Brauchtum:Maibaum auf Kollisionskurs

Brauchtum: Durfte nicht höher sein als die Baukräne: der Maibaum von Neubiberg.

Durfte nicht höher sein als die Baukräne: der Maibaum von Neubiberg.

(Foto: Claus Schunk)

Obwohl die Neubiberger Lindenburschen den Stamm kurz vor dem Aufstellen gekappt haben, kommt er einem der Kräne von der Rathausbaustelle in die Quere. Nun fehlt der Hahn an der Spitze.

Von Angela Boschert, Neubiberg

Der aktuelle Neubiberger Maibaum wird ebenso in die Ortsgeschichte eingehen wie der erste, den die Lindenburschen im Jahr 1966 aufgestellt haben, damals wie heute traditionell mit Schwaiberln, das versteht sich. Die Länge von Nummer eins ist nicht bekannt, die des heurigen Maibaums änderte sich binnen Tagen mehrfach. Mit ursprünglich 35,4 Metern hätte der Stamm sogar das Stangerl der Nachbargemeinde Ottobrunn leicht übertroffen. Doch daraus wurde nichts. Die Lindenburschen mussten ihren Maibaum in der Nacht zum Maifeiertag um zwei Meter kürzen und kappten dazu die Spitze. Auf dieser sitzt inzwischen nicht einmal mehr der Hahn.

Der Grund für das Anlegen der Säge war nicht etwa ein akuter Zusammenbruch des eigenen Selbstbewusstseins, auch nicht brüderliche Solidarität mit schlechter ausgestatteten Nachbarn, sondern eine behördliche Aufforderung. Wie eigentlich bekannt, wird in Neubiberg derzeit nicht nur das in den Dreißigerjahren errichtete alte Rathaus saniert, sondern ihm nach langem Hin und Her auch ein Neubau zur Seite gestellt, um der Raumnot der wachsenden Gemeindeverwaltung zu begegnen.

Die Bauarbeiten sind in vollem Gange, wie an gleich zwei Baukränen deutlich zu erkennen ist. Und einem dieser Kräne wäre der Maibaum in die Quere gekommen, wenn er in voller Länge aufgestellt worden wäre. Der freischwingende Ausleger hätte diesen womöglich rasiert oder umgeworfen. Dass herabfallendes Material Menschen verletzen hätte können, wolle er sich gar nicht vorstellen, sagt Bürgermeister Thomas Pardeller (CSU) und holt hörbar Luft.

Zu der Frage, wieso das Problem so kurzfristig aufkam, hüllten sich die Lindenburschen zunächst in Schweigen. Ihr Vorsitzender Günther Schilling teilte später mit, im vor Monaten eingereichten Antrag zur Errichtung des Maibaums hätten sie der Rathausverwaltung nicht dessen Länge mitgeteilt. Auf der anderen Seite hätten sie auch die genaue Höhe des Krans nicht gekannt, denn auf Anfragen "konnte uns keine Aussage gegeben werden", wie Schilling sagt.

Also wurde der Baum fleißig weiter geschält und geschliffen und natürlich auch bemalt. Erst als sich die Lindenburschen beim letzten Wachhüttenabend auf den großen Tag vorbereiteten, erhielten sie die niederschmetternde Nachricht. Bei einer letzten Ortsbesichtigung war aufgefallen, wie groß ihr Baum wirklich war. Der Bürgermeister, selbst ein Lindenbursche, kam zu einer Lagebesprechung und erkannte "Gefahr im Verzug". Also mussten die Burschen am Sonntagabend noch "superkurzfristig" den Baum kürzen.

Doch offensichtlich war nicht genau gemessen worden. Gegen die Regenwolken war am Dienstag gut zu erkennen, dass der Hahn schief auf dem Maibaum saß. Er hatte, wie Bürgermeister Pardeller zugab, einen satten Schlag vom Kran abbekommen. Deshalb wurde er abgenommen und kann trotz erneuter Kürzung des Stammes um einen Meter nicht mehr auf sein angestammtes Plätzchen hoch droben im Wind zurückkehren.

Der Bürgermeister hält nichts davon, jetzt nach dem Schuldigen zu suchen und versucht, die Sache positiv zu sehen. "Wir haben das Beste draus gemacht und haben einen speziellen Neubiberg-Baum, der zum Rathausumbau passt", sagt er vielsagend. Schilling sieht das ähnlich: "Im Endeffekt sind wir froh, dass das Ganze noch früh genug bemerkt wurde, aber natürlich hätte es besser laufen können."

Man möchte aber zu gerne wissen, ob der Hahn nun in seinem Lager bei den Burschen in Gram versinkt oder innerlich über die Vorgänge lacht und froh ist, dass der Arm des Krans nicht mehr dicht über seinem Kamm kreist. Schließlich ist es der 13. Maibaum der Gemeinde. Wer weiß, was ihm noch passiert wäre.

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