Neubiberg:EU-Ausländer in der Bundeswehr

Neubiberg: Aus Sicht des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann muss die Bundeswehr attraktiver werden.

Aus Sicht des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann muss die Bundeswehr attraktiver werden.

(Foto: Claus Schunk)

Bayerns Innenminister lehnt bei einer Debatte in der Universität der Bundeswehr weitere Öffnung ab

Von Carina Seeburg, Neubiberg

Um qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen und das gesetzte Ziel einer Truppenstärke von 200 000 Zeit- und Berufssoldaten bis 2024 zu erreichen, muss die Bundeswehr seit der Aussetzung der Wehrpflicht im Juli 2011 neue Wege gehen. Groß angelegte Werbekampagnen zur Nachwuchsrekrutierung seien ein Teil davon, "aber offensichtlich nicht genug", erklärt Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg. Jedes Jahr müssen 20 000 Stellen nachbesetzt werden.

Derzeit fänden sich nicht ausreichend qualifizierte Männer und Frauen für den Dienst in der Bundeswehr. "Uns fehlt der Nachwuchs und die demografische Entwicklung in Deutschland spricht dagegen, dass sich das in Zukunft ändert", sagte Masala am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion an der Universität über eine Öffnung der Bundeswehr für EU-Ausländer.

Die Idee ist nicht neu, die Diskussion wird seit geraumer Zeit geführt. Belgien, Dänemark, Luxemburg und andere europäische Staaten haben das Modell aus den gleichen Gründen bereits eingeführt. In einem sicherheitspolitischen Umfeld, das sich insbesondere seit 2014 verschärft habe, werde die europäische Zusammenarbeit ohnehin immer enger, stellte Masala fest. "Wir befinden uns in einem Prozess, in dem europäische Streitkräfte in Ausbildung und Training zunehmend miteinander verwoben sind." Auch in Einsätze gehe die Bundeswehr nur multinational. Das werde unter anderem von der Notwendigkeit getrieben, dass alle europäischen Armeen relativ klein seien. Damit die Streitkräfte gemeinsam sicherheits- und verteidigungspolitische Verantwortung übernehmen können, sollen sie organisatorisch und ausrüstungstechnisch kompatibler gemacht werden, heißt es auf der Website des Verteidigungsministeriums.

Die eigene Truppenstärke durch das Anwerben von EU-Ausländern zu erhöhen, lehnt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) indes ab. Damit kuriere man am falschen Symptom, sagte er: "Es geht vielmehr darum, die Attraktivität der Bundeswehr zu erhöhen und darum, dass junge Leute wieder stolz zur Bundeswehr gehen." Befristete Arbeitsverträge, mangelnde Ausrüstung, Auslandseinsätze, aber auch die teilweise geringe gesellschaftliche Akzeptanz mindere den Anreiz, sich bei der Bundeswehr zu bewerben. Das Aussetzen der Wehrpflicht habe zudem eine Abkopplung des Militärs von der Zivilgesellschaft befördert. "Die Attraktivität hat eine Delle", bestätigte auch Thomas Hambach, Brigadegeneral und Kommandeur des Landeskommandos Bayern.

Eine Entfremdung der Zivilgesellschaft vom Militär werde durch Bundeswehrstandorte befördert, die nicht großstadtnah, sondern größer als die Dörfer in ihrem Umkreis sind, beklagte Masala. Um der Bevölkerung etwa den Sinn von Auslandeinsätzen näher zu bringen, müsse die sicherheitspolitische Debatte in die Mitte der Gesellschaft kommen, sagte Oberstleutnant Thomas Sohst, Landesvorsitzender West des Bundeswehrverbands. "Was wir bräuchten wäre alle vier Jahre ein Weißbuch, das die sicherheitspolitische Lage der Bundesrepublik aus Sicht der Regierung darstellt und regelmäßige Diskussionen dazu im Bundestag - dann würde die Öffentlichkeit schon mitdiskutieren", ist sich Hans-Peter Bartels (SPD), Wehrbeauftragter des Bundestags, sicher.

Während über die Notwendigkeit einer Attraktivitätssteigerung der Bundeswehr Einigkeit herrschte und eine europäische sicherheits- und verteidigungspolitische Kooperation positiv bewertetet wurde, gingen die Meinungen beim Rekrutierungsproblem auseinander. Herrmann plädierte dafür, dass die deutsche Staatsbürgerschaft vor Eintritt in die Streitkräfte angenommen werden müsse, während Masala das integrierende Element betonte, das die Bundeswehr für Ausländer sein könne, die eine Staatsbürgerschaft anstreben. Am Ende sei nicht die Nationalität entscheidend, schloss Bartels, sondern der Anspruch, freiheitlich demokratische Werte zu teilen und zu verteidigen.

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