Bildung:Eine Bereicherung nicht nur für Raubeine

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Früher war die Bibliothek an der Realschule Neubiberg ein grauer Raum, jetzt hält man sich dort gerne auf: Der Förderverein der Schule hat die Erneuerung finanziert. (Foto: privat)

Ein Förderverein ist für eine Schule ein Segen. Schulen, die keinen haben, müssen sich finanzielle Unterstützung anders organisieren. Es bleibt die Frage nach der Bildungsgerechtigkeit.

Von Daniela Bode, Neubiberg/Haar/Kirchheim

Finanzschwachen Schülern die Klassenfahrt bezahlen, Mittel für ein besonderes Kunstprojekt zur Verfügung stellen, iPads fürs digitale Lernen finanzieren - die Bandbreite dessen, was Fördervereine auch im Landkreis München an den Schulen ermöglichen, ist groß. Ein Segen also, wenn eine Schule über solch eine Organisation verfügt. Was aber, wenn sich kein Förderverein gegründet hat? Bleiben die Schüler dort, was zusätzliche Angebote und somit eine umfassende Bildung angeht, auf der Strecke? Das nicht. Oft springen dank des Engagements der Schulleiter die Gemeinden oder andere Organisationen ein. Doch die Frage der Bildungsgerechtigkeit stellt sich schon.

An wie vielen Schulen im Landkreis es einen Förderverein gibt, dazu "gibt es keine offiziellen Statistiken", wie Harald Renz, Vorsitzender des Landesverbands der Kita- und Schulfördervereine in Bayern sagt. Ob ein solcher Verein existiert, ist meist von Engagierten, meist Elternvertretern, abhängig, weiß Renz. Oft hätten auch die Schulleiter Interesse an der Gründung. Nach einer Stichprobenrecherche der SZ verfügen nur wenige Schulen im Landkreis über kein solches freiwilliges Konstrukt. Der Förderverein an der Realschule Neubiberg feiert in diesem Jahr beispielsweise sein 20-jähriges Bestehen. "Der damalige Schulleiter Jakob Pritscher hatte erkannt, dass für viele Dinge wie Ausflüge oder kulturellen Austausch die Mittel nicht da waren", sagt die heutige Vorsitzende Gitta Svoboda. Auch um Spenden leichter akquirieren zu können, initiierte er damals den Förderverein, dessen erster Vorsitzender der heutige Bundestagsabgeordnete Florian Hahn (CSU) wurde, der selbst die Schule besucht hatte. Seitdem ist der Verein sukzessive gewachsen. Bereits als Vorsitzende des Elternbeirats, wie Svoboda erzählt, stieß sie neue Themen für den Förderverein an und übernahm nach Beendigung der zehnten Klasse ihres Sohnes den Vorsitz im Verein. Eine Idee, die in ihrer Zeit entstand: Der Förderverein bietet Firmen das eigene Portal als Plattform für deren Stellenanzeigen im Ausbildungsbereich an, der Verein bekommt pro Anzeige 80 Euro. Dieser Betrag geht eins zu eins in die zu unterstützenden Projekte. Der Förderverein mit seinen rund 450 Mitgliedern ermöglicht viele Dinge, die der Staat nicht oder nur teilweise zahlt, die der Verein aber für notwendig erachtet. Er übernimmt etwa Kosten für die Klassenfahrt, wenn sich eine Familie das nicht leisten kann. Er zahlt den Tutoren für jüngere Schüler eine Tutorenausbildung. Genauso hat der Verein die Erneuerung der Bibliothek finanziert, "da wollte vorher kein Mensch mehr rein, jetzt ist es ein Ort der Begegnung", sagt Svoboda. Seine Mittel akquiriert der Verein vor allem über die Mitgliedsbeiträge - der Mindestbetrag liegt bei 20 Euro - und über Firmenspenden. Auch über die Ausbildungsmesse an der Schule, die der Verein einige Jahre organisiert, ist ein gutes Netzwerk zu Firmen und somit potenziellen Spendern da. Welche Bereicherung für das Schulleben der Förderverein darstellt, weiß auch Schulleiter Christian Ceglarek: "Durch die vielfältigen Förderungen verbessert unser Förderverein aktiv die schulischen Rahmenbedingungen und damit auch den Lernerfolg unserer Schülerinnen und Schüler", sagt er.

Gitta Svoboda ist Vorsitzende des Fördervereins der Realschule Neubiberg. Sie hat sich schon für die Finanzierung von vielen Projekten eingesetzt. (Foto: Claus Schunk)

Auch die Kirchheimer Schulen profitieren von einem Förderverein. Dort ist das Besondere, dass für alle drei Kirchheimer Grundschulen, die dortige Mittelschule, sowie die Realschule in Aschheim und das Gymnasium in Kirchheim ein Verein zuständig ist. Idee war, dass ein Kind, das am Ort bleibt, "von der ersten bis zur letzten Klasse unterstützt wird", sagt Petra Kammerstetter, die seit zehn Jahren Vorsitzende des 1976 gegründeten Schulfördervereins Kirchheim ist. Auch dieser Verein macht das Schulleben an vielen Ecken ein Stückchen besser. So hat er in den vergangenen Jahren unter anderem einer der Grundschulen Whiteboards finanziert, Musikinstrumente für die Ganztagsklasse an einer der Schulen und Autorenlesungen bezuschusst. "All das, was sich eine Schule nicht leisten könnte und wofür sie das Geld auch nicht von anderer Stelle bekommt", beschreibt Kammerstetter. 2021 hat der Verein mit seinen rund 350 Mitgliedern verschiedene Projekte mit insgesamt 17500 Euro gefördert.

Die Mittelschule Haar erhält laut Schulleiter Markus Fauth von verschiedenen Institutionen Spenden. Einen Förderverein hat die Schule nicht. (Foto: privat)

Schulen ohne Förderverein wie etwa die Mittelschule Haar müssen sich andere Partner suchen, wenn sie ihren Schülern mehr als die vom Staat ermöglichte Bildung zukommen lassen oder sie finanziell unterstützen wollen. Wie Schulleiter Markus Fauth sagt, werde die Schule von der Gemeinde Haar sehr gut ausgestattet. Auch die Bürgerstiftung Haar investiere sehr viel, sie habe beispielweise Klavierunterricht für sozial benachteiligte Kinder mit 3000 Euro gefördert. Zudem läuft an der Schule ein besonderes Musikprojekt mit der Internationalen Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation, für das diese 31 000 Euro im Jahr zur Verfügung stellt.

"Umso mehr Geld, umso mehr Möglichkeiten zur Bildung"

Außerdem hat der Lions Club Keferloh für den Digitalunterricht vor eineinhalb Jahren Computer für Kinder finanziert, die sich sonst keine hätten kaufen können. "So haben wir die verschiedensten Institutionen, die uns mit Spenden unterstützen", sagt Fauth. "Bei uns bleibt kein Kind auf der Strecke." Obgleich an seiner Schule eine gute Lösung gefunden ist, sieht er auf Nachfrage der SZ beim Thema Fördervereine auch das Thema Bildungsgerechtigkeit mitschwingen. "Umso mehr Geld Sie haben, umso mehr Möglichkeiten haben Sie, an der Bildung teilzunehmen", sagt er. Denn das sei ein Grund warum es an seiner und seiner Ansicht auch an anderen Mittelschulen keinen Förderverein gebe: "Das liegt an den Finanzen der Eltern, mal 1000 oder 2000 Euro zahlen wie Eltern von Kindern am Gymnasium, das können sie nicht", sagt er. Zudem seien die Eltern der meisten ihrer Schüler beide berufstätig und hätten keine Zeit für das Engagement in einem Förderverein. Viele Eltern hätten auch Probleme mit der Sprache - 70 Prozent ihrer Schüler hätten einen Migrationshintergrund. Ob also der Staat mehr leisten müsse? Das findet der Schulleiter nicht. "Er kann auch nicht jeder Familie zwei Laptops bezahlen", sagt er. Es sei ein schwieriges Thema.

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An der Erich-Kästner-Grund- und Mittelschule in Höhenkirchen-Siegertsbrunn gab es bisher auch keinen Förderverein, am 12. Oktober soll nun einer gegründet werden. "Wir hatten bisher noch wenig zusätzlichen finanziellen Unterstützungsbedarf", sagt Rektor Torsten Bergmühl. Zudem sei die Gemeinde sehr hilfsbereit. Unter anderem durch Zuschüsse der Kommune konnte die Schule beispielsweise vor zwei Jahren entsprechend dem damaligen Jahresmotto der Schule "Lesen" für etwa 10 000 Euro Bücher anschaffen und damit auch Kinder dem Lesen zuführen, die zuhause keinen Zugang zu Büchern haben. Auch wenn die Schule Geld brauchte für die Anschaffung von digitaler Infrastruktur über den Digitalpakt hinaus, habe die Gemeinde das gezahlt. Bergmühl wollte allerdings schon vor einem Jahr einen Förderverein gründen, weil er in der Vergangenheit als Schulleiter einer anderen Schule bereits sehr gute Erfahrungen damit gemacht hatte. Einen Sinn sieht Bergmühl darin, dass der Förderverein Spenden annehmen kann -was die Schule nicht könne-, etwa Einnahmen von Schulfesten und man so beispielsweise einzelne Kinder gezielt unterstützen könnte. Er begrüßt so einen Förderverein auch, weil dem Elternbeirat über ihn eine "gewisse Handlungsfähigkeit" gegeben werde.

Manuela Pietraß, Professorin für Erziehungswissenschaft an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg, wünscht sich den Ausgleich von Bildungsnachteilen. (Foto: privat)

Wie es scheint, wissen die Schulen sich zu helfen und versuchen den Schülern eine Bildung auch über den Tellerrand zu ermöglichen, sei es nun mit oder ohne Förderverein. Nur stellt sich vor dem Hintergrund der Bildungsgerechtigkeit die Frage, ob nicht von Vornherein der Staat mehr Mittel zur Verfügung stellen oder eingreifen sollte, damit nicht am Ende der Geldbeutel oder das Engagement der Eltern über die Bildungschancen der Kinder entscheiden.

Professorin sieht Schulleiter an Schulen ohne Förderverein stärker belastet

Weil Fördervereine freiwillige Initiativen von Menschen sind, die sich engagieren, glaubt Manuela Pietraß, Professorin für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Medienbildung an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg, nicht, dass es förderlich wäre, wenn vom Staat etwas vorgegeben würde. Sehr wohl sieht aber auch sie das Problem, dass "Kinder viel bessere Chancen haben, aktiv zu sein, in der Schule gut zu sein und sich im Leben zurecht zu finden, wo die Situation günstig ist, wo die Eltern einen guten Bildungsweg haben". Und genau in einem solchen Umfeld bildeten sich auch Fördervereine. Insofern sieht die Professorin eine gewisse Benachteiligung an Schulen, wo Eltern sich nicht so gut selbst organisieren können und ihre Kinder nicht so stark unterstützen, sei es wegen eines Migrationshintergrunds oder weil die Eltern selbst in einer großen Belastungssituation stecken. "Hier bleibt an den Schulleitungen viel mehr hängen, die ohnehin schon eine hohe Belastung zu tragen haben", sagt die Expertin. Auch kritisiert sie beim Thema Bildungsgerechtigkeit, dass in Deutschland "der Lebensweg durch die Herkunft bereits so gut wie vorgeschrieben" sei. Etwa im sehr sozial geprägten Schweden, so ist ihr persönlicher Eindruck, sei die Gesellschaft offener. Wie viel auf der anderen Seite durch das Engagement von Institutionen für Schüler erreicht werden kann, zeigt Pietraß an einem Beispiel einer Stiftung aus dem Landkreis Starnberg, die sich um Kinder kümmert, die den Schulanforderungen nicht gerecht werden. Unter anderem ermöglicht sie die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen. Pietraß erzählt von einem Jugendlichen, "ein Raubein", wie sie sagt, der bei einer Probe eines klassischen Konzerts zuhörte und dem die Tränen herunterliefen. "Ziel sollte der Ausgleich von Bildungsnachteilen sein, dass also ein Kind zur Unterstützung seines individuellen Lernprozesses das beste Umfeld erhält", sagt die Professorin.

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