Süddeutsche Zeitung

Neubiberg:Ruheloser Netzwerker

Als Vizepräsident des Bunds der Steuerzahler setzt sich Michael Jäger für eine gerechtere Finanzpolitik ein. Daneben engagiert er sich für Reformen in Osteuropa.

Von Daniela Bode, Neubiberg

Zum vereinbarten Treffen kommt Michael Jäger etwas später. Auf dem Weg musste er noch schnell seine Tochter abholen, sie hatte ihn kurzfristig darum gebeten. Das passt ganz gut zu Jägers Alltag: Kein Tag gleicht dem anderen, oft sind Prioritäten neu zu setzen. "Die Abwechslung ist das Spannende", sagt er. Vieles kann der 60-Jährige auch einfach nicht delegieren, weil die Aufgabe an ihn als Person gebunden ist. Das persönliche Vertrauen ist ein wichtiger Aspekt bei all seinen Tätigkeiten als Netzwerker, Lobbyist sowie Steuer- und Finanzexperte. Als Vizepräsident des Bunds der Steuerzahler in Deutschland und bei seinen anderen Tätigkeiten hat der Neubiberger schon so viel angestoßen, dass er voriges Jahr mit dem Verdienstkreuz am Bande geehrt wurde und zuletzt auch mit der Ehrenmedaille seiner Heimatgemeinde.

Seit 2019 setzt sich Jäger, der Betriebswirtschaft studiert hat, als Vizepräsident des Steuerzahlerbunds für die Interessen praktisch aller Erwerbstätigen ein, seit 2015 auch als Vizepräsident des Landesverbands. In seiner Funktion ist er vor allem zuständig für die Verbandskommunikation und Mitgliederwerbung. Seit 1996 fungiert er zudem als Generalsekretär des Europäischen Steuerzahlerbunds und leitet dessen Büro in Brüssel. Der Präsident des Bayerischen Steuerzahlerbunds, Rolf Baron von Hohenhau, der auch Präsident des Europäischen Steuerzahlerbunds ist, hatte ihn gefragt. Wie so oft, so scheint es, haben sich die Dinge für ihn gefügt.

Seit 2011 ist Jäger überdies Geschäftsführer des Europäischen Wirtschaftssenats, ein Elitenetzwerk führender Unternehmerpersönlichkeiten und Unternehmen. Wertegrundlage dieser Organisation ist, nach dem Prinzip des "Ehrbaren Kaufmanns" zu handeln. Neben der üblichen Arbeit eines Geschäftsführers will Jäger dem Kreis seine Netzwerke zur Verfügung stellen. Zudem betreibt er das Unternehmen "Jaeger Euroconsult", mit dem er einzelne Unternehmen in Finanz- und Steuerfragen berät und begleitet.

Als wäre das alles nicht schon genug, bekleidet der dreifache Familienvater diverse Ehrenämter: So engagiert er sich etwa im Vorstand der Europäischen Journalisten, war für die CSU im Neubiberger Gemeinderat, ist Mitglied des Ost-West-Wirtschaftsforums in Bayern und sitzt im Beirat des Vereins "Lichtblicke Seniorenhilfe", der unverschuldet in Not geratenen Rentnern hilft.

Rastlos zu arbeiten, sich zu engagieren, ist ihm quasi in die Wiege gelegt worden. Sein Vater führte das Unternehmen Brennstoffvertrieb Jäger in Neubiberg, lange ein großer Arbeitgeber in der Gemeinde. Was es heißt, unternehmerisch tätig zu sein, bekam der Sohn bei seinem Vater mit. Arbeiten auch am Wochenende, jahrelang kein Urlaub. Als später der geschäftsführende Onkel krankheitsbedingt das Unternehmen nicht mehr allein führen konnte, kümmerte Jäger sich als unbezahlter Geschäftsführer um die Abwicklung der Firma. "Daher kenne ich die Sorgen von Unternehmen, sei es wegen Investitionen oder Krediten", sagt der 60-Jährige. Was sich als roter Faden durch all seine Tätigkeiten zieht: "Ich versuche, durch den Austausch zu helfen", sagt er. Und das tut er gerne sieben Tage die Woche, "weil ich mit dem Herzen dabei bin". Besonders mit dem Herzen dabei war er etwa, als er es mit anderen Mitstreitern wie der Grünen-Politikerin Theresa Lödermann schaffte, dass die EU-Exportprämie für Schlachtrinder abgeschafft wurde. "Das ist die für die Seele erfüllendste Sache gewesen", sagt er.

Helfen ist ihm wichtig. Letztens habe ihm eine ukrainische Unternehmerin, die er von Vortragsreisen kennt, ihr Leid geklagt, weil die Zinsen sie ruinierten. Diese lägen derzeit für einen Kredit bei bis mehr als 44 Prozent. Ein Unternehmen nach dem Krieg unter solchen Umständen wieder aufzubauen, dürfte schwierig sein. Jäger will sich dafür einsetzen, dass die Kreditgeber der Geschäftsfrau die Zinsen für ein Jahr aussetzen.

Für die Ukraine engagiert er sich auch in anderer Weise. Als Vertreter des Europäischen Wirtschaftssenats hat er es geschafft, vom ukrainischen Verteidigungsminister autorisiert zu werden, um für das Land Verhandlungen mit Unternehmen über die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern zu führen. In der Slowakei setzte er sich vor einigen Jahren dafür ein, dass das Steuerrecht vereinfacht und die "Flat tax" eingeführt wird, ein einziger Steuersatz für alle. "Es geht immer darum, gemeinsam positive Lösungen anzustoßen", sagt er.

Die Zeit, die ihm bei all dem bleibt, widmet der Neubiberger seiner Familie - also seiner Frau und den drei Kindern. "Es gibt sicher bessere Väter als mich, aber ich versuche immer da zu sein, wenn ich gebraucht werde", sagt er. Jeden Morgen gönnt er sich den "Luxus", wie er es nennt, mit Familienhündin Marlie Gassi zu gehen.

Wie er das alles hinbekommt? Er spricht schnell, kann mehrere Sachen gleichzeitig erledigen, wie er sagt. "Ich arbeite, wenn die anderen schlafen, außerdem brauche ich nur viereinhalb Stunden Schlaf." Seine Motivation erklärt der 60-Jährige mit seinen Erfahrungen aus dem Handball, den er viele Jahre als Leistungssport betrieben hat und dem er heute noch als Übungsleiter der Herrenmannschaft beim TSV Vaterstetten verbunden ist. "Jeder einzelne ist wichtig, aber gewinnen kann man nur als Team."

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