Wirtschaft:Infineon wird zum Sorgenkind

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Umgeben von viel Grün und auch Wasser arbeitet es sich angenehm am Hauptsitz von Infineon in Neubiberg. Ob auch hier Jobs gestrichen werden, bleibt zunächst offen. (Foto: Claus Schunk)

Dass das Unternehmen Stellen abbaut, lässt im Neubiberger Rathaus die Alarmglocken läuten – schließlich ist der Chip-Hersteller der wichtigste Gewerbesteuerzahler der Gemeinde. Ob auch am Ort Jobs gestrichen werden, ist noch unklar.

Von Daniela Bode, Neubiberg

Seit bekannt ist, dass Infineon 1400 Stellen streichen und ebenso viele Jobs in billigere Länder verlagern will, stellt man sich in Neubiberg die Frage, welche Auswirkungen dies auf den Hauptsitz des Chip-Herstellers haben wird. Das Unternehmen selbst hält sich bedeckt und verweist darauf, dass erst einmal die Mitarbeiter informiert werden sollen. Neubibergs Bürgermeister Thomas Pardeller (CSU) erklärt unterdessen mit Blick auf die von Infineon zu erwartende Gewerbesteuer schon mal, dass die Gemeinde bei den nächsten Haushaltsplanungen vorsichtig vorgehen werde.

Insgesamt arbeiteten bei dem Unternehmen zuletzt rund 59 000 Menschen, davon rund 6000 in Neubiberg. An dem Hauptsitz befindet sich der größte Forschungs- und Entwicklungsstandort, die Schwerpunkte liegen dort unter anderem auf Teilen von Chip-Karten, Leistungselektronik für Automobil- und Industrieanwendungen und der Entwicklung von Produktionsprozessen. Ob an dem Hauptstandort am Münchner Stadtrand Jobs gestrichen werden sollen oder von dort verlagert, dazu äußert sich das Unternehmen auf Anfrage nicht.

Laut einem Sprecher des Unternehmens entfällt die Hälfte der Stellen, die in Deutschland abgebaut werden, auf den Standort Regensburg. Dort soll es sich um eine mittlere dreistellige Zahl handeln. „Wir informieren nun die betroffenen Standorte in umfassender interner Kommunikation über die jeweiligen Auswirkungen vor Ort“, sagt der Sprecher. Er bittet um Verständnis, dass keine weiteren Einzelzahlen genannt werden könnten.

Hintergrund der geplanten Maßnahmen ist das unternehmensweite sogenannte Strukturverbesserungsprogramm „Step up“, das für alle Standorte in Deutschland seit Mai gilt. Infineon möchte damit nach Angaben des Sprechers mit Blick auf die Kosten die Wettbewerbsfähigkeit verbessern und das Geschäftsmodell stärken, um ein langfristig profitables Wachstum zu sichern.

Am Montag hatte Vorstandsvorsitzender Jochen Hanebeck die Mitarbeiter persönlich informiert, dass weltweit 1400 Stellen entfallen und weitere 1400 Stellen an andere Standorte verlagert werden. Seit einigen Monaten ist bereits bekannt, dass in Regensburg mehrere Hundert Jobs abgebaut werden sollen. In den vergangenen fünf Jahren hatte Infineon nach eigenen Angaben allein Deutschland 3000 neue Stellen geschaffen. In Dresden, wo ein neues Chip-Werk entsteht, sollen noch einmal rund tausend neue Stellen geschaffen werden. „Wenn es strategisch sinnvoll ist, wird Infineon weiterhin in Neubiberg und an anderen Standorten in Deutschland einstellen“, so der Unternehmenssprecher zur SZ.

Die Lage der Chip-Branche ist teilweise angespannt. Infineon-Chef Hanebeck sprach zuletzt von einem herausfordernden Marktumfeld. „Die Erholung in unseren Zielmärkten schreitet nur langsam voran“, sagte er. Wegen der schwachen gesamtwirtschaftlichen Dynamik seien die Bestände an vielen Stellen höher als die Endnachfrage. Die Situation zeigt sich auch an den Unternehmenszahlen: So ist zwar der Umsatz im Vergleich zum zweiten Quartal leicht auf 3,7 Milliarden Euro gestiegen, blieb aber unter den Erwartungen. Auch zuvor musste der Konzern schon seine Umsatzziele korrigieren. Zudem liegt der Gewinn im dritten Quartal mit 403 Millionen Euro rund die Hälfte unter dem des Vorjahreszeitraums.

„Wir haben die Nachricht mit Sorge vernommen“, sagt Bürgermeister Pardeller

Im Neubiberger Rathaus will man auf die Entwicklungen reagieren: „Wir haben die Nachricht mit Sorge vernommen. Infineon ist das große Unternehmen und unser wichtigster Gewerbesteuerzahler“, so Bürgermeister Pardeller zur SZ. Welche Auswirkungen die Ankündigungen auf den Standort Neubiberg haben, könne man aber noch nicht absehen. Bei der Planung des Haushalts 2025 werde die Gemeinde jedenfalls „vorsichtig agieren und das Gespräch mit Infineon suchen“, kündigt der Rathauschef an.

In der Kommune werden etwa 95 Prozent der Gewerbesteuer von nur fünf Unternehmen erwirtschaftet. Neben Infineon zählt die Firma Intel zu den großen Arbeitgebern und Steuerzahlern der Münchner Stadtrandgemeinde, ebenso Encavis, ein führender europäischer Produzent von Strom aus erneuerbaren Energien. In der Vergangenheit hatte die Gemeinde vorsichtig mit Gewerbesteuereinnahmen von 15 Millionen Euro geplant, für 2024 hat der Kämmerer dagegen insgesamt 26 Millionen Euro angesetzt. Wie viel davon auf Infineon entfällt, dazu macht die Gemeinde wegen des Steuergeheimnisses keine genauen Angaben. Es sei aber der größte Teil.

Möglicherweise bleibt der Standort Neubiberg auch von den Jobstreichungen weitgehend verschont. Bei der Gewerkschaft sieht man jedenfalls nicht schwarz. Sibylle Wankel, die Geschäftsführerin der IG Metall in München, interpretiert die Ankündigungen des Managements so, dass der Standort Neubiberg nicht vom Stellenabbau betroffen sein wird. Allerdings nehme man wahr, dass die Zahl der Neueinstellungen am Campeon – so nennt sich der Standort in Neubiberg – seit einiger Zeit deutlich zurückgehe.

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