts hin. Einen Sieg der Ukraine, womöglich sogar mit einer Rückeroberung der Krim, bezeichnet Domröse als "illusorisch". Dennoch sei es richtig, das Land in seinem "Freiheitskampf" weiter massiv zu unterstützen. Das unterstreicht auch Hahn, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. "Es geht nicht nur um ein paar Werte. Es geht knallhart um unsere eigenen Interessen", sagt der Putzbrunner. "Es geht tatsächlich um die Sicherheit Deutschlands und Europas." Es gebe nur eine einzige rote Linie: Deutschland dürfe nicht Kriegspartei werden.

Der Bundesregierung und explizit Bundeskanzler Olaf Scholz aber wirft Hahn Zögerlichkeit vor allem beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine vor. Deutschland verstecke sich hinter seinen internationalen Partnern. Und Scholz führe nicht, weder in Deutschland noch in Europa. "Wir haben nach außen ein verheerendes Bild abgegeben", blickt Hahn auf die anfänglichen Debatten rund um die Waffenlieferungen zurück, und noch immer agiere die Bundesrepublik zu zurückhaltend. "Estland hat 13 Panzerhaubitzen geliefert. Die haben, glaube ich, gar nicht mehr. Und wir geben der Ukraine sieben", führt Hahn aus. Diese Zögerlichkeit sei absurd.

Die Angst, dass die Stimmung in Europa kippt, wenn der Gaspreis steigt

Gebannt lauschen die etwa 100 Gäste im Saal und etwa 300 Zuhörer im Netz den Ausführungen der Diskutanten. Auch der Meinung von Focus-Redakteurin Dometeit, die eine Debatte darüber vermisst, was denn die klaren Ziele des Westens seien. "Ich höre in der Politik immer: Wir helfen der Ukraine so lange, wie es nötig ist. Aber was heißt das?", sagt sie. In diesem Zusammenhang kritisiert sie auch die Sozialdemokratie, die nur noch Asche auf ihr Haupt schütte bezogen auf ihre vergangene Ostpolitik. Natürlich, so Dometeit, habe Ex-Kanzlerin Angela Merkel recht gehabt mit ihrer Haltung, man habe mit Russlands Präsident Wladimir Putin reden müssen. Und natürlich werde die Diplomatie auch wieder ihre Rolle spielen müssen.

Bis dahin werden sich in Deutschland auch noch andere Fragen stellen, auf die insbesondere die Politik Antworten wird finden müssen. Wie das Land etwa durch den Winter kommen soll, wenn aus Russland kein Gas mehr fließen wird. Im wahrsten Sinne des Wortes werden sich die Deutschen dann warm anziehen müssen, sagt Hahn. Er sei aber auch davon überzeugt, dass es sich dann nur um eine "kurzfristige Malaise" handeln werde; Deutschland habe immer bewiesen, auch aus schwierigen Situationen gestärkt heraus zu kommen.

Wie stark, wie groß, wie unabhängig die Ukraine nach diesem Krieg sein wird, beschäftigt indes Generalkonsul Yarmilko. Jeder Krieg ende irgendwann, sagt er. Er hoffe, dass die Stimmung in Europa nicht kippe, wenn die Gaspreise etwas steigen. "Ein paar Euro mehr für Gas, ein paar Grad weniger in der Wohnung oder sterbende Menschen und zerstörte Dörfer - da ist die Sache für mich klar", so der Diplomat.

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