Krieg in der Ukraine:Angst in der Partnerstadt

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Ein Bild aus besseren Tagen: Anlässlich eines Festakts zum 25-jährigen Bestehen der Partnerschaft ihrer Gemeinden unterzeichneten die damaligen Bürgermeister von Tschernogolowka und Neubiberg, Oleg Egorow und Günter Heyland (rechts), vor fünf Jahren eine Urkunde. (Foto: Angelika Bardehle)

Aus Vorsicht sprechen Einwohner von Tschernogolowka nur verklausuliert mit ihren Freunden in Neubiberg.

Von Daniela Bode, Neubiberg

Wegen des Kriegs in der Ukraine hat die Gemeinde Neubiberg ihre Zusammenarbeit mit der russischen Partnerstadt Tschernogolowka Anfang März auf Eis gelegt. In einer Videokonferenz erklärten Bürgermeister Thomas Pardeller (CSU) und Reiner Höcherl, der Vorsitzende des Partnerschaftsvereins, ihren Freunden in der Nähe Moskaus, dass das "menschenverachtende Vorgehen des russischen Präsidenten" gemeinsame Aktivitäten vorerst unmöglich mache. Auf offizieller Ebene ruht das Verhältnis seitdem. Freundschaftliche Beziehungen, die in den 30 Jahren des Bestehens der Verbindung aufgebaut wurden, werden aber derweilen weiter gepflegt. Wie auch in den vergangenen Jahren telefoniert man beispielsweise miteinander.

Pardeller hatte zusammen mit dem Abbruch der offiziellen Beziehungen an die Neubiberger appelliert, die Freundschaften weiterzuführen. Denn solch lange bestehenden Verbindungen einfach zu kappen, hielte er für falsch. "Auf menschlicher Ebene sind Freundschaften gewachsen, die wollen wir nicht über Bord werfen", sagt auch Höcherl. Wie die Menschen in Tschernogolowka wirklich auf den Krieg blicken, kann man jedoch trotz der privaten Kontakte nur mutmaßen. Denn wie vom Partnerschaftsverein zu hören ist, halten sich die meisten Einwohner der 20 000-Einwohner-Stadt beim Austausch mit ihren Neubiberger Freunden ziemlich bedeckt und überlegen sich genau, was sie sagen. Die Angst, bei der Kommunikation mit dem Westen abgehört zu werden, ist offenbar der Grund, wie Höcherl vermutet.

"Keiner sagt am Telefon etwas Kritisches über die Regierung"

"Wenn wir uns telefonisch austauschen, sagen manche, dass die Lage kritisch ist, aber keiner sagt am Telefon etwas Kritisches über die Regierung", berichtet der Vereinsvorsitzende. Kritik werde per E-Mail oder am Telefon höchstens verklausuliert geäußert. Wie offen die Menschen es wagen zu sprechen, hängt offenbar auch mit dem Alter zusammen. "Unser Eindruck aus den Gesprächen mit Menschen in der Partnerstadt ist, dass die im Alter 50 plus einen Tick mehr auf die russischen Medien vertrauen", so Höcherl. Jüngere sähen dagegen über die sozialen Medien, wie im Westen berichtet wird. "Manche von ihnen sehen das Thema kritischer und sprechen am Telefon offener", sagt Höcherl. Er kann sich vorstellen, dass auch weiteren Menschen in Tschernogolowka bald "dämmern" könnte, dass sie von russischer Seite nicht richtig informiert werden. Würde es sich wirklich um einen Blitzkrieg handeln, wie die russische Führung ihre Bürger glauben machte möchte, müsste nach acht Wochen einiges anders laufen.

Dass Neubiberg die Partnerschaft erst einmal auf Eis gelegt hat, sehen die Freunde in der russischen Stadt, die etwa 40 Kilometer nordöstlich von Moskau liegt, laut Höcherl ein. "Sie sagen, sie sind betroffen von der Lage - sie sagen nicht Krieg - und dass sie es verstehen können, dass die Partnerschaft offiziell ausgesetzt ist." Was vom Jugendzentrum Gleis 3 in Neubiberg zu hören ist, das viele Jahre einen regelmäßigen Jugendaustausch mit Tschernogolowka pflegte, passt zu den Schilderungen aus dem Partnerschaftsverein. Zwar gab es wegen der Corona-Pandemie in den vergangenen zwei Jahren zu den dortigen Betreuerinnen nur sehr lose Kontakte wie ein paar Weihnachtsgrüße per Whatsapp, wie Christian Schüehle, der Leiter des Jugendtreffs, erzählt; doch unter den Jugendlichen bestünden auch jetzt noch persönliche Kontakte und sie tauschten sich zu Fragen über den Krieg in der Ukraine aus. Schüehle sieht das zumindest als Erfolg des Jugendaustauschs.

Zu der Annahme, dass sich viele Einwohner von Tschernogolowka nicht trauen, sich zu dem Konflikt zu äußern, passt eine andere Begebenheit: Eine Anfrage an eine Frau aus der russischen Stadt, zu der Kontakt bestand, blieb bis Freitag unbeantwortet.

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