Neubiberg:Ein Satz hallt nach

Der Streit geht weiter: Nun will auch die Neubiberger CSU prüfen lassen, wer für die Vergabe gemeindeeigener Wohnungen zuständig ist.

Von Martin Mühlfenzl, Neubiberg

Thomas Pardeller hat sich über diesen Satz natürlich Gedanken gemacht. "Am Anfang dachte ich, dass sei ein Affektsatz gewesen", sagt der Neubiberger CSU-Gemeinderat. "Aber als er ihn noch einmal wiederholt und bekräftigt hat, konnte ich nur noch mit dem Kopf schütteln. Er, das ist Neubibergs Bürgermeister Günter Heyland (Freie Wähler). Und der Satz des Bürgermeisters, der die Gemeinde noch immer beschäftigt, lautet: "Es ist mir letztendlich wurscht, wie Sie abstimmen, ich werde es sowieso nicht umsetzen."

In Neubiberg ist eine Debatte entbrannt. Über das Demokratieverständnis des Bürgermeisters. Auch über den richtigen Umgang mit Flüchtlingen, über die Ausgrenzung von Menschen in Not. Über das Abdrängen dieser Menschen an den Rand der Gesellschaft - und darüber, welche Folgen es haben kann, Menschen gegeneinander auszuspielen.

All diese Diskussionen basieren auf einer Entscheidung des Gemeinderats - einem Antrag der CSU und der Grünen folgend - frei werdende, gemeindliche Wohnungen dem Landratsamt für die Unterbringung von Flüchtlingen anzubieten. Mit hauchdünner Mehrheit brachte das schwarz-grüne Bündnis diesen Antrag durch - und den Rathauschef auf die Palme. Und plötzlich vermengen sich in Neubiberg moralische Bedenken und rechtliche Grundsatzfragen.

Denn Bürgermeister Heyland argumentiert, einzig die Verwaltung und der Rathauschef seien bei der Vergabe von gemeindeeigenen Wohnungen zuständig. Ganz im Sinne des Geschäfts der laufenden Verwaltung, das in der Bayerischen Gemeindeordnung festgeschrieben ist. So viel zum rechtlichen. Aus moralischer Sicht beanstandet Heyland, dass CSU und Grüne zwei Gruppen hilfsbedürftiger Menschen gegeneinander ausspielen würden: Flüchtlinge und Ottobrunner Bürger, die Wohnraum benötigen.

Das freilich will Thomas Pardeller nicht auf sich sitzen lassen. "Es ist in dieser Situation vollkommen unangemessen, dass der Bürgermeister rechtliche Tricks rausholt", sagt Pardeller. Und greift letztlich doch auch zu einem solchen. Seine Fraktion hat eine Prüfung des Vorgehens Heylands durch das Landratsamt beantragt. "Außerdem ist es nicht fair, das Argument auszuspielen, wir würden Gruppen gegeneinander ausspielen." Der Beschluss sehe ausschließlich vor, dass der Gemeinderat informiert werden müsse, wenn eine der 71 in Gemeindebesitz befindlichen Wohnungen frei wird. "Es ist doch nicht unser Ziel, alle 71 Wohnungen dem Landratsamt zu übergeben", sagt Pardeller.

Kompetenzen

In der Bayerischen Gemeindeordnung sind zwei Hauptorgane vorgesehen: der vom Volk gewählte Gemeinderat sowie der direkt gewählte Bürgermeister. Die Kompetenzen beider Organe sind klar abgegrenzt; gegenseitige Einmischungen verbietet die Gemeindeordnung. In den Zuständigkeitsbereich des Bürgermeisters fallen die sogenannten Geschäfte der laufenden Verwaltung oder laufenden Angelegenheiten. Dies sind Routineangelegenheiten, die für den Gemeinderat sachlich, politisch und finanziell nicht von Bedeutung sind und keine erheblichen Verpflichtungen nach sich ziehen. Darunter fallen Zuwendungen an Institutionen oder Vereine, die die Grenze von 10 000 Euro nicht überschreiten. Rechtsexperten zählen auch Aufgaben, die immer wiederkehren, also alltäglich sind, dazu. müh

Einen Seitenhieb in Richtung Günter Heyland kann sich der Christsoziale auch Tage nach der Sitzung nicht verkneifen: "Der Bürgermeister sollte sein Demokratieverständnis überdenken. So ein Satz kann in einer hitzigen Diskussion fallen, aber man wiederholt ihn nicht."

Dennoch, sagt Pardeller, müsse im Sinne der Aufnahme und Integration der Flüchtlinge gemeinsam ein Gesamtkonzept auf den Weg gebracht werden. "Und da sind wir in einer vernünftigen Diskussion." Und er selbst ist mit Heyland auch bei einem wichtigen Thema einer Meinung: "Wir werden an einer Gemeinschaftsunterkunft nicht vorbeikommen."

Das ist Konsens. Gleichwohl der Beschluss auf Betreiben von CSU und Grünen noch immer Nachhall findet. "Hier wurde ein Fass aufgemacht, das Zündstoff besitzt", sagt SPD-Gemeinderat Gregor Röslmaier. Auch er sagt, mit dieser Maßnahme würden zwei Gruppen gegeneinander ausgespielt: "Das ist nicht redlich." Gleichwohl vermutet er hinter dem Antrag keine böse Absicht: "Das würde ich den Kollegen der CSU nie unterstellen", sagt Röslmaier. "Aber im ersten Moment war er nicht gut durchdacht - und nicht weitergedacht." Allerdings müsse der Beschluss, so er denn rechtskräftig ist, respektiert werden: "Meine Haltung ist da eine andere als jene des Bürgermeisters. Mir passt es zwar auch nicht, aber ich akzeptiere es."

Ob all der Differenzen macht Röslmaier klar, dass gemeinsame Anstrengungen nötig seien, um die prognostizierten 150 Flüchtlinge "menschenwürdig" unterzubringen. "Da arbeiten alle an einem Strang." Die Errichtung einer Gemeinschaftsunterkunft sei Konsens, sagt der Gemeinderat: "Aber nicht für 150 Menschen. Das wäre für die Flüchtlinge eine zu große Belastung." Und noch etwas sei zu bedenken: "Wichtig ist auch, dass für die anerkannten Flüchtlinge Wohnungen gefunden werden. Dass Kooperationen mit Vereinen oder dem Umweltgarten geschlossen werden." Darüber sollten alle nachdenken.

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