Gerechte Erzeugerpreise:"Mein Kaufverhalten hat sich auch geändert"

Gerechte Erzeugerpreise: "Die Idee ist auf fruchtbaren Boden gefallen." Ob Baumwolle, Kaffee oder Schokolade - das Fairtrade-Siegel gibt es für eine Vielzahl an Produkten.

"Die Idee ist auf fruchtbaren Boden gefallen." Ob Baumwolle, Kaffee oder Schokolade - das Fairtrade-Siegel gibt es für eine Vielzahl an Produkten.

(Foto: Joerg Boethling/imago images)

Neubiberg war vor zehn Jahren die erste Fairtrade-Gemeinde im Landkreis München. Ute Cox ist im Rathaus für die Umsetzung zuständig und zieht eine positive Bilanz.

Interview von Daniela Bode, Neubiberg

Vom Kaffee in der Gemeindebücherei bis zu den Produkten in Geschenkkörben: Im Neubiberger Rathaus ist es seit zehn Jahren selbstverständlich, beim Einkauf von Waren darauf zu achten, dass die Erzeuger gerecht bezahlt und behandelt werden. Im Oktober 2012 erwarb die Kommune noch unter der Ägide des früheren Bürgermeisters Günter Heyland (Freie Wähler) als erste Kommune im Landkreis den Titel Fairtrade-Gemeinde und trägt ihn bis heute. Ute Cox ist als Fairtrade-Beauftragte im Rathaus für die Umsetzung zuständig. Im Interview erzählt sie, welche Bedeutung das Siegel hat und was es in der Gemeinde verändert hat.

SZ: Wie kam es, dass Neubiberg vor zehn Jahren zur Fairtrade-Gemeinde wurde?

Ute Cox: Initiator war Norbert Büker, Vorstand der Kolpingsfamilie Neubiberg. Die Fairtrade-Idee wurde ja zuerst von den Kirchen umgesetzt. Er hat das dem damaligen Bürgermeister Günter Heyland vorgeschlagen. Die Idee ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Der Gemeinderat hat einstimmig beschlossen, Fairtrade-Gemeinde werden zu wollen. Der jetzige Rathauschef Thomas Pardeller saß damals schon in dem Gremium und hat auch mitgestimmt. Am 20. Oktober 2012 erhielt Neubiberg dann offiziell das Siegel.

Gerechte Erzeugerpreise: Am Weltfrauentag verteilt Ute Cox fair gehandelte Rosen.

Am Weltfrauentag verteilt Ute Cox fair gehandelte Rosen.

(Foto: privat)

Welche Voraussetzungen muss man als Kommune erfüllen?

Es braucht einen Gemeinderatsbeschluss. Man braucht eine Steuerungsgruppe, die sich zu dem Thema engagiert und vernetzt. Diese haben wir mittlerweile in der Gruppe "Neubiberg for Future" integriert. Man braucht Läden vor Ort, die faire Produkte anbieten. Da haben wir einige. Der Juwelier zum Beispiel verkauft zertifiziertes Gold. Im Stoffladen gibt es zertifizierte Stoffe. Es müssen auch Schulen mitmachen. In Neubiberg sind wir gut dabei: Das Gymnasium und die Realschule sind zertifiziert, die Emile-Montessori-Schule will es auch bald sein. Außerdem muss man das Thema in der Öffentlichkeit wach halten, zum Beispiel durch Medienberichte.

Die Gemeinde musste gerade das Siegel erneuern, das immer für zwei Jahre gilt. Womit hat sie gepunktet?

Bei uns ist bemerkenswert, dass so viele Schulen dabei sind.

Umweltschutz und ein sorgsamer Umgang mit der Erde geht ohnehin immer mehr ins Bewusstsein der Menschen über. Braucht es da so ein Siegel überhaupt noch?

Ich denke schon, dass es wichtig ist. Die Ziele von Fairtrade und Nachhaltigkeit überschneiden sich zum Teil. Wenn durch fairen Handel die Arbeitsbedingungen der Erzeuger verbessert werden, kann das gleichzeitig Verbesserungen für die Umwelt bringen. Durch fairen Handel bekommen Erzeuger nicht nur faire Preise, sondern auch Prämien, womit sie nachhaltige Projekte vor Ort finanzieren können, was wieder die Umwelt schützt.

Merkt man den Fairtrade-Gedanken in Neubiberg überhaupt im Alltag oder beschränkt sich die Idee darauf, dass die Gemeinde im Rathaus fair gehandelten Kaffee ausschenkt und ebensolche Präsente verschenkt?

Ich glaube schon, dass sich etwas verändert hat. In letzter Zeit hat der Bioladen Vollcorner eröffnet. Viele Bioprodukte sind auch fair. Bei Edeka Hertschek gibt es viele faire Produkte zu kaufen. Wenn die Nachfrage nicht da wäre, würden sich die Läden nicht so halten. Schade ist, dass wir keinen Eine-Welt-Laden in Neubiberg haben. Er würde sich als Treffpunkt eignen und Ort für Veranstaltungen.

Was wird in Neubiberg in Sachen Fairtrade alles getan?

Die größte Aktion zum Thema ist der Nachtbiomarkt im Umweltgarten. Er fand vor zehn Jahren zum ersten Mal statt. Sonst gibt es kleinere Veranstaltungen. Es gab in Zusammenarbeit mit dem Seniorenzentrum einmal ein faires Frühstück. Dort konnte man an einem Büfett mit bio-fairen, regionalen Produkten Dinge probieren, die man sich vielleicht noch nie gekauft hat. Im Jugendzentrum haben wir einmal eine faire Kochshow veranstaltet. Am Weltfrauentag verteilen wir fair gehandelte Rosen. Am 21. Oktober ist zum Jubiläum ein Fairtrade-Dinner mit geladenen Gästen geplant. Neubiberger Bürger können mit etwas Glück teilnehmen, wenn sie bis 7. Oktober per E-Mail an kulturamt@neubiberg.de folgenden Satz vervollständigen: "Ich kaufe fair, weil...".

Sind die Beteiligten immer gut am Ball geblieben, auch über die Pandemie-Zeit, oder gibt es Herausforderungen?

Ich habe mir vorgenommen, die Akteure untereinander wieder mehr zu vernetzen. Das hat in der Corona-Zeit gelitten. Danach will ich bei der Gastronomie noch einmal einen Anlauf nehmen. Es beteiligen sich zwar zwei Betriebe, aber es ist schwierig, neue dazuzugewinnen. Dabei sind die Hürden gar nicht so hoch. Sie müssten nur zum Beispiel fair gehandelten Zucker reichen oder fair gehandelte Zitronen zum Tee geben.

Was hat Sie veranlasst, vor sieben Jahren zur Fairtrade-Beauftragten der Gemeinde zu werden?

Ich versuche auch zuhause, einen möglichst nachhaltigen und fairen Lebensstil zu haben. Da dachte ich mir, das passt ganz gut. Je mehr ich auch über das Thema gelesen habe, desto weniger konnte ich die Fakten ignorieren. Mein Kaufverhalten hat sich auch geändert. Ich achte beispielsweise bei Kleidung viel mehr auf Siegel.

Was kann jeder einzelne für den Gedanken des gerechten Handels tun?

Am meisten kann man tun, wenn man beim Einkaufen fair gehandelte Produkte wählt. Einfach mal ausprobieren, auch da gibt es eine große Auswahl. Ich habe da auch meine Lieblingsschokolade gefunden.

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