Neubiberg:Die Arbeit besser erklären

Neubiberg: Bei den Demonstrationen in Chemnitz Ende August kam es zu Übergriffen von Rechtsextremen.

Bei den Demonstrationen in Chemnitz Ende August kam es zu Übergriffen von Rechtsextremen.

(Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Jana Klameth berichtet über Lokaljournalismus in Chemnitz

Von Irmengard Gnau, Neubiberg

Im Spätsommer 2018 war Torsten Kleditzsch ein besonders gefragter Gesprächspartner in Diskussionsrunden bundesweit. Besonders, seit der Chefredakteur der Freien Presse Chemnitz in einer Kolumne erklärt hatte, warum seine Zeitung nicht den Begriff "Hetzjagd" für die Ereignisse verwendete, die in Chemnitz geschehen waren. Dort war es nach dem gewaltsamen Tod eines Mannes in der Nacht vom 25. auf den 26. August im Streit mit zwei Asylbewerbern zu massiven Demonstrationen teils rechtsradikaler Teilnehmer, volksverhetzenden Gesten und zur Bedrohung von Migranten, Gegendemonstranten und Journalisten gekommen; die Behörden ermittelten außerdem wegen Körperverletzung. Die Redaktion der Freien Presse, als Lokalzeitung in Chemnitz besonders nah am Geschehen, entschied sich danach bewusst gegen die Titulierung als "Hetzjagd". "Der offen zu Tage getretene Hass, der die Proteste auf den Straßen in Chemnitz begleitet hat, war schrecklich genug. Er bedarf keiner Dramatisierung", erklärte Kleditzsch den Lesern.

Vor 2015 hätte man wohl nicht so reagiert, sagt die stellvertretende Chefredakteurin Jana Klameth. Aber die Interaktion mit dem Leser habe sich seither verändert: "Wir haben gemerkt, dass wir unsere Arbeit besser erklären müssen." Über die Auswirkungen von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus und wie Journalisten in politisch aufgeladenen Zeiten auch im Lokalen damit umgehen können, diskutierte Klameth am Montag an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg auf Einladung von Journalistik-Professorin Sonja Kretzschmar mit Studierenden. Diese sahen das Beispiel des Chefredakteurs der Freien Presse durchaus positiv, schließlich bestehe heute der Bedarf, dass Medien sich und ihr Handeln ihren Lesern gegenüber transparent machen.

Dabei sind Rechtspopulismus und Rechtsextremismus keine Phänomene, die Journalisten in Sachsen erst seit der verstärkten Zuwanderung von Flüchtlingen seit dem Sommer 2015 bewegen, stellte Klameth klar. Die erfahrene Journalistin berichtete bereits in den Neunzigerjahren über rechte Umtriebe im Freistaat. Allerdings, sagte Klameth, habe sich das Verhalten gegenüber Pressevertretern seither deutlich verschlechtert: "Seit 2015 sind wir schon extremen Anfeindungen ausgesetzt. Die Beschimpfung "Lügenpresse" ist da noch das sanfteste." Gerade in den sozialen Medien beobachtet die Journalistin eine Zunahme verbaler Angriffe und Hasskommentare. Deshalb sei es für die Redaktion umso wichtiger, sich selbst ihrer Arbeitsweise zu vergewissern: "Was machen wir, wie machen wir es und in welcher Sprache?" Dass es richtig und nötig ist, über rechte Bestrebungen zu berichten, davon ist Klameth überzeugt. Totschweigen habe noch kein gesellschaftliches Problem gelöst, sagt sie. Unerlässlich sei allerdings eine saubere journalistische Recherche, das Erläutern von Hintergründen und stets eine kritische Distanz zu wahren - "hingehen, hinschauen, transparent machen".

Nach den Ereignissen von Chemnitz hat sich die Lokalredaktion in der Stadt zudem entschieden, noch stärker den Dialog mit den Bürgern zu suchen. In mehreren Foren, die die Freie Presse ausrichtet, sollen die Menschen diskutieren, etwa darüber, wie sich die Sicherheit in der Chemnitzer Innenstadt verbessern lässt. "Wir müssen versuchen, die Menschen über Meinungsgrenzen hinweg wieder zusammenzubringen", sagt Klameth. Das erste Bürgerforum war ein Erfolg.

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